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Analyse

Frankreich will EU-Fördergelder für seine Atomkraftwerke - Habeck warnt vor Marktverzerrungen

Arbeiter am zweiten Reaktorblock des französischen Atomkraftwerks Saint-Laurent-des-Eaux
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Arbeiter im französischen Atomkraftwerk Saint-Laurent-des-Eaux: AKW-Debatte mit Paris bremst Reform des EU-Strommarktes aus

Die EU-Energieminister können sich weiter nicht zur Reform des Strommarktes einigen. Das liegt vor allem an Frankreichs Wunsch, bestehende Kernkraftwerke fördern zu können.

Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 20. Juni 2023.

Brüssel/Berlin – Die Energieminister der EU haben sich auch beim letzten Treffen des EU-Energierats unter schwedischer Ratspräsidentschaft nur auf Teile eines geplanten EU-Reformpakets für den Strommarkt einigen können. Für die Markttransparenz-Verordnung REMIT erzielten sie eine allgemeine Ausrichtung, und für die Strommarkt-Richtlinie eine vorläufige politische Einigung. Das gab Schwedens Ressortchefin Ebba Busch am Abend nach langen Verhandlungen bekannt.

Über den wichtigsten Teil, die Strommarkt-Verordnung, aber müssen die Ständigen Vertreter weiter verhandeln. Schweden will auf den letzten Metern noch einen Kompromiss finden. Bis zum 28. Juni stehen allerdings nur noch drei Sitzungen an.

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EU-Strommarkt-Verhandlungen: Einigung wäre gut für Stromkunden Europas

Mit der Einigung zur Richtlinie hätten Stromkunden eine Aussicht auf eine breitere Auswahl an Lieferverträgen, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Der Text regelt außerdem das Teilen von Energie, Absicherungsgeschäfte für Stromlieferanten und die Regulierung von Endkundenpreisen während Energiekrisen.

Politisch umstritten ist dagegen noch immer der Kern des Reformpaketes. Wichtigster Punkt in der Strommarkt-Verordnung sind nach den Worten von Ebba Busch die Differenzverträge (CfDs). Eigentlich ist dieses Förderinstrument hauptsächlich für den Ausbau erneuerbarer Energien gedacht, doch Frankreich will auch bestehende Kernkraftwerke einbeziehen. „Für EDF (den staatlichen französischen Stromkonzern Électricité de France, d. Red.) wäre das wie ein Scheck über 120 Milliarden Euro“, sagte Luxemburgs grüner Energieminister Claude Turmes mit Blick auf den französischen Stromerzeuger.

EU-Strommarktreform: Deutschland soll Einigung verhindert haben

Im Strommarkt müsse es auch einen Wettbewerb um die besten Geschäftsmodelle geben, so Turmes. Damit meinte er offensichtlich die alternative Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Staatlich subventionierte Strompreise begünstigten außerdem Frankreichs Industrie.

Vor Marktverzerrungen warnte auch Wirtschaftsminister Robert Habeck. Das ist nicht ohne Ironie, da er selbst einen – wenn auch eng begrenzten – Industriestrompreis anstrebt. Es sei vor allem Deutschland gewesen, das die Opposition gegen Frankreichs Förderwünsche angeführt und eine Einigung verhindert habe, berichtete gestern eine Quelle aus dem Rat.

EU-Strommarkt: Verhältnismäßigkeit als Kompromiss

Zwei mögliche Lösungen nannte Habeck. Entweder müssten Erlöse aus den Differenzverträgen für bestehende Kraftwerke bei hohen Strompreisen in den allgemeinen Staatshaushalt fließen. Die zweite Lösungsmöglichkeit verbirgt sich hinter dem Wort „Proportionalität“, einem der meist gebrauchten Begriffe im öffentlichen Teil der Sitzung. Gemeint ist damit offenbar, dass es keinen Garantiepreis für die gesamte Stromerzeugung eines bestehenden Kraftwerks geben soll – sondern nur für einen Anteil, der dem Verhältnis von Kosten für die Laufzeitverlängerung und denen der Anfangsinvestition entspricht.

Jedenfalls habe man keine unmissverständliche Formulierung für eine Einigung mehr finden können, fasste Ebba Busch die Beratungen auf Ministerebene zusammen. Simson stellte noch klar, dass kein CfD-gefördertes Kraftwerk gezwungen werde, Strom unter seinen Produktionskosten abzugeben. Jeder Fall müsse allerdings von der EU-Kommission beihilferechtlich geprüft werden.

Polen warnt bei Stromreform vor Gefahr für die Versorgungssicherheit

Einig waren sich Busch und Frankreichs Energieministerin Agnès Pannier-Runacher aber darin, dass Europa neue Kapazitäten zur Stromerzeugung brauche – was auch mit der zweiten Streitfrage zusammenhängt, die die Ständigen Vertreter noch lösen müssen.

Erst vor wenigen Tagen hatte die Ratspräsidentschaft vorgeschlagen, die Frist für staatliche Kapazitätszahlungen an bestehende Kohlekraftwerke von Mitte 2025 auf Ende 2028 zu verlängern. Polens Energieministerin Anna Moskwa appellierte wegen der möglichen Abschaltung polnischer Kohlekraftwerke an die anderen Mitgliedstaaten: „Wenn einer von uns in Gefahr ist, sind wir alle in Gefahr.“

Mehrere Staaten lehnen aber mehr Staatsgeld für Kohlemeiler ab. Habeck sagte, eine eigene Förderung für Kohlekraftwerke sei weder mit den nationalen noch mit den europäischen Klimazielen vereinbar. Es müsse andere Wege geben, das Problem zu lösen.

Kommission überarbeitet Kapazitätsmechanismen

Entgegenkommen deutete allerdings Kommissarin Simson an: Einer oder einige Mitgliedstaaten hätten möglicherweise Probleme mit ihren Kraftwerkskapazitäten, Abweichungen von den CO2-Grenzwerten für Kapazitätsmechanismen müssten aber die Ausnahme bleiben. Simson sagte außerdem, die Kommission arbeite bereits daran, die Prüfverfahren für Kapazitätsmechanismen zu beschleunigen. Man treibe das Thema so schnell wie möglich voran. Damit kommt die Kommission einer Forderung des Rates entgegen.

Busch begründete ein Entgegenkommen Richtung Polen mit der besonderen Lage als Transitland für Stromlieferungen Richtung Osten. Wegen der russischen Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur habe die Ukraine um Stromlieferungen der EU in Höhe von zwei Gigawatt gebeten, derzeit könne man aber nur ein Gigawatt liefern, sagte Busch. Zusätzlichen Strom könne die Staatengemeinschaft nur zur Verfügung stellen, wenn ihr eigenes Stromsystem entsprechend ausgelegt sei.

Gefahr anziehender Gaspreise

Die Kommission informierte die Mitgliedstaaten zudem über die Aussichten für die Versorgungssicherheit im kommenden Winter. Von einer drohenden Gasknappheit schreibt die Kommission in einem neunseitigen Bericht nicht mehr, sondern deutet eher die Möglichkeit wieder steigender Gaspreise an. Wörtlich heißt es, die Märkte könnten „unter Druck geraten“, wenn mehrere Risiken eintreten würden. Dazu zählt die Kommission:

  • eine steigende LNG-Nachfrage vor allem in Südostasien
  • ein Anziehen der Gasverstromung zum Beispiel durch Dürre und spärlich vorhandene Wasserkraft
  • einen Totalausfall der restlichen russischen Gaslieferungen per Pipeline und LNG, die im ersten Quartal noch elf Milliarden Kubikmeter (bcm) betrugen
  • „Zwischenfälle“ bei der Infrastruktur, womit zum Beispiel Attacken auf Unterwasser-Pipelines gemeint sein dürften

Die Kommission legte außerdem aktualisierte Zahlen zu neuen Flüssiggas-Terminals vor. Bis 2024 sei mit 45 Milliarden Kubikmetern (bcm) an neuen LNG-Kapazitäten in der EU zu rechnen, nachdem seit 2022 bereits 25 bcm hinzugekommen seien. (Von Manuel Berkel)

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