„Herde wortloser, zitternder Kreaturen“
Zurück zum „Russischen Reich“: Kreml-Offizieller will Estland, Lettland und Litauen mit Waffengewalt erobern
Verteidigungsminister Pistorius verspricht den baltischen Staaten Sicherheit vor Russland. Unterdessen fordern russische Offizielle eine baldige Eroberung der Gebiete.
Moskau – Der vom Kreml in der besetzten Region Saporischschja eingesetzte Leiter Jewgeni Balizkij hat Russland öffentlich dazu aufgerufen, in die baltischen Staaten einzumarschieren und diese einzunehmen. Mit einer Übernahme der Länder wolle er das „russische Reich“ wiederherstellen, wie es vor der Revolution 1917 aussah. Unterdessen sichert Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius den Staaten Sicherheit und militärische Unterstützung zu.
Balizkijs Forderung fiel in einem Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti, das bereits im Juli veröffentlicht wurde. Während es damals kaum Aufmerksamkeit erlangte, wird es aktuell zahlreich auf den sozialen Medien verbreitet, darunter auch mit englischer Übersetzung. „Als das Russische Reich nach dem bolschewistischen Putsch ins Wanken geriet und einen anderen Entwicklungsweg einschlug, verlor es viele seiner Gebiete. Ich beziehe mich nicht nur auf das Land, sondern auch auf Warschau, Helsinki, Revel, Liepaja und das gesamte Baltikum“, sagt Balizkij im Gespräch mit einer russischen Journalistin.
Angriffspläne nach dem Ukraine-Krieg? Russland soll laut Kreml-Offiziellen das Baltikum mit Waffengewalt erobern
Diese Gebiete sollte Russland nun zurückerobern, wie er deutlich macht: „Die Tatsache, dass sie jetzt zu einer Herde wortloser, zitternder Kreaturen gemacht worden sind, müssen wir korrigieren.“ Balizkijs Plan sieht vor, dass der russische Präsident Wladimir Putin mit Waffen in die Länder eindringen und sie gewaltsam einnehmen soll. Mit Diplomatie würde man in diesem Fall nicht weit kommen. Den Vorgang nennt Balizkij im weiteren Gesprächsverlauf eine „Befreiung“ des eigenen Volkes und Eigentums. „Damit nicht die ganze Welt zu einem Sodom und Gomorrha wird, wie es jetzt in Europa geschieht.“
The head of the Russian occupation administration of Zaporizhia, Yevgeny Balitsky, said that Russia’s goal is to occupy not only Ukraine, but also the Baltic countries, Poland and Finland. Because these states are "the historical lands of Russia". pic.twitter.com/8y1jVORMac
— Денис Казанський (@den_kazansky) October 3, 2023
Jewgeni Balizkij wurde nach der Einnahme der ukrainischen Region Saporischschja im April 2022 vom Kreml als neuer Verwalter eingesetzt. Laut Informationen der Kyiv Post ist er nicht der einzige Amtsträger, der sich zuletzt hinsichtlich eines möglichen Einmarsches in die baltischen Staaten äußerte. In einem Interview mit dem Moskauer Staatssender Russia-1 sagte der Generaloberst Andrej Mordwitschew demnach, dass die umfassende Invasion der Ukraine nur ein „Sprungbrett“ für einen umfassenderen Konflikt mit Europa sei.
Baltikum seit Ausbruchs des Ukraine-Kriegs besorgt um Angriffe von Russland
Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine sind die baltischen Staaten zunehmend um ihre Sicherheit gegenüber Russland besorgt. Deutschland hat infolgedessen sein militärisches Engagement im Baltikum deutlich ausgebaut. Die intensivste Zusammenarbeit gibt es mit Litauen, wo die Bundesregierung künftig eine gefechtsbereite Brigade der Bundeswehr stationieren will.
Erst am Montag hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius den baltischen Staaten vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Solidarität und den Beistand Deutschlands versichert. „Wir stehen an Eurer Seite. Deutschland ist bereit, eine führende militärische Rolle in den baltischen Staaten zu übernehmen“, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch in der lettischen Hauptstadt Riga bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen Andris Spruds. „Eure Sicherheit ist unsere Sicherheit.“
Zum „Russischen Reich“, von dem Balizkij im Interview sprach, gehörten bis 1917 die Staaten Armenien, Aserbaidschan, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisien, Lettland, Litauen, Moldawien, Polen, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und Weißrussland. Nach einem vierjährigen Bürgerkrieg zerfiel das Reich schließlich, die Sowjetunion entstand. (nz mit dpa-Material)
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