Noch eine Jamaika-Hürde
Keine Mehrheit für Jamaika-Partner: Bundesrat wird zum SPD-Trumpf
Sollten Union, FDP und Grüne gemeinsam eine Koalition bilden, wird das Regieren vertrackt. Im Bundesrat hätten die Jamaika-Partner keine Mehrheit. Blockieren könnte ausgerechnet der größte Wahlverlierer – die SPD.
München – Der aktuelle Vorsitzende des Bundesrats trägt den Namen Michael Müller, die „Berliner Zeitung“ hat ihn mal äußerst charmant als „disziplinierten Aktenordner“ bezeichnet. Im Hauptberuf verwaltet Müller als Regierender Bürgermeister die Hauptstadt, darüber hinaus ist er seit September Chef der Länderkammer. Und in dieser eigentlich wenig spektakulären Funktion könnte Müller bald ein paar unerwartet spannende Sitzungen leiten.
Denn der Bundesrat, untergebracht im schmucken Preußischen Herrenhaus, dürfte in dieser Legislatur eine (noch) wichtigere Rolle spielen als zuletzt. Der Grund dafür liegt in der Sitzverteilung, die sich aus den Regierungskonstellationen in den Bundesländern ergibt. Stand heute haben die möglichen Koalitionäre auf Bundesebene (CDU, CSU, FDP und Grüne) im Bundesrat Zugriff auf 27 der 69 Stimmen. Sie bleiben also ohne Mehrheit. Für die Gesetzgebung ist das wichtig, weil diese fehlende Mehrheit verhindern würde, dass Gesetze einfach durch den Bundesrat gewunken werden.
Der Bundesrat ist das wohl am meisten unterschätzte Verfassungsorgan der Republik
Profiteur dieser Konstellation ist die SPD. Denn noch immer stellen die Genossen in sieben Bundesländern den Regierungschef, sind insgesamt an elf Landesregierungen beteiligt. Für eine eigene Mehrheit reicht auch das nicht – aber ohne die SPD läuft im Bundesrat auch nichts. Die bei der Bundestagswahl geschrumpfte Partei weiß um dieses verbliebene Machtinstrument.
Die ungewöhnliche Ausgangslage wirft den Blick auf das wohl am meisten unterschätzte Verfassungsorgan der Republik. Der Bundesrat soll sicherstellen, dass die Interessen der Bundesländer auch bei Gesetzen auf Bundesebene berücksichtigt werden. Viele Gesetze können ohne seine Zustimmung nicht in Kraft treten. Bei anderen kann die Länderkammer Einspruch einlegen oder den Vermittlungssausschuss aktivieren. Immer wieder spielen allerdings auch parteipolitische Überlegungen eine Rolle. Bisherige Praxis: Einigen sich die Koalitionspartner in einem Bundesland nicht, enthalten sich die Regierungsvertreter bei der Abstimmung im Bundesrat.
Die Macht des Bundesrats ist nicht grenzenlos
Hier wird es interessant. Denn die farbenfrohe Lage dürfte zu einigen Verrenkungen führen. Beispiel Thüringen: Hier koalieren die Grünen mit Linkspartei und SPD. Was passiert, wenn die Partei im Bund mit Union und FDP koaliert? Wie stimmt die grüne Umweltministerin Thüringens dann im Bundesrat ab? Das sei derzeit kein Thema, heißt es aus der Grünen-Fraktion in Erfurt. Im Zweifel werde man sich geschlossen als Landesvertreter enthalten. Und ansonsten „am Wohle Thüringens“ orientieren.
Freilich sollte man das Thema auch nicht zu hoch hängen. Die Macht des Bundesrats ist nicht grenzenlos. Und manch wundersame Enthaltung der Vergangenheit war in Wirklichkeit die sehr pragmatische Folge eines Deals im Hintergrund. Im März fiel ein großer Aufstand gegen die Pkw-Maut auf den letzten Metern aus, nachdem Bayern dem rot-rot-grünen Thüringen mit Einbußen beim Länderfinanzausgleich gedroht hatte.
Auch die Landtagswahl in Niedersachsen wird nichts an der für ein Jamaika-Bündnis unerfreulichen Situation ändern. Selbst wenn CDU, FDP und/oder Grüne bald in Hannover regieren sollten, würden zwei Stimmen zu einer Mehrheit im Bundesrat fehlen. Die Wahlen in Bayern und Hessen 2018 werden ebenfalls nichts daran ändern: Der Bundesrat würde einer schwarz-gelb-grünen Bundesregierung das Leben nicht einfacher machen.
