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„Tiefpunkt“ unter Scholz

Merz‘ neue Geheimnisse vor Putin: Experte lobt Russland-Strategie – warnt aber auch

Friedrich Merz‘ Regierung verfolgt einen anderen Ansatz im Umgang mit Russland. Ein Experte sieht das positiv – wenn auch das Inland mitbedacht werde.

Altkanzler Olaf Scholz (SPD) stand wegen seines Ukraine-Kurses nahezu permanent in der Kritik, angefangen schon mit der eher kärglichen Lieferung von 5000 Helmen kurz nach Beginn von Russlands Voll-Invasion. Die schwarz-rote Koalition unter CDU-Kanzler Friedrich Merz scheint nun einen neuen Weg einschlagen zu wollen, gerade gegenüber Wladimir Putin. Das zeigt sich in ersten europäischen Kooperationen und Ultimaten – und ausgerechnet in der Unklarheit über zukünftige Pläne.

„Strategische Ambiguität“ nennt man es, das Gegenüber im Ungewissen über die nächsten Schritte zu lassen. Unter Merz wird das offenbar zur Leitlinie im Umgang mit Russland. Seine Regierung veröffentlicht die deutschen Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg nicht mehr online. Auch ob eingefrorene russische Gelder für die Ukraine genutzt werden oder der Marschflugkörper Taurus geliefert wird – beides bekannte Forderungen: Außenminister Johann Wadephul (CDU) ließ es jüngst in einem Gespräch mit der FAZ offen. Er begründete das mit „strategischer Ambiguität“.

Nicht immer sind die Zeichen leicht zu deuten: Wladimir Putin bei einem Besuch in Kursk in Uniform.

Europas Strategie im Ukraine-Krieg „mangelhaft“: Experte lobt neue Kommunikation von Merz

Der österreichische Experte Ulf Steindl sieht diesen neuen Kurs in Berlin positiv. Er mahnt auf Anfrage unserer Redaktion jedoch zu flankierenden Maßnahmen. Und er rät dringend zu weiteren Schritten. „Strategische Ambiguität“ und Abschreckung – zusammen „strategische Kommunikation“ – seien bisher eine Fähigkeitslücke Europas in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gewesen, sagt Steindl. Vor allem die USA hätten diese Aufgaben bisher übernommen, meint der Wissenschaftler des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik.

Wenn sie denn weiter verfolgt werde, sei die neue Ausrichtung der Regierung Merz in Sachen Kommunikation „positiv zu bewerten“, sagt der Experte. Er sieht darin aber auch nur einen „ersten Schritt“. Denn eine gemeinsame Position von Deutschland, Frankreich und Polen sei nötig. Und eine europäische Strategie für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Bislang sei die „mangelhaft“.

„Andernfalls droht ein Auftrieb für russlandfreundliche Kräfte“

Einen „Tiefpunkt“ habe sie in der Uneinigkeit des damaligen Kanzlers Olaf Scholz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über die Entsendung europäischer Truppen erreicht. Scholz lehnte Macrons Vorstoß öffentlich und vergleichsweise brüsk ab. Eine solche widersprüchliche Kommunikation dürfe sich „nicht wiederholen“, mahnt Steindl.

Der Verteidigungsexperte Gustav Gressel hatte IPPEN.MEDIA schon im Sommer 2024 Vorteile der „strategischen Ambiguität“ erläutert. Damals ließen Großbritannien und Frankreich offen, ob sie der Ukraine Auflagen zur Nutzung der weitreichenden Waffen „Storm Shadow“ und „SCALP“ auf russischem Gebiet gemacht hatten. Gressel beurteilte „die britisch-französische Haltung, den Russen Einschränkungen nicht auf die Nase zu binden und öffentlich breitzutreten“, als „die intelligentere Methode“. Russland leite aus öffentlichem Zaudern schließlich „letztendlich einen Glaubwürdigkeitsanspruch seiner nuklearen Abschreckung ab“.

Trump und Putin: Die Geschichte ihrer Beziehung in Bildern

Wandbild Putin Trump Litauen
Einen besseren US-Präsidenten als Donald Trump kann sich Kremlchef Wladimir Putin gar nicht wünschen: So könnte dieses Wandbild in der litauischen Hauptstadt Vilnius interpretiert werden. Bemerkenswert: Es ist eine Aufnahme aus dem Mai 2016, als Trump nicht gar nicht im Amt war. Offenbar schwante den Menschen in Litauen schon damals Böses. © Petras Malukas/AFP
Trump telefoniert mit Putin
Trump hat seit Jahren einen guten Draht zu Putin. Am 28. Januar 2017 telefonierte er im Oval Office des Weißen Hauses zum ersten Mal mit dem russischen Präsidenten. © Mandel Ngan/AFP
Wachsfiguren von Trump und Putin
Schon damals standen sie sich auch in Wachsfigurenkabinetten nahe, so auch in Sofia (Bulgarien). © Valentina Petrova/dpa
G20-Gipfel - Trump trifft Putin
Das erste persönliche und extrem heikle Treffen mit Putin wickelte Trump beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 unfallfrei ab. Im Kreml wie im Weißen Haus herrschten anschließend Optimismus und Zufriedenheit.  © Evan Vucci/dpa
G20 Summit - Demonstration
Aktivisten von Oxfam standen dem G20-Gipfel kritisch gegenüber. Mit ihrer Aktion wollten sie auf den Abzweig zwischen mehr sozialer Ungleichheit und weniger Armut hinzuweisen. Sie trugen Masken von Theresa May, Donald Trump, Shinzō Abe, Emmanuel Macron, Angela Merkel, Justin Trudeau, Wladimir Putin, und Jacob Zuma. © Michael Kappeler/dpa
G20-Gipfel - Trump trifft Putin
„Der Fernseh-Trump unterscheidet sich sehr vom realen Menschen,“ sagte Putin nach dem G20-Gipfel in Hamburg vor der Presse über seinen US-Kollegen Donald Trump. © Steffen Kugler/dpa
Apec-Gipfel in Vietnam
Ein zweites Mal trafen sich Trump und Putin am Rande des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) im vietnamesischen Da Nang. © dpa
Putin trifft Trump beim Apec-Gipfel in Vietnam
Beide Präsidenten stimmten damals überein, dass das Verhältnis ihrer Länder nicht gut sei. Putin sah weiter eine tiefe Krise. Russland sei aber bereit, „eine neue Seite aufzuschlagen, vorwärtszugehen, in die Zukunft zu schauen“. © Mikhail Klimentyev
Trump Putin Da Nang
„Wenn wir ein Verhältnis zu Russland hätten, das wäre eine gute Sache“, sagte Trump. Sein persönliches Verhältnis zu Putin sei gleichwohl in sehr gutem Zustand, obwohl man sich nicht gut kenne. © Jorge Silva/AFP
Helsinki-Gipfel
Im Juli 2018 kamen Trump und Putin in Helsinki zu ihrem ersten offiziellen Gipfel zusammen.  © Heikki Saukkomaa/dpa
USA Ausstieg aus INF-Abrüstungsvertrag
Sie begrüßten sich mit einem kurzen, doch kräftigen Händedruck. „Es ist an der Zeit, detailliert über unsere bilateralen Beziehungen zu sprechen und über die schmerzhaften Punkte auf der Welt. Davon gibt es sehr viele“, sagte Putin. Trump betonte: „Die Welt möchte, dass wir miteinander auskommen.“ © Alexander Zemlianichenko/dpa
Helsinki
Während des Gipfeltreffens gingen in Helsinki mehrere Hundert Menschen aus Protest auf die Straßen. Dabei machten sie auf eine Reihe von Missständen aufmerksam.  © Joonas SaloIlta-Sanomat/Imago
Melania Trump
Auch First Lady Melania Trump war in Helsinki mit von der Partie. © Alexei Nikolsky/AFP
Trump und Putin
Trump äußerte sich hinterher zufrieden über sein Treffen mit Putin: „Der Dialog ist sehr gut verlaufen“, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin. „Ein produktiver Dialog ist nicht nur gut für die Vereinigten Staaten und Russland, sondern für die Welt.“ © Brendan Smialowski/AFP
Proteste gegen Treffen von Trump und Putin
Derweil protestierten die Menschen auch im fernen Washington, D.C., gegen das Treffen. Unter anderem hielt eine Frau vor dem Weißen Haus ein Schild in die Höhe, auf dem die beiden Präsidenten karikiert waren.  © Andrew Harnik/dpa
100. Jahrestag Waffenstillstand Erster Weltkrieg
Im November 2018 nahmen Trump und Putin an einer Gedenkfeier anlässlich des Endes des Ersten Weltkriegs in Paris teil. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lud damals zum Spitzentreffen ein. © Ludovic Marin/AFP
Erster Weltkrieg - Waffenstillstand 1918
Auch vor Ort waren First Lady Melania Trump (links), die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und Brigitte Macron, die Ehefrau des französischen Präsidenten. © Francois Mori/dpa
Beginn des G20-Gipfels
Kurz danach trafen Trump und Putin beim G20-Gipfel in Buenos Aires erneut aufeinander. © Ralf Hirschberger/dpa
G20-Gipfel in Argentinien
Die Gespräche wurden von der Eskalation zwischen Russland und der Ukraine um einen Seezwischenfall vor der Krim überschattet. Deshalb sagte Trump ein direktes Treffen mit Putin am Rande des Gipfels kurzfristig ab.  © dpa
Japan, Osaka
Im Juni 2019 trafen Trump und Putin beim G20-Treffen im japanischen Osaka zusammen. © Imago
Osaka 2019
Trump wurde dabei von einem Reporter angesprochen, ob er Putin bei ihrem gemeinsamen Treffen auch sagen werde, dass sich der Kremlchef nicht in die US-Wahlen einzumischen habe. Trump beugte sich zu Putin und sagte: „Mische Dich nicht in unsere Wahlen ein“ – ein Lächeln glitt dabei über Trumps Gesicht. Die Aktion war allerdings nicht ganz ernst gemeint. © Brendan Smialowski/AFP
Osaka 2019
Trump nannte das Verhältnis zu Putin „sehr, sehr gut“.  © Brendan Smialowski/AFP
Trump Putin
Am Ende seiner ersten Amtszeit musste sich Trump wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Ermittlungen im Senat verantworten. Hintergrund war die sogenannte Ukraine-Affäre. Viele Menschen in den USA sahen Trump als Verräter – und Putin als Feind. © Olivier Douliery/AFP
Ukrainekrieg - Anti-Kriegsprotest in New York
Im Januar 2025 kam Trump zum zweiten Mal an die Macht. Im Ukraine-Krieg stellte er sich auf die Seite von Putin. Das rief Proteste hervor. Auch am Times Square in New York galt: Trump ist ein Verräter. © Adam Gray/dpa
Trump Putin
Trump sucht dennoch weiter die Nähe zu Putin. Nach offiziellen Angaben haben beide im Februar 2025 ein erstes Mal miteinander telefoniert, seit der US-Präsident wieder im Amt ist. Vor dem zweiten Gespräch am 18. März verkündete Trump: „Ich freue mich sehr auf das Gespräch mit Präsident Putin.“ Auch danach telefonierte er noch mehrmals mit seinem russischen Amtskollegen. © Alexander Nemenow/AFP
Trump und Putin
Am 15. Augsut 2025 kam es zum Gipfel zwischen Trump und Putin in Alaska. Es handelte sich um das erste persönliche Treffen der beiden Staatschefs seit Putins Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022. Das Treffen fand in der Stadt Anchorage statt. Am Ende gab es von beiden Staatschefs nichts Konkretes. © Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Nichtsdestotrotz: Steindl warnt auch vor möglichen Risiken des neuen Kurses. Die Bundesregierung müsse der Bevölkerung auch erklären, warum „strategische Ambiguität“ notwendig sei. „Andernfalls droht ein Auftrieb für russlandfreundliche Kräfte – sowie für jene, die aus Angst vor Eskalation einen kurzsichtigen, schnellen, aber nicht nachhaltigen Frieden vorziehen.“

Wadephul lieferte in dem FAZ-Interview tatsächlich ein Argument mit: „Putin muss wissen, dass er uns nicht kalkulieren kann, solange er sich selbst unkalkulierbar verhält“, betonte der neue Außenminister. (fn)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Kremlin Pool

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