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Wie weiter nach dem Trump-Knall?
Merz und Scholz im Vakuum: Im Ukraine-Drama übernehmen zwei starke Kräfte das Zepter in Europa
Trump und Selenskyj zoffen sich um die Ukraine – Scholz und Merz kämpfen mit eigenen Problemen. Im Durcheinander spielen sich zwei Staatschefs als die mächtigen Männer auf.
Berlin – Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump streiten sich vor laufenden Kameras heftig. Der US-Präsident schmeißt den Ukraine-Präsidenten raus. Der Aufschrei ist groß. Zuvor drohte das Treffen zwischen Selenskyj und Trump sogar beinahe zu platzen. Erst ein Anruf von Frankreichs Ministerpräsident Emmanuel Macron überzeugte die USA angeblich davon, den Landeschef der Ukraine überhaupt zu empfangen. Und nach dem Albtraum-Treffen? Reist Selenskyj direkt weiter nach Großbritannien, trifft Premierminister Keir Starmer. Es sind Entwicklungen, die eine abgeänderte Ordnung in der Geopolitik zeigen.
Beispiele hierfür gibt es zur Genüge. Schon vor dem Eklat im Weißen Haus etwa trafen zwei hochrangige europäische Staatschefs Donald Trump nach seiner Amtsübernahme medienwirksam: Starmer und Macron. Die Regierungsverantwortlichen aus Großbritannien und Frankreich inszenieren sich zur Stunde als die proaktiven Staatsmänner Europas. Beide spielen die starke Kraft in einer gerade in Rüstungsfragen wackligen EU. Beide nehmen sich auch nicht zurück, Trump in Gesprächen vor Kameras quasi einem Live-Faktencheck zu unterziehen und auch einfach mal zu unterbrechenund zu korrigieren.
Ukraine-Streit zwischen Trump und Selenskyj: Starmer prescht mit „Koalition der Willigen“ vor
Auch nach dem Aufreger im Oval Office zwischen Trump und Selenskyj preschen Macron und Starmer weiter vor. Der britische Premier stellt sich schon vor dem Ukraine-Gipfel in London dem BBC-Interview, erklärt schon vorab, man wolle einen eigenen Waffenruhe-Plan erarbeiten, gemeinsam mit der Ukraine, wieder mal mit Frankreich und Macron – und mit ein paar anderen Ländern, die nicht näher genannt wurden.
Starmer spricht von einer „Koalition der Willigen“, habe keine Lust, sich des „Tempos jedes einzelnen Landes in Europa“ anzuschließen. Das sei ihm zu langsam. Einen potenziellen Frieden in der Ukraine wolle er zur Not auch „mit Soldaten am Boden und Flugzeugen in der Luft“ absichern. Ob Deutschland da eine Rolle spielt? Unklar. Zugleich nutzt auch Macron seine nächste Chance, bietet Europa „atomare Autonomie“ an, würde also in den Gedankenspielen einer möglichen atomaren Abschreckung, die von der EU ausgeht, gerne das Heft in die Hand nehmen.
Ukraine-Gipfel zeigt: Macron und Starmer drängen sich in Reihe 1 – Scholz fällt hinten rüber
Der Ukraine-Gipfel zeigt: Großbritannien und Frankreich inszenieren sich in Reihe eins, wenn es um die europäischen Interessen rund um den Ukraine-Krieg geht. Es zeigt aber auch: Deutschland, das sich selbst immer als größtes Unterstützerland Kiews hinter den USA rühmt, fällt plötzlich hinten rüber. Aus dem Machtdreieck London-Paris-Berlin ist eine Gerade zwischen London und Paris geworden.
Zwar äußerte auch Scholz sich nach dem Sonder-Gipfel zur Ukraine in London und warb um die weitere Unterstützung der USA, betonte zugleich, beim EU-Sondergipfel am Donnerstag werde es neben höheren Verteidigungsausgaben auch um eine „bessere Kooperation in Europa“ gehen. Trotzdem schaut die ganze Welt nicht auf den deutschen Kanzler, sondern eben auf Macron und Starmer, das neue mächtige Duo in Europa.
Scholz nur Kanzler auf Zeit, Merz scharrt mit den Hufen: Deutschland im Ukraine-Streit im Macht-Vakuum
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Natürlich stand in Deutschland zuletzt – während sich im Hintergrund schon die Krise zwischen der Trump-USA und der Ukraine andeutete – der Wahlkampf zur Bundestagswahl für Scholz und auch für den vermutlich kommenden Kanzler Friedrich Merz im Vordergrund. Jetzt, wo die Situation richtig zu eskalieren droht, hängt Deutschland plötzlich im Macht-Vakuum fest.
Denn Scholz ist nur noch Kanzler auf Zeit, wird sich eben zeitnah aus den großen Gesprächsrunden verabschieden müssen. Und während klar ist, dass Deutschland für die starke Ausrichtung der EU gegen Russland unerlässlich bleibt, ist eben auch klar, dass Scholz für dieses Projekt jetzt mehr denn je ersetzbar ist. Friedrich Merz scharrt dahinter bereits mit den Hufen, geht vor derartigen Gipfeln wie nun in London mit Scholz ins Gespräch, gibt auch seine Perspektive als designierter neuer Kanzler mit. Außerdem suchte er bereits in jüngerer Vergangenheit den direkten Draht nach Paris zu Emmanuel Macron, will die etwas eingeschlafenen Beziehungen zu Frankreich und auch Großbritannien wieder stärken.
Merz sind im Ukraine-Streit die Hände gebunden – Bundestags-Zusammenstellung verschärft Lage
Doch auch Merz sind in gewisser Weise die Hände gebunden. Schließlich ist er noch nicht Kanzler, kann Scholz die Funktion auf den Gipfeln Europas nicht streitig machen, solange er kein offizielles Mandat hat. Dinge anzustoßen, scheint im aktuellen Übergangs-Bundestag des Weiteren schwierig. Zugleich ist Merz aber auch auf Scholz, die SPD und den aktuellen Bundestag angewiesen. Denn etwa in möglichen Aufrüstungsfragen ist eventuell auch Tempo gefragt. Im neuen Bundestag kommen etwa die AfD und die Linke auf eine Sperrminorität bei Einbringungen, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern. Anträge rund um den Ukraine-Krieg dürfte das erschweren, durchzubringen.
Donald Trumps Kabinett: Liste voller skandalöser Überraschungen
Die Situation Deutschlands dürfte eben auch in Europa wohl kaum verborgen bleiben. Wohl auch deshalb gehen Starmer und Macron aktiv voran, planen lieber zu zweit mit der Ukraine, holen bei ihren Waffenruhe-Plänen eher nur ein, zwei nicht näher definierte Länder mit ins Boot, anstatt auch Deutschland eine klare Rolle zuzuschieben.
Bundeswehr-Sondervermögen soll kommen: Merz zündet Sondierungs-Turbo mit der SPD
Friedrich Merz scheint die Brisanz der deutschen Situation derweil erkannt zu haben. Jedenfalls drückt er bei den Sondierungen mit der SPD für eine Koalition in Deutschland nun mächtig aufs Tempo. Die durch Trumps Eklat-Treffen mit Selenskyj verschärfte globale Krisensituation dürfte ihn dazu bewegt haben, schnell für Klarheit in Deutschland schaffen zu wollen. Eine Ansicht, die offenbar auch die SPD teilt.
Zugleich zwingt eben auch die Sperrminorität eventuell zum Tempo. Denn Merz und Klingbeil planen in den Sondierungen offenbar ein hunderte Milliarden schweres Sondervermögen für die Bundeswehr, bei dem man mehr Erfolgsaussichten im aktuellen Bundestag sehe, als im Zukünftigen. Um das zu beschleunigen, ist Merz offenbar sogar bereit, seine starre Haltung gegenüber einer Reform der Schuldenbremse aufzuweichen. Denn klar ist auch: Mit einem Aufrüstungs-Sondervermögen und geklärten politischen Verhältnissen in der Hinterhand lässt sich die deutsche Machtposition in Europa deutlich leichter wieder herstellen, als mit zähen Verhandlungen im Macht-Vakuum. (han)