An Grenze zu Polen und Tschechien
Faeser plant stationäre Grenzkontrollen gegen die Flüchtlingskrise: Hoher Aufwand und kaum Nutzen?
Also doch: Innenministerin Faeser will stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien einführen. Doch der Nutzen ist zweifelhaft.
Berlin – Die Zahl lässt viele aufschrecken: Dieses Jahr gab es ein Plus von 77 Prozent bei Asylanträgen im Vergleich zum Vorjahr. Untergebracht werden müssen zugleich mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Erstaufnahmeeinrichtungen sind überfüllt, Kommunen überfordert. Die CDU/CSU macht Druck, angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen aktiv zu werden. Die hohen Zustimmungswerte zur AfD, die von jeher Ängste gegen Migranten schürt, tun ihr Übriges.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will nun jedenfalls handeln und stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien einführen, wie es sie bereits an der bayerisch-österreichischen Grenze gibt. Sie sei mit den Innenministern von Tschechien und Polen in Kontakt, um „gut abgestimmte Maßnahmen zu treffen“. Aus dem Innenministerium hieß es, Faeser werde sich vor dem EU-Innenministertreffen am Donnerstag (28. September) mit ihren Amtskollegen über das Thema beraten.
Faeser will Kontrollen an Grenzen zu Polen und Tschechien – Die Gründe
Vor allem über Tschechien und Polen, aber auch auf anderen Routen kommen seit einigen Monaten wieder mehr Asylbewerber nach Deutschland. Zwischen Anfang Januar und Ende August haben mehr als 204.000 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt.
Viele von ihnen stammen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan, deren Bürger in der Regel einen Schutzanspruch in der EU geltend machen können. Damit der Anteil derjenigen unter ihnen, die ihren Asylantrag in Deutschland stellen, nicht weiter steigt, rufen einige Innenpolitiker in Bund und Ländern schon seit Wochen nach stationären Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen.
Deutschland will stationäre Grenzkontrollen – Was sagt das Gesetz?
Tschechien begrüßte Faesers Vorstoß und gab bekannt, man habe sich auf das Schweizer Modell verständigt: „Deutsche Polizisten sollen das Recht erhalten, gemeinsam mit tschechischen Polizisten die Migrationssituation bereits auf der tschechischen Seite der Grenze zu überwachen“, sagte Innenminister Vit Rakusan im Nachrichtenportal Seznamzpravy.cz. Dies ermögliche der bestehende Deutsche-Tschechische Polizeivertrag.
An der Grenze von Bayern und Österreich gibt es bereits seit der Flüchtlingskrise 2015 stationäre Grenzkontrollen. Sie gelten jeweils vorübergehend und werden vom Bundesinnenministerium bei der EU-Kommission angemeldet. Die EU hat der Maßnahme bisher jedes Mal zugestimmt und diese auch immer wieder verlängert.
Ob Faeser dies nun auch für die polnische und tschechische Grenze beantragen will, ist offen – konkret geäußert hat sie sich dazu bisher nicht. Nach Informationen aus dem Bundesinnenministerium von Mittwoch (27. September) ist dies erst einmal nicht vorgesehen.
Deutschland will stationäre Grenzkontrollen – Wie wirkungsvoll sind sie?
Wie wirkungsvoll Grenzkontrollen sind, ist umstritten. Faeser selbst hatte lange dagegen argumentiert: Es sei effektiver und weniger personalaufwändig, wenn die Polizei hinter der Grenze flexibel, mobil und stichprobenartig kontrolliere, betonte sie. Dies geschieht bereits jetzt. Woran Faesers Sinneswandel nun liegt – an dem Anstieg der Flüchtlingszahlen, dem Druck vonseiten Union oder der anstehenden Landtagswahl in Hessen, wo sie als SPD-Spitzenkandidatin antritt, sei dahingestellt.
Die Effektivität von Grenzkontrollen kann aber tatsächlich bezweifelt werden. Denn Asylsuchende können an den deutschen Grenzen nicht einfach zurückgewiesen werden – auch wenn die Polizei dort stationär kontrolliert. Im Asylgesetz steht: Ein „Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist“ hat „an der Grenze um Asyl nachzusuchen“. Die Grenzbehörde müsse ihn dann „unverzüglich an die zuständige oder sofern diese nicht bekannt ist, an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zur Meldung“ weiterleiten.
Wenn Menschen also an der deutschen Grenze ankommen und Asyl erbitten, müssen sie auch ins Land gelassen werden. Auch wenn sie aus sicheren Drittstaaten wie Österreich, Polen und Tschechien kommen. Hier greift das europäische Recht: Diese besagt, dass bei jedem Asylantrag zunächst geprüft werden muss, welcher Staat in der EU zuständig ist. Solange bleibt der Geflüchtete erstmal in Deutschland.
Stationäre Grenzkontrollen – Wer kann zurückgewiesen werden?
Eine direkte Zurückweisung an der Grenze war laut einem Bericht der Zeit bisher nur dann möglich, wenn ein Asylsuchender bereits in einem anderen Land als Asylbewerber registriert wurde und gleichzeitig ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot für Deutschland besteht. Das sei allerdings fast nie der Fall: Laut Gewerkschaft der Polizei hätte es 2022 an der bayerisch-österreichischen Grenze nur sechs solche Fälle gegeben.
Dass die bayerische Grenzpolizei für 2022 rund 56.000 illegale Übertritte an der Grenze zu Österreich angibt, sei da kein Widerspruch. Diese Zahl sei wenig aussagekräftig, dass sie auch Geflüchtete beinhalte, die einen Asylantrag stellen und später legal in Deutschland bleiben könnten. Zwar wurden laut Zeit 2022 an der deutsch-österreichischen Grenze 14.675 Menschen zurückgewiesen, von diesen hatten aber auch 14.659 Menschen keinen Asylantrag gestellt.
Ob Asylbewerber ins Land kommen oder nicht, darauf haben die Grenzkontrollen also kaum Einfluss. . „Auch an der deutsch-österreichischen Grenze wird heute faktisch niemand, der ,Asyl‘ sagt, zurückgewiesen“, schrieb laut Zeit die Gewerkschaft der Polizei an die Bundestagsabgeordneten nach einer Anfrage der Linken zum Thema.
Hinzu kommt, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) laut tagessschau.de gerade ein Urteil veröffentlicht hat, das eine Neuigkeit beinhaltet: Danach ist die Zurückweisung illegaler Migranten an den Binnengrenzen der EU wohl auch dann illegal, wenn die betroffene Person keinen Asylantrag direkt an der Grenze stellt. Dieses Urteil sei auch bei möglichen Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien voll anwendbar, heißt es. An der deutsch-österreichischen Gründe wurden allein 2022 über 14.000 Menschen mit gerade dieser Begründung zurückgewiesen.
Bayerns Ministerpräsidenten seit 1945




Faeser will stationäre Grenzkontrollen – Das ist ihr Ziel
Die Verringerung der Zahl der Asylbewerber stellt Bundesinnenministerin Faeser jedoch auch gar nicht als Ziel der geplanten stationären Grenzkontrollen dar – sondern die Bekämpfung von Schleusern. „Mein Ziel ist maximaler Ermittlungsdruck auf Schleuser und der Schutz der Menschen, die unter lebensgefährlichen Bedingungen, oft ohne Wasser und mit kaum Sauerstoff, über Grenzen geschmuggelt werden“, sagte Faeser.
Die Zahl der Schleusungen und unerlaubten Einreisen über die deutsch-polnische Grenze in Brandenburg ist in letzter Zeit stark gestiegen: „Wir haben es mit einem massiv aufwachsenden Schlepper-Unwesen zu tun“, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Mittwoch (27. September) im Rundfunk Berlin-Brandenburg. Flüchtlinge würden „nahezu ausschließlich von Mafia-Banden und Schleppern nach Deutschland gefahren, in kleinen Autos, da werden immer mehr reingestopft“.
Die Bekämpfung von Schleusern führt allerdings nicht direkt zu einer Verringerung der Flüchtlingszahlen. Denn Flüchtlinge, die aufgegriffen werden, nachdem sie illegal über die Grenze geschleust wurden, können ebenfalls Asyl in Deutschland beantragen. Werden Schleuser dauerhaft effektiv bekämpft, kann dies höchstens auf lange Sicht zu sinkenden Flüchtlingszahlen an den Grenzen führen.
Faeser will stationäre Grenzkontrollen – Kritik
Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert stationäre Grenzkontrollen als „nicht effektiv und sehr personalintensiv“, hieß es in einem Bericht der Tagesschau. Gebe es feste Kontrollpunkte, würden Schleuser „einfach drumherumfahren“.
„Die Bundespolizei hat nicht das Personal, stationäre Grenzkontrollen im 24/7-Betrieb an allen Übergängen in die Nachbarstaaten zu bewerkstelligen“, kritisiert die Gewerkschaft außerdem laut Zeit. An den Grenzen sei auch gar keine Infrastruktur für die Kontrollen vorhanden. Die Beamten müssten wie 2015 in Provisorien und unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen arbeiten. (smu mit Material von dpa)
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