NGOs planen neue Klimaklage
Enttäuschung über Premier Rishi Sunak: Großbritannien verspielt einstige Vorreiterrolle in der Klimapolitik
Rishi Sunaks Klimapolitik enttäuscht: Kritiker sehen eine Gefährdung der Klimaziele sowie unklare Zusagen zur internationalen Finanzierung. Jetzt steigt der Druck, weil NGOs eine neue Klimaklage ankündigen.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Climate.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Climate.Table am 13. Juli 2023.
London/Berlin – „Das Vereinigte Königreich hat seine klare globale Führungsposition beim Klimaschutz verloren“. Dies war nur einer der vernichtenden Sätze im Fortschrittsbericht an das britische Parlament, den das Climate Change Committee (CCC) Ende Juni veröffentlicht hat. Das CCC spielt für die britische Klimapolitik eine wichtige Rolle: Es wurde 2008 unter dem Climate Change Act als ein unabhängiges, öffentliches Gremium eingerichtet, um dem Parlament regelmäßig über den Fortgang der Klimapolitik zu berichten und die Regierung zu beraten.
In seinem jüngsten Bericht nahm es kein Blatt vor den Mund. Zwar habe London auf die „jüngste Preiskrise bei fossilen Brennstoffen“ reagiert, aber dabei nicht die „raschen Schritte“ getan, „die zur Verringerung der Energienachfrage und zum Ausbau der erneuerbaren Energien hätten unternommen werden können“. Großbritannien habe auch „bei den Zusagen für fossile Brennstoffe einen Rückzieher gemacht, mit der Genehmigung einer neuen Kohlemine und der Unterstützung für neue britische Öl- und Gasförderung“.
Ohne eine Änderung der Politik würde sich die Lage verschlimmern, machte das CCC deutlich. Das Vereinigte Königreich würde seine Emissionsreduktionsziele für 2030 verfehlen.
Sunak verliert an Rückhalt in seiner Partei
Der frühere Premierminister Boris Johnson hatte den Klimaschutz noch als außenpolitisches Element seiner Politik begriffen. Doch seine Nachfolger zeigen wenig Interesse am Thema. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine und die folgende Energiekrise wurden genutzt, um das Thema Energie an die Spitze der politischen Agenda zu setzen. Die Folge: Die Regierung weist lautstark auf die Notwendigkeit von einer vermehrten Förderung von britischem Öl und Gas hin.
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Premierminister Rishi Sunak erntet dafür viel Gegenwind, auch unter seinen eigenen Leuten. Als Zac Goldsmith Ende Juni von seinem Amt als Klimaminister zurücktrat, rechnete er mit dem Premier ab: „Das Problem ist nicht, dass die Regierung der Umwelt gegenüber feindlich gesinnt ist – sondern dass Sie, unser Premierminister, einfach desinteressiert sind“. Dieses Desinteresse habe die Regierung gelähmt.
Nächste Klimaklage gegen die Regierung
Doch der Druck auf Sunak, mehr zu unternehmen, nimmt zu. Drei gemeinnützige Organisationen, Friends of the Earth, ClientEarth und Good Law Project, kündigten diesen Monat an, dass sie die Regierung zum zweiten Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren wegen ihrer „schwachen und unzureichenden Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels“ verklagen werden.
Im Juli 2022 hatte der Oberste Gerichtshof entschieden, dass die Netto-Null-Strategie des Vereinigten Königreichs nicht den Verpflichtungen der Regierung aus dem eigenen Klimaschutzgesetz entspricht. Das Gesetz sieht vor, dass die Regierung politische Strategien vorlegt, aus denen hervorgeht, wie die rechtlich verbindlichen Kohlenstoffbudgets des Vereinigten Königreichs eingehalten werden sollen. Das CCC hat festgestellt, dass es glaubwürdige Pläne nur für weniger als ein Fünftel der Emissionssenkungen gibt, die für das Erreichen der Klimaziele notwendig wären.
Die Nichtregierungsorganisationen argumentieren nun: Auch die überarbeitete Netto-Null-Strategie, die die Regierung Anfang des Jahres veröffentlicht hat, bleibe hinter dem für die Erreichung der Klimaziele Nötigen zurück.
Klimaschutz: Wo steht die oppositionelle Labour-Partei?
Lord Deben, ein Parteifreund Sunaks und bis vor kurzem Vorsitzender des CCC, hatte sich in einer Fernsehdebatte Anfang Juli sogar auf die Seite der oppositionellen Labour-Partei geschlagen. Er unterstützte die Labour-Forderung, alle neuen inländischen Öl- und Gasprojekte zu stoppen.
Die Rhetorik des Labour-Vorsitzenden Keir Starmer deutet darauf hin, dass das Vereinigte Königreich unter einer Mitte-Links-Regierung an Klimadynamik gewinnen würde. Dennoch sind auch Starmers klimapolitische Absichten nicht immer klar. Labour verspricht für den Fall eines Wahlsiegs im Jahr 2025 zwar:
- das britische Energiesystem bis 2030 zu dekarbonisieren – fünf Jahre vor dem Zeitplan der aktuellen Regierung
- die Ausgaben für grüne Technologien zu erhöhen
- innerhalb von fünf Jahren Projekte für Erneuerbare Energien mit einer Kapazität bis zu acht Gigawatt zu schaffen und das De-facto-Verbot für Onshore-Windenergieprojekte zu beenden
- den Übergang zu Netto-Null-Emissionen „fair“ zu gestalten und grünen Arbeitsplätze in Großbritannien schaffen.
Doch auch Starmer scheint sich weniger wohl dabei zu fühlen, das ganze Ausmaß der Klimakrise zu erkennen. Die Sunday Times zitierte ihn diesen Monat mit den Worten, er „hasse Baum-Umarmer“ („Tree-Hugger“), ein abfälliger Begriff für Öko-Bewegte.
Unklarheit bei Klimafinanzierung
Und wie so oft scheint Geld –insbesondere die internationale Klimafinanzierung – ein heikles Thema für beide Parteien zu sein. In den letzten Wochen wurde in den Medien diskutiert, ob Sunak die 2019 gemachte Zusage Großbritanniens, die Klimafinanzierung für die ärmsten Länder der Welt bis 2026 auf 11,6 Milliarden Pfund zu verdoppeln, überhaupt einhalten wird. Presseartikel deuten darauf hin, dass selbst Starmer zögert, dieses Versprechen zu halten. (Von Philippa Nuttall Jones)