„Qualifizierung ist ein Riesenthema“
Microsoft baut Zentrum in Strukturwandel-Region – so geht es weiter
Braunkohle-Revier steht vor einer tiefgreifenden Transformation: Arbeitsminister Heil spricht von einer „Blaupause“ für ganz Deutschland.
Köln – Wieder sind es Baggerschaufeln, die Stück für Stück die Erde abtragen. Diesmal geht es im Rheinischen Revier aber nicht um Braunkohle: An der A61 bei Bedurg in NRW wird ein Gewerbegebiet gebaut. 44 Hektar groß soll es werden, das sind gut 70 Fußballfelder. Knapp die Hälfte wird Microsoft belegen, mit einem Rechenzentrum siedelt sich der US-Software-Gigant hier an, Tausende Menschen sollen dort arbeiten.
Microsoft baut Rechenzentrum in Braunkohle-Revier: Strukturwandel nach Kohleausstieg 2030
Jahrzehntelang hatte der Braunkohleabbau die Landschaft in der Region bei Aachen in NRW für immer verändert, ganze Dörfer mussten den Schaufelradbaggern des Energiekonzerns RWE weichen. Zehntausenden bot der Abbau Arbeit. Mit dem vorgezogenen Kohleausstieg 2030 steht die Region vor einem tiefgreifenden Strukturwandel. Siedlungen werden zu Geisterstädten, wo nachts Metalldiebe die Regenrinnen verwaister Häuser abmontieren. Und viele der Noch-Beschäftigten bangen um ihre Jobs.
Mit der Ansiedlung von Tech-Unternehmen soll wieder Leben in die Region einkehren, das Rheinische Revier soll ein bundesweites Beispiel für gelungene Transformation werden. Nur: Die Städte und Kommunen stehen vor gewaltigen Herausforderungen, wie auf der Revierkonferenz am Dienstag in Bedburg deutlich wurde.
Hubertus Heil zu Kohleausstieg in NRW: „Blaupause für Transformation in ganz Deutschland“
Zu Gast: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Der sprach erst einmal vom Erbe, das die Region hinterlasse. „Man darf nicht vergessen, dass Deutschland ohne die Leistung der Menschen hier nicht die Wirtschaftskraft hätte, die es heute hat“, so Heil am Rande der Veranstaltung. Es gehe nun darum, Strukturbrüche zu verhindern und dafür zu sorgen, „dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Region eine Perspektive haben“. Das Projekt Rheinisches Revier sei „die Blaupause für die Frage in ganz Deutschland, wie wir es schaffen, Transformation in Regionen hinzubekommen“.
Dabei soll eine Finanzspritze helfen: 15 Milliarden Euro will der Bund investieren, „um neue Geschäftsmodelle und zukunftsträchtige Arbeitsplätze in einem lebenswerten Umfeld zu entwickeln“, wie es beim NRW-Wirtschaftsministerium heißt.
Aber: Kommen die Braunkohle-Arbeiter überhaupt künftig in den neuen Unternehmen, die vor allem aus der Hightech-Branche kommen, unter? „Die Frage der Qualifizierung ist ein Riesenthema“, sagte Jochen Ott, Chef der NRW-Landtagsfraktion der SPD. Er appellierte an die schwarz-grüne Landesregierung: „Wir brauchen dringend eine Initiative, dass die Beschäftigten, die jetzt an den Kraftwerksstandorten arbeiten, spüren, dass sie eine Chance haben.“ Eine solche Initiative fehle bislang. Immerhin: Microsoft plant auch eine Aus- und Weiterbildungsoffensive. Insgesamt will das Unternehmen rund 3,2 Milliarden Euro in Deutschland investieren.
Nach Ampel-Aus: Kommt Gesetz zur Energiesicherung noch vor Neuwahl in den Bundestag?
Derweil mehren sich Zweifel daran, dass der Kohleausstieg bis 2030 überhaupt wirklich gelingen kann. Voraussetzung für den vorgezogenen Kohleausstieg ist, dass alternative Kapazitäten die Stromproduktion aus Kohle ausgleichen können. Geplant sind neue Gaskraftwerke, das grüne Bundeswirtschaftsministerium hat dafür das Kraftwerkssicherungsgesetz vorbereitet. Nach dem Ampel-Aus ist allerdings unklar, ob das Gesetz noch vor den Neuwahlen am 23. Februar in den Bundestag eingebracht wird.
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