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Selenskyj zu Gast

Bei Gipfel-Treffen in Brüssel: EU und Ukraine unterzeichnen Sicherheitsvereinbarung

Neben Personalentscheidungen geht es beim EU-Gipfel in Brüssel auch um eine strategische Agenda bis 2029 – und die Zusammenarbeit mit der Ukraine.

Update vom 27. Juni, 14.37 Uhr: Die EU hat mit der von Russland angegriffenen Ukraine eine Vereinbarung zur Sicherheitskooperation und langfristigen Unterstützung getroffen. Das Dokument wurde am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel unterzeichnet.

Konkret sieht die Vereinbarung beispielsweise einen neuen Krisenmechanismus vor. Sollte Russland etwa bei der aktuellen Invasion Atomwaffen einsetzen oder nach dem Ende des derzeitigen Krieges erneut angreifen, soll es auf Ersuchen einer der beiden Seiten innerhalb von 24 Stunden Konsultationen geben. Gemeinsam würde dann über mögliche Unterstützung etwa durch Waffenlieferungen beraten. Einen direkten militärischen Beistand sagt die EU in der Vereinbarung nicht zu. Auch ist etwa eine engere Zusammenarbeit zwischen der Rüstungsindustrie der Ukraine und der EU sowie im Kampf gegen Cyberangriffe und Desinformationen vorgesehen.

EU-Gipfel in Brüssel startet - mit wichtigen Personalentscheidungen

Erstmeldung vom 27. Juni: Brüssel – EU-Kommissionspräsidentin, EU-Chefdiplomat und EU-Ratspräsident: Bei einem Gipfel in Brüssel soll an diesem Donnerstag und Freitag (27. und 28. Juni) eine formelle Entscheidung zur Neubesetzung von EU-Spitzenposten nach der Europawahl getroffen werden. Als nahezu sicher gilt, dass die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen dabei für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Kommission nominiert wird.

Eine informelle Einigung von Staats- und Regierungschefs der großen europäischen Parteienfamilien vor dem Gipfel sieht zudem vor, dass die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten bekommt und der sozialdemokratische frühere portugiesische Regierungschef António Costa zum EU-Ratspräsidenten gewählt wird. In dieser Position wäre Costa dann dafür zuständig, die EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu leiten.

Ukrainischer Präsident Selenskyj wird zu EU-Gipfel erwartet

Am Rande des Spitzentreffens ist zudem vorgesehen, eine Vereinbarung über die Sicherheitszusammenarbeit zwischen der Ukraine und der EU zu unterzeichnen. Dazu wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Brüssel erwartet. Neben dem Personalpaket soll beim Gipfel eine sogenannte strategische Agenda für die Jahre bis 2029 angenommen werden. Mit ihr werden für die nächsten fünf Jahre die Ausrichtung und die Ziele der EU festgelegt. Zudem stehen Beratungen zur Lage im Nahen Osten sowie zur Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungsindustrie der EU auf der Agenda.

Grundlage der informellen Einigung auf das Personalpaket ist das Ergebnis der Europawahl vor etwas mehr als zwei Wochen. Bei ihr erzielte das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin das mit Abstand beste Ergebnis. Sie will nun mit der zweitplatzierten Parteienfamilie der Sozialdemokraten (S&D) und den Liberalen (Renew) eine informelle Koalition bilden will. Für die EVP – zu der auch CDU und CSU gehören – verhandelten federführend der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, für die Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzen auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als Verhandlungsführer.

Nun muss das Personalpaket auch formell beim Gipfel beschlossen werden. Dafür braucht es die Zustimmung von 20 EU-Staaten, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich zuletzt erbost darüber gezeigt, dass sie trotz des guten Ergebnisses ihrer Partei Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens) bei der Europawahl nicht direkt an den Gesprächen über das Personalpaket beteiligt wurde. Ihre Zustimmung wird aller Voraussicht nach aber auch nicht benötigt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (l.) und der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel am ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel.

Sichere Sache? EU-Parlament kann zweite Amtszeit von der Leyens noch verhindern

Das EU-Parlament kann den Staats- und Regierungschefs aber theoretisch noch einen Strich durch die Rechnung machen. Eine Mehrheit des Parlaments muss die Besetzung der Kommission bestätigen. Das informelle Bündnis aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen hat theoretisch eine komfortable Mehrheit von etwa 400 der 720 Stimmen. Es wird aber damit gerechnet, dass eine gewisse Zahl von Abgeordneten in der geheimen Wahl von der Fraktionslinie abweichen und von der Leyen nicht ihre Stimme geben werden. Deswegen wird davon ausgegangen, dass sich von der Leyen auch noch um Stimmen von Abgeordneten anderer Parteien bemühen wird, insbesondere um die der Grünen. Vertreterinnen und Vertreter der Grünen hatten jüngst immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Auch der Krieg ist erneut ein Thema: Die Ukraine bekommt Sicherheitszusagen 

Das Sicherheitsabkommen, das die EU mit der Ukraine unterzeichnen will, geht auf eine Initiative der Mitglieder der G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte zurück. Sie hatten am Rande des Nato-Gipfels im litauischen Vilnius im vergangenen Jahr vereinbart, dass einzelne Staaten mit der Ukraine bilaterale Vereinbarungen abschließen sollten, um deren Sicherheit langfristig zu gewährleisten. Länder wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich machten im Januar und Februar den Anfang. Zuletzt folgten unter anderem die USA.

Mit den Abkommen werden der Ukraine unter anderem Waffenlieferungen, Finanzhilfen und politische Kooperation zugesichert. Sie sollen helfen, die Zeit bis zum angestrebten Nato-Beitritt des Landes zu überbrücken. Deutschland hat der Ukraine beispielsweise zugesagt, seine militärische Unterstützung fortzusetzen und auszubauen – unter anderem durch weitere Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten.

Zuletzt war Selenskyj Ende Mai in Brüssel, um ein Sicherheitsabkommen zwischen seinem Land und Belgien zu unterzeichnen. Mit ihm wird der Ukraine unter anderem die Lieferung von 30 Kampfjets vom Typ F-16 zugesagt. (nak/dpa)

Rubriklistenbild: © Benoit Doppagne/dpa

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