Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Druck aus China

Die Welt trifft sich zur UN-Vollversammlung – Taiwan aber muss draußen bleiben

Ein Mann macht ein Selfie vor einer Werbeskulptur Taiwans für mehr Mitsprache bei der Weltgesundheitsorganisation
+
Taiwan protestierte schon vor zwei Jahren am Gebäude der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf gegen seinen Ausschluss von der UNO-Arbeit.

China verhindert, dass Taiwan in den Vereinten Nationen mitwirkt. Der Widerstand dagegen wächst – auch im Westen.

Bundeskanzler Olaf Scholz reist an, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ebenso und natürlich auch US-Präsident Joe Biden: Rund 140 Staats- und Regierungschefs werden in New York erwartet, wenn am Dienstag die diesjährige UN-Vollversammlung beginnt. Nicht dabei allerdings ist Tsai Ing-wen, die Präsidentin von Taiwan. Sie ist nicht eingeladen, ja, sie dürfte das UN-Gebäude nicht einmal betreten. Denn Taiwan ist kein Mitglied der Vereinten Nationen. Eine Ungerechtigkeit, finden viele in der demokratisch regierten Inselrepublik, die China als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet.

Immer wieder wirbt Taipeh um eine Teilnahme an der UN-Vollversammlung oder bei den Unterorganisationen der Vereinten Nationen. Es sei eine Frage der Fairness den 23,5 Millionen Bürgern Taiwans gegenüber, „ihnen den ihnen zustehenden Platz in dieser internationalen Organisation einzuräumen, damit alle Länder für das globale Wohl zusammenarbeiten“, hieß es kürzlich in einem Statement der inoffiziellen taiwanischen Botschaft in Spanien. Taiwan sei ein verantwortungsvolles Mitglied der internationalen Gemeinschaft, das sich mit gleichgesinnten Ländern um Frieden und Stabilität in seiner Region bemühe.

Doch die Chancen, dass Taiwan und die UN enger zusammenrücken, sind unvermindert gering. Denn die Volksrepublik China blockiert erfolgreich jede Aufwertung Taiwans. Peking findet immer genug Staaten, die mit China gegen Taipeh abstimmen; Staaten, die China zum Beispiel für Infrastrukturinvestitionen brauchen oder die die westlich dominierte Weltordnung ablehnen. Die Blockade gilt auch für die Weltgesundheitsorganisation WHO und andere UN-Unterorganisationen. Und auch den Beobachterstatus verweigert Peking den Taiwanern. Denn aus Sicht der Volksrepublik ist Taiwan eine abtrünnige Provinz und darf entsprechend nur wie eine Provinzregierung behandelt werden.

UN-Vizegeneralsekretärin kritisiert Ausschluss Taiwans

Überraschenderweise kritisierte die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina Mohammed am Freitag die Ausgrenzung Taiwans. „Jeder Mensch ist wichtig, ob er oder sie nun aus Taiwan kommt oder nicht. Und ich denke, es ist wirklich wichtig, dass die Mitgliedsstaaten eine Lösung finden“, sagte Mohammed vor Journalisten. Pekings UN-Botschafter Zhang Jun wies diese Worte umgehend zurück: „Die sogenannte Beteiligung Taiwans an der UNO ist ein durch und durch falsches Narrativ“, betonte er. Es gebe „nur ein China auf der Welt, und Taiwan ist ein unveräußerlicher Teil des chinesischen Territoriums“.

Die Lage ist festgefahren. Je mehr China mit immer größeren Militärmanövern Druck auf Taiwan ausübt, desto drängender wird eine Mitarbeit bei den UN aus Sicht der demokratisch regierten Inselrepublik. „Wir alle haben die UN-Charta gelesen. Sie besagt, dass es Aufgabe der UNO ist, Krieg zu verhindern“, sagte Außenminister Joseph Wu vor Kurzem im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Wir sehen aber, wie China Taiwan bedroht – und die UNO handelt nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Organisation. Sie akzeptieren sogar Chinas Interpretation, dass Taiwan ein Teil von China ist.“

Noch bis 1971 war die Lage genau umgekehrt: Nicht die Volksrepublik China war in den Vereinten Nationen vertreten, sondern die Republik China auf Taiwan. Beide Seiten beanspruchten für sich, ganz China zu repräsentieren. Doch dann kam die Zeitenwende in der China-Politik des Westens. Immer mehr Staaten entschlossen sich, Mao Zedongs kommunistische Volksrepublik diplomatisch anzuerkennen. Taiwan war damals eine Militärdiktatur und nicht die blühende Demokratie, die es heute ist. Durch den Wechsel zu Peking verlor Taiwan 1971 seinen Sitz bei der Vereinten Nationen.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

China und Taiwan: Streit um die entscheidende UN-Resolution

Besiegelt wurde dieser Schritt mit der UN-Resolution 2758. Die Vollversammlung der UN, so heißt es in dem Text, „beschließt, all die Rechte der Volksrepublik China instand zu setzen und die Vertreter ihrer Regierung als die einzigen legitimierten Vertreter Chinas in den Vereinten Nationen anzuerkennen“. Gleichzeitig werde man die Vertreter von Taiwans Militärherrscher Chiang Kai-shek „von dem Platz entfernen, den sie zu Unrecht in den Vereinten Nationen und all ihren Organisationen einnehmen“. Peking interpretiert die Resolution heute so, dass nur China das Recht auf einen Sitz in den UN habe; Vertreter der taiwanischen Regierung hingegen weisen darauf hin, dass die Resolution den Status von Taiwan mit keinem Wort erwähnt. „Diese Resolution besagt, dass China durch die Volksrepublik China repräsentiert wird. Und das war’s. Sie besagt nichts über Taiwan“, sagt Außenminister Wu.

„Die Volksrepublik China führt eine Kampagne, um die UN-Resolution 2758 so umzuinterpretieren, dass sie auf dem Ein-China-Prinzip beruht – und verbreitet den Trugschluss, dass die UN-Mitgliedsstaaten durch die Resolution zu dem Schluss gekommen sind, dass Taiwan ein Teil der VR China sei“, stellten Bonnie Glaser und Jessica Drun in einer Studie für den German Marshall Fund of the United States fest.

Taiwan nicht einmal in Weltgesundheitsorganisation dabei

„Im vergangenen September hat China vor den Vereinten Nationen erklärt, dass Taiwan eine innere Angelegenheit von China ist und dass kein anderes Land das Recht hat, sich einzumischen“, sagt Joseph Wu. „Das bedeutet, dass China das Recht hat, Gewalt gegenüber Taiwan anzuwenden. So weit legt China diese Resolution aus.“

Was es bedeutet, wenn Taiwan ausgegrenzt wird, zeigt das Beispiel der Weltgesundheitsorganisation. Seit Jahren sucht Taiwan die Nähe zur WHO, Unterstützung erhält die Regierung in Taipeh dabei von Ländern wie Deutschland oder den USA. Bislang allerdings vergeblich. „Wir haben dasselbe Recht auf eine gute Gesundheit wie alle anderen Menschen auch. Uns auszuschließen, ist einfach nicht richtig“, kritisiert Joseph Wu. Und er erinnert an das Jahr 2003, als Taiwan ebenso wie China von der Sars-Pandemie heimgesucht wurde. „Wir haben die WHO gebeten, uns Experten zu schicken, um uns zu helfen. Erst als gesamte Krankenhäuser völlig überfüllt waren, haben sie uns vier Experten gesendet. Sie bekamen allerdings die strikte Anweisung, keinen Kontakt zu unseren Gesundheitsbehörden zu haben.“

Als die Pandemie zu Ende war, hatte Taiwan eine der höchsten Sars-Sterblichkeiten der Welt zu beklagen – mehr als jeder fünfte Patient war tot.

Kommentare