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Neuer Premierminister gesucht

Nach Rückzug von Fumio Kishida: Wer regiert künftig Japan?

Shinjiro Koizumi
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Shinjiro Koizumi greift in Japan nach der Macht.

Ein Spendenskandal hat Japans LDP-Chef Fumio Kishida das Amt gekostet. Sieben Männer und zwei Frauen wollen ihm nachfolgen – und Premierminister werden.

Keine Frage: Japan ist eine Demokratie, eine vorbildliche sogar. Der Demokratie-Index des britischen Magazins Economist führt das asiatische Land derzeit auf Platz 16, noch vor Großbritannien und Österreich. Und dennoch ist die japanische Demokratie bisweilen durchaus gewöhnungsbedürftig: Seit Jahrzehnten regiert dort fast ununterbrochen die Liberaldemokratische Partei (LDP), und wer ihr vorsitzt, ist quasi automatisch auch japanischer Premierminister.

Noch ist es Fumio Kishida, der dieses Amt ausfüllt. Doch weil der 67-Jährige Mitte August seinen Rücktritt vom LDP-Vorsitz angekündigt hat, bekommt Japan schon bald einen neuen Premier. Oder vielleicht sogar, zum ersten Mal überhaupt, eine Premierministerin. Denn zwei Frauen haben sich auf den Spitzenjob in der Regierungspartei beworben, wie die LDP am Donnerstag mitteilte. Außerdem gehen sieben Männer ins Rennen.

Neun Bewerber also – so viele wie nie zuvor in der Geschichte der LDP. Zwei Wochen werben die neun nun um die Gunst der Parteimitglieder, am 27. September steht die Abstimmung um den Vorsitz der LDP an. Schon vier Tage später, am 1. Oktober, dürfte der oder die neue Vorsitzende dann ins Spitzenamt der japanischen Regierung gewählt werden. Denn beide Parlamentskammern werden von der LDP kontrolliert, die dort zusammen mit ihrem kleinen Koalitionspartner, der buddhistischen Komeito, über eine komfortable Mehrheit verfügt.

Sie alle wollen Fumio Kishida beerben – oben von links: Sanae Takaichi, Katsunobu Kato und Shigeru Ishiba; Mitte von links: Toshimitsu Motegi, Yoko Kamikawa und Taro Kono; unten von links: Takayuki Kobayashi, Yoshimasa Hayashi und Shinjiro Koizumi

Politisches Beben zwingt Japans Premierminister Fumio Kishida zum Rücktritt

Vorausgegangen war ein politisches Beben, das am Ende den international angesehenen, im eigenen Land aber hochumstrittenen Fumio Kishida das Amt gekostet hat. Da ist zum einen ein Spendenskandal, der Japan seit Monaten mit immer neuen Volten schockiert. Ende vergangenen Jahres gerieten Dutzende LDP-Abgeordnete ins Visier der Staatsanwaltschaft, ihnen wurde vorgeworfen, 500 Millionen Yen (umgerechnet rund 3,2 Millionen Euro) in schwarze Kassen umgeleitet zu haben, ohne diese Gelder als politische Spenden auszuweisen. Das Geld stammte aus Veranstaltungen, auf denen Spenden für die LDP aufgetrieben werden sollten.

Kurz vor Weihnachten traten vier von Kishidas Ministern zurück, und auch wenn dem Premierminister kein Fehlverhalten vorgeworfen wurde, war er seitdem deutlich angeschlagen. Zwar löste Kishida nach Bekanntwerden des Skandals die sogenannten Faktionen auf, informelle Gruppierungen innerhalb der LDP, die mit teils unlauteren Methoden um Einfluss kämpften. Seine Umfragwerte stürzten dennoch ins Bodenlose, diesen Juli lagen die Zustimmungswerte für Kishida bei nur noch 15,5 Prozent. Verantwortlich für diese miesen Werte ist neben dem Spendenskandal auch die schwierige Lage der japanischen Wirtschaft, die über lange Zeit unter einer hohen Inflation zu leiden hatte.

Kishidas Rücktritt war also unvermeidlich, der Rückzug des Premierministers war, wie manche Kommentatoren schrieben, ein „Biden-Moment“. Er wolle, so Kishida im August, „die LDP als Regierungspartei auf einen positiven Weg bringen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit stetig wiederherzustellen“. Es ist eine Aufgabe, die nach dem 1. Oktober aber vor allem sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin zu bewältigen hat.

Neun Männer und Frauen wollen Kishida beerben

Einer Umfrage der japanischen Zeitung Asahi Shimbun zufolge bevorzugen LDP-Anhänger mehrheitlich den 43-jährigen Shinjiro Koizumi fürs Amt des Parteichefs. Der jüngste der neun Kandidaten ist der Sohn des ehemaligen Premierministers Junichiro Koizumi, ehemaliger Umweltminister, leidenschaftlicher Surfer und auch in der breiten Bevölkerung relativ beliebt, vor allem bei Frauen und jüngeren Wählern.

Die Umfrage führt auf dem zweiten Platz Shigeru Ishiba, einen ehemaligen Verteidigungsminister, der schon viermal vergeblich versucht hatte, LDP-Chef zu werden. Der 67-Jährige will als einziger der neun Kandidaten Japan unabhängiger machen von Atomkraft und stattdessen die erneuerbaren Energien ausbauen. „Ich werde alle Anstrengungen unternehmen, um die Nutzung der Kernenergie auf nahezu Null zu reduzieren“, sagte Ishiba im August. Innerhalb seiner Partei steht er mit dieser Position allerdings ziemlich alleine da. Lediglich Außenseiterchancen räumt die Umfrage den beiden weiblichen Kandidatinnen ein, der Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit, Sanae Takaichi, sowie Außenministerin Yoko Kamikawa.

Was die Umfrage noch zeigt: Nur noch 26 Prozent der Japaner sind zufrieden mit der Arbeit der LDP. Wer immer also in ein paar Wochen Fumio Kishida ins Amt des Parteichefs und schließlich auch in das des Premierministers folgen wird, ist wahrlich nicht zu beneiden um seinen Job. Es gilt, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Eine Aufgabe, die deutlich schwieriger sein dürfte als der Einzug in die Kantei, den Amtssitz des Premierministers.

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