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Resilienz und De-Risking

Baerbock präsentiert erste deutsche China-Strategie: „Unsere Politik muss sich ändern“

Deutschland hat nach langen Verhandlungen der Ampelpartner erstmals eine China-Strategie vorgelegt. Diese nennt wenig Neues, sondern präzisiert die bekannten Standpunkte.

Berlin – Auf dem Titelblatt von Deutschlands erster China-Strategie prangt ein Foto des Strategiespiels Weiqi, das hierzulande zumeist unter dem Namen Go bekannt ist. Weiqi gilt als schwieriger als Schach, selbst Supercomputer bissen sich an dem Spiel lange die Zähne aus. Die Botschaft hinter dem Foto: Der Umgang mit China, er ist ebenso komplex und schwierig wie das Brettspiel, das vor vielen Jahrhunderten im chinesischen Kaiserreich erfunden worden war.

Nach zähem Ringen beschloss das Bundeskabinett am Donnerstag die lang erwartete Strategie, nach der Sommerpause soll das 64-seitige Papier im Bundestag diskutiert werden. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sprach vom „wichtigsten außenpolitischen Vorhaben dieser Legislatur“; die Strategie trage die gemeinsame Handschrift der Bundesregierung. Dabei seien Risikominimierung und Resilienz zentral. „Wir wollen uns aber nicht gegen China verschließen“, betonte Hebestreit. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die das Papier zuvor auf einer Veranstaltung des Berliner China-Institut Merics vorgestellt hatte, betonte: „Wir wollen aber auch die Zusammenarbeit mit China weiter ausbauen, weil wir sie brauchen.“ Sie erwähnte dabei explizit die Wirtschaftskontakte sowie die Zusammenarbeit in der Klimakrise.

Das Strategiepapier bleibt dem in der EU und Deutschland längst zur Sprachregelung gewordenen Dreiklang von China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen treu. Baerbock wiederholte, dass der Aspekt der Rivalität „in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten“ sei. China habe sich verändert: „Wer China zuhört, der weiß, mit welchem Selbstbewusstsein es die Entwicklung unserer Welt entscheidend beeinflussen wird.“ Das Land werde „repressiver nach innen und offensiver nach außen“. Baerbock: „Deshalb muss sich auch unsere China-Politik verändern.“ Was das konkret bedeutet, formuliert die China-Strategie nun erstmals aus.

Außenministerin Annalena Baerbock und der chinesische Außenminister Qin Gang im April in Peking.

Deutsche China-Strategie: weniger Risiko, mehr Resilienz

  • Außenpolitik und Beziehungen zu China: Mit Sorge betrachtet die Bundesregierung Bestrebungen Chinas, die internationale Ordnung zu beeinflussen und dabei auch Grundfesten der regelbasierten Ordnung zu relativieren, wie etwa den universellen Charakter der Menschenrechte. Zudem ist Chinas Entscheidung, das Verhältnis zu Russland auszubauen, laut dem Papier für Deutschland von unmittelbarer sicherheitspolitischer Bedeutung. Als Antwort auf die geopolitischen Herausforderungen durch China sieht die Strategie die „aktive Pflege der deutschen außen- und außenwirtschaftspolitischen Beziehungen“ zu möglichst vielen anderen Staaten vor, einschließlich hochrangiger Begegnungen. „Um uns unabhängiger zu machen, investieren wir in unsere globalen Partnerschaften“, sagte Baerbock. „Wir stellen sicher, dass Deutschland seine Partner in der Welt verstärkt wahrnimmt“, betont die Strategie – und räumt damit indirekt ein, dass es auf diesem Feld Verbesserungsbedarf gibt. Zuletzt war im globalen Süden verstärkt von einer Doppelmoral des Westens die Rede.
  • Wirtschaft: „De-Risking ist das Gebot der Stunde“, betonte Baerbock und benannte damit den Kern der künftigen Wirtschaftspolitik. Doch der Text enthält zugleich ein Bekenntnis: „An der wirtschaftlichen Verflechtung mit China wollen wir festhalten.“ Deutschland wolle gemeinsam mit der EU die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China stärken; der EU-Binnenmarkt sei dabei „unser schlagkräftigstes Instrument“, sagte Baerbock. „Er ist Hebel und Schutzschild zugleich.“ Denn auch China brauche den europäischen Markt. Deutschland unterstützt daher laut der Strategie die gezielte Förderung wichtiger Industrien in der EU und Deutschland. Ziel sei es, „weiterhin technologisch führend zu bleiben“. Die Strategie kündigt zudem ein „Dachgesetz“ zum Schutz kritischer Infrastruktur an. Bei kritischen Rohstoffen und Medikamenten will Deutschland künftig nicht mehr von China abhängig sein.
  • Rolle der Unternehmen: Die Regierung gibt den Unternehmen weiter freie Hand, wie sie ihr Engagement in der Volksrepublik gestalten. Doch es müssten die „Verantwortlichkeiten für riskante unternehmerische Entscheidungen klar bleiben“, sagte Baerbock. Es werde auf Dauer nicht funktionieren, „in guten Zeiten auf die unsichtbare Hand des Marktes zu vertrauen und in schwierigen und Krisenzeiten nach dem starken Arm des Staates zu verlangen“. Auch eine starke Volkswirtschaft wie Deutschland könne das nicht stemmen. „Deshalb werden Unternehmen, die sich in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig machen, in Zukunft das finanzielle Risiko verstärkt selbst tragen müssen.“ Wirtschaftsminister Robert Habeck fährt bereits seit einiger Zeit die staatlichen Garantien für große Investitionen in der Volkserepublik zurück.
  • Taiwan: Deutschland fühlt sich weiterhin der Ein-China-Politik verpflichtet. Die „guten Beziehungen“ zu Taiwan sollen aber dennoch ausgebaut werden. Der Konflikt zwischen Taiwan und China, das den Inselstaat als abtrünnige Provinz betrachtet,, könne nur friedlich und in beiderseitigem Einvernehmen gelöst werden. „Eine militärische Eskalation würde auch deutsche und europäische Interessen berühren“, heißt es in dem Strategiepapier.

Deutsche China-Strategie betont auch Menschenrechte

  • Menschenrechte: Das Dokument lobt Chinas Erfolge bei der Armutsbekämpfung. Doch die Kritik folgt auf dem Fuße: „Dem wachsenden Wohlstand und den Erfolgen bei der Armutsbekämpfung in China stehen Rückschritte bei bürgerlichen und politischen Rechten gegenüber.“ Genannt werden etwa Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Tibet sowie das Vorgehen gegen Aktivisten der Demokratiebewegung in Hongkong.
  • Klimaschutz: Nirgendwo ist der Zwang zur Zusammenarbeit größer als auf diesem Gebiet. Zwar stoße die Volksrepublik fast ein Drittel der weltweiten Treibhausgase aus und baue weiter Kohlekraftwerke. „Doch China hat die gigantischen Chancen der Energiewende nicht nur erkannt, sondern nutzt sie in rasantem Tempo“, sagte Baerbock. China produziere mehr Solarenergie als der Rest der Welt zusammen. „Wir sehen hier ein zentrales Feld der Zusammenarbeit mit China, denn Umweltschutz und rasche nachhaltige Dekarbonisierung unserer Gesellschaften liegen in beiderseitigem und im weltweiten Interesse“, heißt es in der Strategie. Ein Haken: Deutschland will zugleich die Abhängigkeit von grünen Technologie-Importen aus China reduzieren.
  • Resilienz: Deutschland ist sensibler geworden gegenüber hybriden Bedrohungen aus dem Ausland, einschließlich China. Daher findet zum Beispiel die Abwehr von Spionage auch im Cyberraum Eingang in die Strategie. Auch will die Bundesregierung gemeinsam mit der EU gegen „Übersee-Polizeistationen“ und Desinformationskampagnen Chinas vorgehen, und die „politische Steuerung von Teilen der chinesischen Auslandsgemeinde“ etwa durch KPCh-Zellen genauer beobachten.

Deutsche China-Strategie: 2021 angekündigt, 2023 fertig

Die Ampelregierung hatte bereits in ihrem Koalitionsvertrag 2021 angekündigt, eine Strategie zu entwickeln, die Leitlinien liefern soll für den Umgang mit der neuen, autoritär regierten Großmacht China. Doch Ukraine-Krieg und Energiekrise hatten das Projekt immer wieder aufgehalten. Ein erster vertraulicher Entwurf des Auswärtigen Amtes für die China-Strategie war im November dem Spiegel zugespielt worden. Etwas später wurde zudem ein Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) durchgestochen. Nur aus dem Kanzleramt drang bis zuletzt nichts nach außen.

In Peking wird vor allem Annalena Baerbock als treibende Kraft hinter einem kritischeren China-Kurs gesehen. Baerbock propagierte bereits im Wahlkampf 2021 einen „Mix aus Dialog und Härte“, sie steht für eine wertegeleitete Außenpolitik. Auch bei ihrem Besuch in Peking sparte sie nicht mit Kritik, etwa an der Menschenrechtslage oder Chinas mangelnder Einflussnahme auf Russland. Was Außenminister Qin Gang zu der Bemerkung verleitete, China brauche keinen „Lehrmeister aus dem Westen“. Für Peking dürfte die China-Strategie der Bundesregierung nun wenig neue Angriffsfläche bieten, weil die meisten Positionen auch in der Volksrepublik längst bekannt sind. Interessant wird, wie die einzelnen Bundesministerien die neuen Leitlinien in den kommenden Monaten und Jahren umsetzen. Dann wird sich zeigen, ob sich das lange Warten auf die 64 Seiten Strategiepapier gelohnt hat.

Rubriklistenbild: © Soeren Stache/dpa

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