Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Befragung vor Ausschuss

Ex-Mitarbeiter: NSA-Ansatz ist "totalitär"

William Binney
+
Der ehemalige technische Direktor des NSA, William Binney, war Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss.

Berlin - Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat am Donnerstag erstmals einen ehemaligen Mitarbeiter des US-Geheimdienstes befragt. Der rechnete hart mit seinem früheren Brötchengeber ab.

Der frühere NSA-Technikchef William Binney war der erste Zeuge, der vor dem Untersuchungsausschuss aussagte. Er hatte von 1970 bis 2001 für die NSA gearbeitet und war dort zuletzt Technischer Direktor. Seit seinem Ausstieg kritisiert er öffentlich die Überwachungspraxis der NSA.

"Fatale Entwicklung"

Binney war nach eigenen Angaben Ende der 90er-Jahre an der Entwicklung eines NSA-Programms beteiligt, das enorme Datenmengen aus weltweiten Kabelverbindungen gewann. Allerdings habe eine interne Verschlüsselungstechnik dafür gesorgt, dass diese Daten nur bei einzelnen Personen ausgewertet worden seien. Ein Teil des Programms sei auch dem deutschen Bundesnachrichtendienst zugänglich gemacht worden, mit dem die NSA "sehr eng" zusammengearbeitet habe - inwieweit der BND heute Daten von der NSA bekomme, wisse er nicht.

Fatal sei die Entwicklung spätestens nach den Attentaten vom 11. September 2001 gewesen, nicht mehr nur Daten von Gruppen zu sammeln, die unter Terror- oder Kriminalitätsverdacht stehen. „Wir haben uns wegbewegt von der Sammlung dieser Daten hin zur Sammlung von Daten der sieben Milliarden Menschen unseres Planeten.“ Das habe ihn damals veranlasst, den Geheimdienst zu verlassen. Binney beendete seine Karriere beim Geheimdienst, bevor der spätere Informant Edward Snowden dort einstieg. Snowden hatte umfassende NSA-Dokumente an die Medien weitergereicht und damit den Skandal ausgelöst, um dessen Klärung sich nun der Ausschuss bemüht.

Merkel-Lauschangriff zur Beeinflussung der Kanzlerin?

Als Grund für das Abhören des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte Binney, dass der Geheimdienst Denken und Sorgen Merkels besser verstehen wollte. „Man kann es auch als Hebel einsetzen in den Beziehungen“, sagte er zudem. Das Ziel könnte auch die Beeinflussung der Kanzlerin oder anderer Politiker gewesen sein.

"NSA hat jedes rechtsstaatliche Maß verloren"

Binney schilderte den Dienst als Behörde, die beim Sammeln von Daten jedes rechtsstaatliche Maß verloren hat und massenhaft die Freiheitsrechte der Bürger verletzt. Er warf dem Geheimdienst eine "totalitäre Geisteshaltung" vor, "die man bislang nur bei Diktatoren gesehen hat". Sie ziele auf die "Kontrolle der gesamten Bevölkerung" ab und verletze dabei laufend amerikanisches Recht. "Sie wollten die absolute Informationskontrolle", sagte er. Dies sei letztlich aber sinnlos und helfe nicht bei der Terrorabwehr: "Durch das Sammeln von derart viel Daten haben sie ihre eigene Arbeitsfähigkeit behindert."

Inzwischen sei es im Prinzip möglich, die gesamte Bevölkerung zu überwachen - nicht nur im Ausland, sondern auch in den USA. Zugriff auf die NSA-Datenmengen hätten etwa Regierungsministerien oder die US-Steuerbehörde. Die NSA speichere die Daten quasi für immer. "Für mich ist das die größte Bedrohung der amerikanischen Gesellschaft seit dem Bürgerkrieg.

NSA-Überwachung von Anonymisierungs-Kämpfern "plausibel"

Kurz vor Binneys Befragung war bekannt geworden, dass die NSA offenbar gezielt Menschen ausspäht, die sich mit Verschlüsselung und Anonymisierung im Internet beschäftigen. Wie der NDR und der WDR berichteten, geriet der Erlanger Student Sebastian Hahn ins Visier der NSA, weil er einen Server für das Anonymisierungsnetzwerk Tor betreibt. Durch dieses Netzwerk versuchen Nutzer, ihre Spuren im Internet zu verwischen. Insbesondere Menschenrechtler in Ländern wie dem Iran sind auf dieses Programm angewiesen. Binney bezeichnete den Bericht in der Anhörung als plausibel. "Dies wäre sicherlich ein Ziel, dass die NSA ins Visier nehmen würde."

Prism, XKeyscore & Co. - Chronologie der NSA-Spähaffäre

Prism, XKeyscore & Co. - Chronologie der NSA-Spähaffäre

Snowden
Seit der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden Anfang Juni die massiven Überwachungsprogramme verbündeter Geheimdienste enthüllte, beschäftigt die Spähaffäre auch die deutsche Politik. In welchem Umfang der US-Geheimdienst deutsche Bürger auskundschaftet, ist noch immer unklar. Ein Rückblick: © AFP
6./7. Juni: "Guardian" und "Washington Post" berichten über ein geheimes Überwachungsprogramm namens "Prism", mit dem der US-Geheimdienst NSA auf Serverdaten großer Internetkonzerne wie Google, Facebook oder Microsoft zugreife - und damit potenziell auch auf Daten deutscher Bürger. Quelle der Enthüllungen ist der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden, der seitdem auf der Flucht vor der US-Justiz ist.
6./7. Juni: "Guardian" und "Washington Post" berichten über ein geheimes Überwachungsprogramm namens "Prism", mit dem der US-Geheimdienst NSA auf Serverdaten großer Internetkonzerne wie Google, Facebook oder Microsoft zugreife - und damit potenziell auch auf Daten deutscher Bürger. Quelle der Enthüllungen ist der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden, der seitdem auf der Flucht vor der US-Justiz ist. © dpa
Angela Merkel will die komplette Amtszeit absolvieren, sollte sie erneut zur Bundeskanzlerin gewählt werden.
10./11. Juni: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnt vor einer "möglichen Beeinträchtigung von Rechten deutscher Staatsangehöriger". © AFP
Barack Obama
19. Juni: US-Präsident Barack Obama versichert nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin, die US-Geheimdienste würden sich künftig eng mit den deutschen Partnern abstimmen. © dpa
In Berlin demonstrierten rund 500 Bürger gegen die Überwachung.
Beim Besuch von Obama in Berlin protestieren etwa 200 Menschen gegen Überwachung. © AFP
29./30. Juni: US-Geheimdienstler spähen nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ auch die Europäische Union aus. In Deutschland sei der Abhördienst NSA besonders aktiv. Politiker reagieren empört.
29./30. Juni: US-Geheimdienstler spähen nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ auch die Europäische Union aus. In Deutschland sei der Abhördienst NSA besonders aktiv. Politiker reagieren empört. © picture alliance / dpa
Außerdem wird die Kanzlerin und CDU-Chefin als "Angela 'Teflon' Merkel" beschrieben, weil vieles an ihr abgleite wie an einer Teflon-Pfanne. 
1. Juli: Merkel weist den Vorwurf zurück, sie habe von der US-Späherei in Deutschland gewusst. © picture alliance / dpa
BND
7. Juli: Snowden beschuldigt den Bundesnachrichtendienst (BND) in einem "Spiegel"-Interview, schon seit langem mit der NSA zusammenzuarbeiten. © picture alliance / dpa
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bei der Pressekonferenz nach seinen Gesprächen in Washington.
12. Juli: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) spricht in Washington mit US-Regierungsvertretern. Nach seiner Reise verteidigt er die Überwachungsprogramme. NSA-Informationen hätten Terror-Anschläge in Deutschland verhindert. Oppositionspolitiker kritisieren die Reise als reine "Symbolpolitik"; die erhoffte Aufklärung sei ausgeblieben. © picture alliance / dpa
Eine Demonstrantin lässt sich in Berlin während eines Protest-"Spaziergangs" vor dem Neubau des Bundesnachrichtendienstes gegen Überwachung von einer Kamera aus Pappe in den Mund "filmen". Zu der Demo hatten Netz-Aktivisten der "Digitalen Gesellschaft" aufgerufen.
15. Juli: Laut „Bild“-Zeitung soll der BND seit Jahren von der NSA-Datenerfassung gewusst und bei Gefahr darauf zugegriffen haben. © picture alliance / dpa
Seinen eigenen trockenen Humor führt er auf seine Großmutter zurück - jüngst antwortete er einem Journalisten auf Fragen, ob er dieses oder jenes ausschließe: „Steinbrück schließt nicht aus, dass er Hundefutter isst“.
14. Juli: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wirft Merkel eine Verletzung ihres Amtseids vor. Unter Merkel und ihrem Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla sei "ein riesiger Schaden für das deutsche Volk entstanden". © dpa
wolf
17. Juli: Ein weiteres „Prism“-Programm soll laut „Bild“ im Kommandobereich der Bundeswehr in Afghanistan zur Überwachung von Terrorverdächtigen eingesetzt worden sein. Regierung und BND versichern, es handele sich um zwei unterschiedliche Programme. © picture alliance / dpa
Merkel
19. Juli: Merkel betont, bei der Überwachung von Daten dürften auch im Kampf gegen den Terrorismus nicht alle technischen Möglichkeiten genutzt werden. „Deutschland ist kein Überwachungsstaat.“ © picture alliance / dpa
NSA-Affäre
21. Juli: Der Verfassungsschutz räumt ein, das NSA-Schnüffelprogramm "XKeyscore" einzusetzen - allerdings nur zu Testzwecken und in beschränktem Umfang. Das Programm soll in 30 Tagen bis zu 41 Milliarden Datensätze von Internet-Nutzern speichern können. © dpa (Symbolbild)
Ronald Pofalla
25. Juli: Als Koordinator der Nachrichtendienste steht Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages erstmals Rede und Antwort. Er weist Vorwürfe gegen deutsche Dienste im PKG zurück. Es seien von deutscher Seite im Zusammenhang mit einem Entführungsfall nur zwei Datensätze an die USA übermittelt worden. Union und FDP machen die frühere rot-grüne Bundesregierung dafür verantwortlich, dass nach dem 11. September 2001 die Geheimdienstzusammenarbeit mit den USA deutlich ausgeweitet wurde. © dpa
Snowden-Unterstützer demonstrieren in Berlin.
27. Juli: Unter dem Motto "Stop watching us" protestieren bundesweit tausende Menschen gegen Überwachung. © AFP
NSA Überwachung Abhörzentrum
29. Juli: Der "Spiegel" druckt ein Dokument Snowdens, wonach zwei Datensammelstellen ("Sigads") im Dezember 2012 etwa 500 Millionen Daten aus Deutschland abgegriffen hätten. © picture alliance / AP Images
Protest gegen PRISM: Ein Aktionsbündnis mit Vertretern aus Politik, Gewerkschaften und Aktivisten von Anonymous und Blockupy protestiert gegen das jüngst bekannt gewordene Spionageprogramm PRISM des US-amerikanischen Militärgeheimdienstes NSA und die Überwachungspraxis des britischen Nachrichtendienstes GCHQ.
3. August: Die Berichte über die Datenschnüffelei haben die Bundesanwaltschaft auf den Plan gerufen. Möglicherweise werde ein Ermittlungsverfahren wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zulasten der Bundesrepublik eingeleitet, sagt ein Sprecher der „Mitteldeutschen Zeitung“. © picture alliance / dpa
Der Eingang zum Gelände des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Pullach.
4. August: Der NSA greift dem „Spiegel“ zufolge bei seiner Datenschnüffelei in großem Umfang auf Material des Bundesnachrichtendienstes (BND) zurück. Der BND bestätigt, dass er Metadaten seiner Fernmeldeaufklärung an die NSA übermittelt, personenbezogene Daten von Deutschen aber nur "im Einzelfall". Der Auslandsgeheimdienst vermutet hinter den "Sigads" nun Datenerhebungsstellen in Bad Aibling und Afghanistan. Die Kooperation mit der NSA diene der Auslandsaufklärung in Krisengebieten. © picture alliance / dpa
Steinmeier
7. August: Nach den Worten von Vize-Regierungssprecher Georg Streiter deutet vieles darauf hin, dass es der BND selbst war, der annähernd 500 Millionen Datensätze aus Deutschland an die NSA weitergab. Er verweist auf ein vom damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2002 geschlossenes Kooperationsabkommen. Ungeklärt bleibt weiter die Frage, wie die USA durch "Prism" den europäischen Internetverkehr überwachen. © dpa
So verantwortete der Dienst in den vergangenen Jahren nach Angaben des britischen Bureau of Investigative Journalism (TBIJ) mehr als 350 Drohnen-Angriffe auf Ziele in Pakistan, Jemen und Somalia.
10. August: Der BND weist den Vorwurf zurück, mit den an die NSA übermittelten Daten Beihilfe zu gezielten Tötungen durch US-Drohnen zu leisten. Die Daten dürften für Folter oder Todesstrafen nicht verwendet werden, erklärt der Dienst. © picture alliance / dpa

Der Ausschuss wollte am Donnerstag zudem noch den NSA-"Whistleblower" Thomas Drake befragen. Der ehemalige NSA-Softwareentwickler Drake lancierte ab 2005 vertrauliche Informationen an die Medien. Die Abgeordneten erhofften sich so Einblick in die internen Strukturen und Arbeitsmethoden des Diensts. "Wir wissen nicht viel über die NSA", räumte der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) zu Beginn der Befragung ein.

AFP/dpa

Kommentare