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Experte nennt zwei Zeitfenster
Russlands „imperiale Gelüste“: Will Putin einen Krieg mit der Nato?
Ein Krieg zwischen Russland und der Nato – vollkommen abwegig oder ein realistisches Szenario? Experten sind gespalten, doch die Warnungen mehren sich.
Update vom 21. Februar, 16.20 Uhr: Ist ein Krieg zwischen Russland und der Nato ein realistisches Szenario? Im Nato-Staat Norwegen ist laut dem Befehlshaber der norwegischen Armee, Erik Kristofferson, die Lage jedenfalls ernst wie lange nicht. Er sagte der Zeitung Dagbladet: „Es gibt jetzt ein Zeitfenster, das vielleicht ein, zwei, vielleicht drei Jahre dauern wird, in dem wir noch mehr in eine sichere Verteidigung investieren müssen.“
Auch dem Bündnis insgesamt scheint das Risiko, das von Putin an der norwegisch-russischen Grenze ausgeht, bewusst zu sein: Zwischen dem 5. und 14. März testet die Nato ihre Verteidigungsfähigkeit gegen Russland in Norwegen. Putin wird bei der Großübung „Grand North 24“ explizit als möglicher Aggressor genannt. Die Übung ist ein Teil des Nato-Großmanövers „Steadfast Defender 24“
Erstmeldung: Russlands „imperiale Gelüste“: Will Putin einen Krieg mit der Nato?
Moskau – Seitdem diese Meldung kursiert, herrscht in Europa Alarmstufe Rot: Donald Trump drohte bei einer Wahlkampf-Show damit, als US-Präsident Nato-Ländern bei einem Angriff Putins nicht beizustehen. Er werde Wladimir Putin sogar zu ermutigen, das zu tun, „was immer zur Hölle er will“.
Wie ernst Trump es damit meint, ist umstritten. Einige Militärexperten reagieren dennoch aufgeschreckt: „In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein“, appellierte Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, in der Welt am Sonntag. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte, Putin plane einen langen Krieg und die Nato müsse sich auf eine „jahrzehntelange Konfrontation mit Russland“ einstellen.
Will Putin wirklich einen Krieg zwischen Russland und der Nato?
Doch will Putin wirklich einen Krieg mit der Nato? Oder ist ihm die Gefahr für sich und sein Land viel zu hoch? Eine Einschätzung zu dieser Frage gab unter anderem Frank Sauer, Politikwissenschaftler an der Bundeswehr-Universität München, im Politik-Podcast der Zeit. „Sachen, die für uns unbequem sind und unvorstellbar, dürfen wir nicht mehr einfach kategorisch ausschließen“, betonte Sauer dabei. Ein Angriff Putins auf ein Nato-Land sei zumindest denkbar.
Denselben Schluss zog unlängst auch Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, in der Rheinischen Post. Auf die Frage, ob er Putin einen Angriff auf Nato-Staat zutraue, lautete seine Antwort: „Natürlich“:Sollte Russland den Ukraine-Krieg nicht verlieren, „müssen wir damit rechnen, dass er auch nach der Republik Moldau oder den baltischen Staaten greift“, warnte er.
Sicherheitsexperte: Erstes Zeitfenster für Putin-Angriff auf Nato schon bald
Sicherheitsexperte Sauer sieht zwei Zeitfenster für einen Angriff Putins auf Nato-Territorium. Das erste Szenario hält er zwar für extrem unwahrscheinlich, doch es wäre beängstigend nah: Die Zeit nach der US-Wahl im November 2024 könne für Putin verlockend sein, sich zu sagen „jetzt versuch ich was“, so Sauer.
In den USA werde die Zeit nach der Präsidentschaftswahl in jedem Fall tumultreich sein, führte der Politologe aus – nicht, nur wenn Trump gewinne, sondern auch bei einem Wahlsieg Bidens, denn dann werde Trump den Wahlausgang anfechten.
Erodierte Nato könnte bei Putin imperiale Gelüste entfachen
Aus Perspektive des Kreml könne sich die globale Lage zwischen November 2024 und Januar 2025 daher folgendermaßen darstellen, so Sauer: Die USA wären zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich noch um einen weiteren Konflikt in Europa anzutun. Und die Europäer wären bei Langem noch nicht so weit, sich selbst gegen Russland verteidigen zu können.
Dies könne eine verlockende Melange für Putins Großmachtgedanken sein, so Sauer. Der Experte geht jedoch nicht davon aus, dass es wirklich so weit kommt. Denn die USA wären direkt nach den Wahlen in jedem Fall noch Nato-Bündnispartner und ein Angriff für Putin hochriskant.
Anders aber könne das in fünf Jahren aussehen, so der Politikwissenschaftler. Das Worst-Case-Szenario sähe dann so aus: Trump hätte als US-Präsident die Nato „so erodiert hat, dass wir auch in Europa keine Einigkeit mehr haben und überhaupt keinen vernünftigen Beistand mehr.“ Ein beinahe 80-jähriger Putin, der sich eventuell „noch mehr reingesteigert hat in seinen Größenwahn und die imperialen Gelüste“ könne dann auf dumme Gedanken kommen, so der Experte.
„Putin ist risikoscheu“: Russland-Experte hält Angriff auf Nato für unwahrscheinlich
Zu einem anderen Schluss kommt allerdings der Russland-Experte Mark Galeotti in einem Interview mit dem Spiegel. Er hält es für „sehr unwahrscheinlich“, dass Putin langfristig vorhat, einen Nato-Staat anzugreifen. „Ich kann mir sehr schwer vorstellen, warum Putin eine direkte Konfrontation mit der Nato riskieren würde“, so der britische Experte für russische Militärpoltik.
Das Risiko eines Konflikts mit der Nato sei dem russischen Präsidenten viel zu hoch – denn Putin sei „eigentlich zutiefst risikoscheu“, so der Brite. Im Fall der Ukraine habe sich Putin einfach „kolossal verkalkuliert“, indem er ihn als „nicht besonders riskant“ eingeschätzt habe: „Er ging tatsächlich davon aus, dass es schnell und leicht gehen würde.“
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Experte: Putin will keinen Konflikt mit der Nato provozieren
Was dagegen die Nato betreffe, sei Putin erstaunlich vorsichtig. Putin habe beispielsweise stets darauf geachtet, dass russische Luftwaffen-Piloten nicht Einsätze über der Westukraine fliegen. Galeotti glaubt, das geschah nicht zufällig, sondern „um nicht versehentlich in den Nato-Lauftraum einzudringen“. Auch auf Angriffe auf Versorgungswege für die Ukraine in Europa habe Russland aus diesem Grund verzichtet.
Auch der deutsche Sicherheitsexperte Sauer beschwichtigt im Interview mit der Zeit: Man dürfe die aktuellen Warnungen, Putin könne in fünf bis acht Jahren bereit für einen Krieg mit der Nato sein, nicht so interpretieren, dass Putin dann wirklich angreifen werde. In der aktuellen Diskussion gehe es darum, dass Russland in diesem Zeitraum fähig wäre, seine Streitkräfte wiederaufzubauen. Und das sei eben „ein ernsthaftes Bedrohungspotential“, auf das sich die Nato einstellen müsse.
Von einer gemeinsamen europäischen Verteidigung sind die EU-Staaten jedenfalls weit entfernt. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende war die Bedrohung durch Russland und der eventuell baldige Wegfall der USA als Bündnispartner allgegenwärtig – auch angesichts des Todes des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny. Und Trump? Der macht schon mit der nächsten Aussage von sich hören – diesmal ist es ein absurder Vergleich mit dem Tod von Nawalny. (smu)