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Militärische Unterstützung

EU verspricht Ukraine eine Million Artilleriegeschosse: Aber alle Staaten schweigen über ihre Vorräte

Zwei Milliarden Euro für eine Million Geschosse: Die EU-Verteidigungsminister stimmen dem Plan des Außenbeauftragten zu. Doch kein EU-Staat will verraten, wie viel Munition es noch auf Lager hat.

Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing  vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 21. März 2023

Brüssel – Manchmal kann es in der EU auch schnell gehen. Vor drei Wochen hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erstmals seinen Plan präsentiert, wie die Lieferung von Artilleriemunition für die Ukraine beschleunigt werden könnte. Am Montag haben die Verteidigungsminister dem Plan zugestimmt. Die EU stellt zwei Milliarden Euro speziell für die Munitionsbeschaffung zur Verfügung, hauptsächlich für Geschosse vom Kaliber 155 Millimeter. Die Mittel sollen aus der Europäischen Friedensfazilität kommen, aus der bisher schon Kriegsmaterial für die Ukraine kofinanziert wurde.

Ziel sei es, der Ukraine innerhalb eines Jahres eine Million Artilleriegeschosse liefern zu können, sagte Borrell am Montag. Beschlossen wurde ein dreigleisiger Ansatz:

  • Lieferung aus Lagerbeständen
  • Neue Beschaffung für die Ukraine und Auffüllen der eigenen Reserven
  • Ausbau von Produktionskapazitäten

Bis zu einer Milliarde Euro können die Mitgliedstaaten abrufen, wenn sie sofort aus ihren eigenen Beständen weitere Munition liefern. 350.000 Artilleriegeschosse vom Kaliber 155 Millimeter haben die Mitgliedstaaten im ersten Kriegsjahr bereits an die Ukraine abgegeben. Die Bestände in der EU sind deshalb stark reduziert. Niemand will die Reserven aus Sicherheitsgründen klar beziffern.

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Nur Firmen aus der EU und Norwegen sollen profitieren

Josep Borrell wollte mit einer abgestuften Entschädigung einen Anreiz für die Mitgliedstaaten schaffen, noch einmal in ihren Lagern nachzuschauen und möglichst rasch zu liefern. Vorgesehen war eine Rückerstattungsrate von bis zu 90 Prozent. Eine Mehrheit fand dies allerdings unfair gegenüber Ländern, die bereits Kriegsgerät geliefert und bisher weniger zurückbekommen haben. Die Rückerstattungsrate bleibt deshalb unverändert bei 50 bis 60 Prozent. Die Kosten für eine Artilleriegranate vom Kaliber 155 Millimeter liegen bei 4.000 Euro, wobei die Mitgliedstaaten in der Regel nicht den Neuwert in Rechnung stellen. Die 155-Millimeter-Munition kann bei verschiedenen Waffensystemen der Nato eingesetzt werden.

Die zweite Milliarde steht zur Verfügung, um die gemeinsame Beschaffung von Artilleriemunition zu finanzieren, ebenfalls für die Ukraine, aber auch um eigene Bestände aufzufüllen. Umstritten war bis zuletzt, ob auch Hersteller außerhalb Europas berücksichtigt werden sollen. Nun sollen ausschließlich Firmen aus der EU und Norwegen zum Zug kommen.

15 Unternehmen in elf Mitgliedsstaaten könnten produzieren

Borrell hatte zudem vorgeschlagen, die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) mit der Koordination zu beauftragen, also ähnlich wie bei der Impfstoffbeschaffung einen europäischen Weg zu gehen. Einige Hauptstädte verwiesen jedoch auf bestehende nationale Lieferverträge. Hinzu kamen Zweifel, ob die Verteidigungsagentur mit Fokus auf Forschung und gemeinsame Entwicklung unter Zeitdruck geeignet ist, erstmals eine Bestellung zu organisieren.

Ein ukrainischer Fallschirmjäger bedient einen Raketenwerfer, um auf russische Stellungen an der Frontlinie zu feuern.

Auch hinkt der Vergleich mit der Impfstoffbeschaffung, weil es die EU damals mit anfänglich nur wenigen Herstellern zu tun hatte. Bei den gefragten Artilleriegeschossen verfügen 15 Firmen in elf Mitgliedstaaten über geeignete Produktionsstätten. Der Kompromiss sieht vor, dass beide Optionen offenstehen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach von Neuland: „Wir beschreiten einen neuen Weg bei der Beschaffung in Europa.“ Die EU bündle ihre Marktmacht. Deutschland werde seine Verträge als Rahmennation für andere Länder öffnen. Dänemark und die Niederlande hätten bereits Interesse angemeldet. Boris Pistorius ging in Brüssel davon aus, dass die bestehenden Verträge bis Ende März angepasst werden können. Deutschland sei aber auch bei der gemeinsamen Bestellung dabei.

Binnenmarktkommissar spricht von Kriegswirtschaft

Laut Borrell haben bereits 17 Mitgliedstaaten und Norwegen zugesagt, Bestellungen über die Verteidigungsagentur aufgeben zu wollen. Es müsse schnell gehen, die Munitionsbeschaffung werde für den Kriegsausgang entscheidend sein. Nach Berechnungen der EU verschießt Russland zwischen 20.000 und 60.000 Artilleriegeschosse pro Tag. Wegen knapper Reserven können die Streitkräfte der Ukraine maximal zwischen 2.000 und 6.000 Geschosse abfeuern. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexi Resnikow rechnete kürzlich vor, dass seine Armee pro Monat 250.000 bis 300.000 Artilleriegeschosse benötige.

Neben den Milliarden für Lieferung aus den Beständen und für gemeinsame Bestellungen sieht der Plan der EU vor, parallel und an dritter Stelle auch die Produktionskapazitäten auszubauen. Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach gar von Kriegswirtschaft, was intern auf Kritik stieß. Der Franzose besucht derzeit Rüstungsfirmen quer durch Europa.

Rheinmetallchef Armin Papperger hat in Interviews bereits angekündigt, die Kapazitäten zu erhöhen, und zwar in Ungarn sowie mit einer neuen Pulverfabrik in Sachsen. Papperger beklagt gleichzeitig, dass die EU bei den Bestellungen trödele. Ohne Aufträge produziere Rheinmetall nicht. Boris Pistorius wies die Kritik am Montag in Brüssel indirekt zurück. Es sei allgemein bekannt, dass Munition benötigt werde. Er gehe davon aus, dass die Industrie die Produktionskapazitäten rasch erhöhen werde, wenn dies nicht schon geschehen sei.

(Stephan Israel)

Rubriklistenbild: © Evgeniy Maloletka/dpa

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