Prabowo Subianto wird neuer Präsident von Indonesien. Der Ex-General blickt kritisch auf die EU, hat aber ein gutes Verhältnis zu Deutschland.
Mit rund 280 Millionen Einwohnern ist Indonesien das Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Welt. Am Sonntag bekommt der Inselstaat nun einen neuen Präsidenten: Prabowo Subianto, 73, wird nach seinem Erdrutschsieg bei den Wahlen vom Februar im Amt vereidigt. Er folgt auf Joko Widodo, genannt Jokowi, der nach zwei Amtszeiten und zehn Jahren nicht erneut antreten durfte. Von der Macht könne Jokowi dennoch nicht lassen, sagt Denis Suarsana, der Leiter des Jakarta-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Prabowo Subianto ist ein altgedienter Politiker. Er war der Schwiegersohn des ehemaligen Machthabers Suharto und unter ihm General. Nach dem Sturz von Suharto 1998 wurden ihm schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, auch soll er einen Putsch geplant haben. Prabowo tauchte damals eine Zeit lang ab. Später ist er dann in die Politik zurückgekehrt und wollte mehrfach Präsident werden.
Er trat zweimal erfolglos gegen Joko „Jokowi“ Widodo an, dem er nun nachfolgt.
Prabowo war einer der ärgsten Widersacher von Jokowi, ist heute aber sein engster Verbündeter. Jokowi hat ihn zu seinem Verteidigungsminister gemacht, und ohne seine Unterstützung wäre Prabowos Wahlsieg kaum denkbar gewesen.
„Jokowi will weiterhin Einfluss auf die indonesische Politik ausüben“
Prabowo soll als Soldat einer Eliteeinheit an schweren Menschenrechtsverletzungen in Osttimor sowie an der Entführung von Demokratieaktivisten gegen Ende des Suharto-Regimes beteiligt gewesen sein. Warum haben diese Anschuldigungen im Wahlkampf keine Rolle gespielt? Das liegt zum einen daran, dass die Bevölkerung in Indonesien sehr jung ist. Die Mehrheit der Menschen hier hat keine eigene Erinnerung an die Zeit der autoritären Herrschaft und den demokratischen Wandel ab 1998. Außerdem blickt Indonesien lieber in die Zukunft. Unter Jokowi ging es dem Land immer besser, das Wirtschaftswachstum lag bei fünf Prozent im Jahr. Bei der Armutsbekämpfung wurden Fortschritte gemacht, die sozialen Sicherungssystem wurden ausgebaut. Man kann mit bloßem Auge sehen, wie sich das Land entwickelt. Die Menschen spüren, wie es nach vorne geht, und wollen deswegen oftmals nicht zurückblicken.
Indonesien
► Größter Inselstaat: Indonesien besteht aus mehr als 17.000 Inseln und ist damit der größte Inselstaat der Welt. Mit knapp 280 Millionen Menschen ist Indonesien nach Indien, China und den USA das bevölkerungsreichste Land der Erde. Die Hauptstadt Jakarta auf der Insel Java ist eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt.
► Vielfalt an Ethnien und Sprachen: Indonesien ist ethnisch und sprachlich sehr vielfältig, mit über 300 ethnischen Gruppen und mehr als 700 verschiedenen Sprachen. Die Amtssprache ist Bahasa Indonesia.
► Religion: Indonesien hat die größte muslimische Bevölkerung der Welt. Über 85 Prozent der Bevölkerung sind Muslime, wobei der Islam moderat und oft stark von lokalen Traditionen geprägt ist.
► Wirtschaft und Rohstoffe: Indonesien ist reich an natürlichen Ressourcen, insbesondere Erdöl, Erdgas, Kohle und Palmöl. Es ist außerdem einer der größten Exporteure von Zinn, Gummi und Kaffee. Die Wirtschaft des Landes gehört zu den größten in Südostasien. Als einziges südostasiatisches Land ist Indonesien Mitglied der G20.
Indonesien wurde über Jahrzehnte von mächtigen politischen Dynastien regiert. Jokowi war eine Ausnahme, er stammte aus einfachen Verhältnissen. Was bedeutet es für Indonesien, dass mit Prabowo nun wieder ein Mitglied dieser alten Elite Präsident wird?
Auch Jokowi hat sich ja sehr gut integriert in die alten Strukturen. Seine Kritiker sagen zudem, er wolle eine eigene Dynastie gründen: Sein Sohn wird Prabowos Vizepräsident, sein Schwiegersohn will Gouverneur in Nordsumatra werden, auch sein jüngster Sohn hat politische Ambitionen. Jokowi will weiterhin Einfluss auf die indonesische Politik ausüben, und Prabowo soll dafür sorgen, dass sein politisches Erbe weitergeführt wird.
Auch eine wirkliche Opposition gibt es in Indonesien nicht mehr.
Prabowo und Jokowi haben eine große Koalition gezimmert, die aus allen im Parlament vertretenen Parteien besteht, mit Ausnahme der größten Partei. Die wäre eigentlich prädestiniert, Oppositionspolitik zu betreiben. Doch auch zwischen ihr und Prabowos Koalition gibt es eine Annäherung. Man kann also nicht von einer echten Opposition sprechen.
„Indonesien verfolgt eine neutrale Außenpolitik. Das gilt auch für den Krieg in der Ukraine“
Welche Ziele verfolgt Prabowo in der Außenpolitik?
Jokowi hatte kein großes Interesse an Außenpolitik, ganz anders als Prabowo, der sich auf dem internationalen Parkett sehr wohlfühlt. Nach seiner Wahl war er zuerst in
China, was nicht verwundert, weil Peking der wichtigste Akteur hier in der Region ist und der größte Handelspartner von Indonesien. Aber er war auch in Europa und in Russland.
Welche Haltung nimmt Indonesien im Ukraine-Krieg ein? Indonesien verfolgt generell eine neutrale Außenpolitik. Das gilt auch für den Krieg in der Ukraine. Indonesien hat zwar bei der ersten Ukraine-Resolution der UN mit dem Westen gestimmt, sich anschließend aber auf seine traditionelle Neutralität besonnen. Jokowi hat sich zudem als Mediator versucht, er ist nach Kiew und Moskau gereist. Viel gebracht hat das allerdings nicht. Unter Prabowo wird Indonesien stärker international auftreten und seine eigenen Interessen stärker forcieren. Da geht es aber vor allem um wirtschaftliche Interessen, etwa um mehr ausländische Investitionen in Indonesien. Auch fordert Indonesien mehr Mitsprache für die Länder des Globalen Südens in internationalen Organisationen und damit auch mehr Mitsprache für sich selbst.
„Es gibt in Indonesien viele Möglichkeiten, auch für deutsche Unternehmen“
Was bedeutet der neue Präsident für Deutschland?
Zunächst ist Prabowo ein großer Kritiker der EU, im Wahlkampf hat er erklärt, Indonesien brauche die EU nicht mehr. Hauptstreitpunkte sind das Thema Palmöl und eine EU-Verordnung gegen die Abholzung von Wäldern.
Die Verordnung verbietet die Einfuhr von Rohstoffen wie Kakao, Kaffee, Palmöl und Holz in die EU, wenn sie mit der illegalen Abholzung von Wäldern in Verbindung gebracht werden.
Prabowo wirft den Europäern Heuchelei vor und dass sie ihre eigenen Märkte abschotten wollen. Gleichzeitig ist er sehr Deutschland-affin, er ging in seiner Jugend kurz in der Schweiz zur Schule und spricht gut Deutsch. Wir sollten ihn also auch als Chance begreifen.
Viele deutsche Unternehmen versuchen, ihre Abhängigkeiten von China zu reduzieren. Kann Indonesien da helfen?
Auf dem Papier spielt Indonesien dabei eine gewichtige Rolle, weil das Land die größte Volkswirtschaft der Region ist. Mit Blick auf Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit ist allerdings noch viel Luft nach oben. Indonesien liegt nur auf dem 50. Platz der deutschen Handelspartner, das ist sehr weit hinten.
Woran liegt das?
Historisch
ist die deutsche Wirtschaft in Südostasien vor allem in Malaysia und Thailand aktiv. Auch gibt es seit 2019 ein Handelsabkommen zwischen der EU und Vietnam, nicht aber mit Indonesien. Indonesien ist zudem ein relativ protektionistisches Land, es ist also schwer für deutsche Unternehmen, hier einen Fuß in die Tür zu bekommen. Indonesien ist aber auch schlicht und einfach sehr weit weg, geografisch und in den Köpfen der Menschen. Es gibt hier aber viele Möglichkeiten, auch für deutsche Unternehmen.