Generalstreik gegen Anarchokapitalismus
Mehr als eine Million Menschen gehen in Argentinien gegen Milei auf die Straße
Mit einem landesweiten Generalstreik haben Gewerkschaften, Kunstschaffende und NGOs Argentinien lahmgelegt. Sie fürchten einen Ausverkauf des Landes durch Präsident Milei.
Buenos Aires – Was haben Kirchen, Feministinnen und Hafenarbeiter gemeinsam? Sie alle haben Angst vor dem radikalen Staatsumbau in Argentinien, wie ihn Präsident Javier Milei plant. „Der einzige Notstand, den wir haben, ist Arbeit, Essen, Bildung und Gesundheit“, steht auf dem Schild einer pensionierten Teilnehmerin des landesweiten Generalstreiks am Mittwoch (24. Januar). Sie bezieht sich auf die Ausrufung eines „öffentlichen Notstandes“, mit dem Milei ein riesiges Reformpaket durchboxen möchte sowie ein Notstandsdekret mit 30 Maßnahmen, das der Präsident gleich nach Amtsantritt im Dezember unterzeichnet hat.
Generalstreik in Argentinien: „Das Land verkauft man nicht!“
Zum Generalstreik hatte die mächtige Gewerkschaft CGT aufgerufen. Weite Teile des öffentlichen Lebens wurden an diesem Mittwoch in Argentinien lahmgelegt. Der 24. Januar wurde über die letzten Wochen weit über die Gewerkschaft hinaus zum Stichtag des Protests ernannt. Deshalb versammelten sich schon vormittags die verschiedensten Gruppen mit Trommeln, Trompeten und Bengalos rund um den Kongress in Buenos Aires.
Um die genaue Zahl der Teilnehmer:innen des Streiks wird wie immer gestritten. Die organisierende Gewerkschaft CGT spricht von 1,5 Millionen Menschen im ganzen Land. Tänzer:innen, Musiker:innen, Bibliothekar:innen, Transportwesen, die öffentliche Verwaltung, Gesundheitswesen, Vereine zur Erinnerung an die Militärdiktatur, Kommunist:innen, Peronist:innen, Angestellte des Fischereigewerbes, Feminist:innen, die Vereinigung der Wissenschaft, Bankangestellte - heute haben alle einen gemeinsamen Feind: „Den Verrückten“ (zu Spanisch: „el loco“), wie Milei liebevoll und abschätzig genannt wird.
Generalstreik gegen geplante Reformen von Argentiniens Präsident Milei
„La patria no se vende!“ (zu Deutsch: Das Land verkauft man nicht). Dieser intersektionale Schlachtruf gegen den neoliberalen Staatsumbau schallt wie ein Mantra durch die Straßen rund um den Platz der argentinischen Legislative. Die Menschen, die heute zu diesem Protest gekommen sind, wollen um jeden Preis verhindern, dass internationale Konzerne unbegrenzt Land kaufen dürfen, Gesundheit und Bildung privatisiert werden, das Streikrecht eingeschränkt wird oder Gesetze zur Regulierung des Arbeits- und Immobilienmarktes abgeschafft werden.
Die Sorge um einen Ausverkauf Argentiniens reicht weit über die Landesgrenzen hinaus. So gab es an diesem Mittwoch auch Solidaritätskundgebungen mit dem argentinischen Generalstreik in Paris, Madrid, Barcelona, Valencia, Rom, Berlin, Genf, Brüssel, Amsterdam, Rom, Santiago de Chile, Bogotá oder Montevideo.
Das erlassene Dekret (DNU) und das geplante Reformpaket (Omnibusgesetz) decken so viele Bereiche ab, dass niemand genau weiß, worüber man am dringendsten sprechen muss. Alle sorgen sich jedoch um die soziale Sicherheit des Landes. Mit der weltweit höchsten Inflation von über 200 Prozent im vergangenen Jahr und rund der Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze befürchten die Organisationen fatale soziale Folgen der geplanten Politik des ultraliberalen Präsidenten.
Anarchokapitalismus in Argentinien: „Kein Streik kann uns aufhalten
Milei hingegen sieht Feminismus und Sozialismus als Hauptproblem des Landes und setzt voll und ganz auf den freien Markt. Für den Ökonomen sind etwa Steuern kein legitimes Verteilungsinstrument, sondern per se ungerecht, da sie durch Zwang erhoben würden. Proteste will er am liebsten verbieten. Er kündigte bereits an, Staatsangestellten die Löhne zu streichen, sollten sie an dem Streik teilnehmen.
Das umstrittene Reformpaket wird derweil im Kongress diskutiert. Am Donnerstag soll es diesbezüglich eine Entscheidung geben. Sicherheitsministerin Patricia Bullrich hat bereits über die Plattform X (früher Twitter) klargestellt: „Kein Streik kann uns aufhalten, keine Drohung kann uns einschüchtern.“ (Laura May)
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