Reform der GEAS
Einigung beim EU-Asylgipfel: Was beschlossen wurde
Beim Asylgipfel scheint der jahrelange Streit über ein EU-Asylsystem beendet. Was bedeutet die Einigung? Alle Infos zum beschlossenen Verfahren.
Luxemburg – Der Asylgipfel der EU-Innenminister ebnet erstmals den Weg für ein einheitliches Asylverfahren an EU-Außengrenzen. Seit Jahren wird in Europa um eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) gerungen. Dank der Einigung könne Europa endlich für eine verlässliche Steuerung und Ordnung der Migration sorgen und zu einer neuen, solidarischeren Migrationspolitik kommen, so Innenministerin Nancy Faeser. Doch auch nach der Einigung bleibt scharfe Kritik am einheitlichen Asylverfahren nicht aus. Wie soll die Reform des Asylverfahrens funktionieren? Und was bedeutet die Einigung? Eine Übersicht.
EU-Asylgipfel ebnet Weg für Asylverfahren: Einigung bei Reform der GEAS
Die Einigung beim Asylgipfel ermöglicht erstmals Asylverfahren an Europas Außengrenzen, damit Menschen mit geringen Aufnahmechancen erst gar nicht in die EU kommen. Dafür soll es Asylzentren in Grenznähe geben, von wo aus Migranten direkt abgeschoben werden sollen.
Italien, Griechenland und Österreich setzten sich mit der Forderung durch, abgelehnte Migranten in sogenannte sichere Drittstaaten abschieben zu können. Dazu zählen Länder wie etwa Tunesien oder Albanien. Deutschland wollte dies verhindern, wenn die Abgeschobenen keine enge Verbindung zu den Drittländern haben, etwa über ihre Familie. Nach Angaben der EU-Kommission und des schwedischen Ratsvorsitzes reicht es aber aus, wenn die Migranten lediglich durchgereist sind.
Wer ist von dem EU-Asylverfahren betroffen?
Außengrenz-Verfahren sollen vorerst nur bei Migranten aus Ländern greifen, die im EU-Schnitt eine Anerkennungsquote von unter 20 Prozent haben. Das gilt etwa für Menschen aus der Türkei, Indien, Tunesien, Serbien oder Albanien. Die Verfahren sollen höchstens zwölf Wochen dauern. Einige sind vom Asylverfahren jedoch ausgenommen. Die Mehrheit der Flüchtlinge, etwa aus Syrien, Afghanistan oder dem Sudan, soll weiter Recht auf ein normales Verfahren haben.
Grundsätzlich hat jeder, der vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in seinem Herkunftsland flieht, das Recht, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Das Recht auf Asyl ist in Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert. In Deutschland haben alle Asylsuchende das Recht auf ein Asylverfahren, in dem die individuellen Fluchtgründe sorgfältig geprüft werden. Das Recht auf Asyl ist in Deutschland durch Artikel 16a des Grundgesetzes (GG) festgelegt. Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege, Naturkatastrophen oder Perspektivlosigkeit sind damit als Gründe für eine Asylgewährung gemäß Artikel 16a GG grundsätzlich ausgeschlossen.
EU einigt sich auf Asylverfahren an Außengrenzen – Kritik nach EU-Migrationsgipfel
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Einigung in Luxemburg „historisch“. Nicht durchsetzen konnte sich Faeser allerdings mit der Forderung nach Ausnahmen für Familien mit Kindern von den Grenzverfahren. Noch nicht mal eine Handvoll Länder unterstützten die Bundesregierung. Die deutsche Forderung wurde in einer sogenannten Protokollnotiz festgehalten, einer schriftlichen Zusatzerklärung.
Doch es gibt auch Kritik an dem künftig einheitlichen EU-Asylverfahren. Der Verein Pro Asyl sprach von einem „Frontalangriff auf das Asylrecht“. Von den Ampel-Parteien sehen sich besonders die Grünen, aber auch die SPD, scharfer Kritik von Anhängern ausgesetzt. Sie fürchten eine zunehmende „Abschottung“ der EU. Besonders für die Grünen könnte der Asylkompromiss eine Zerreißprobe bedeuten. Amnesty International warnte im Fall einer deutschen Zustimmung vor einem „menschenrechtlichen Tabubruch“ gegen den Geist des Koalitionsvertrags.
Nach Asylgipfel der EU-Minister: Polen und Ungarn lehnen Reform ab
Auch Polen und Ungarn lehnen die EU-Asylreform kategorisch ab, jedoch aus anderen Grünen. Sie sollen künftig ein Zwangsgeld von 20.000 Euro für jeden Migranten zahlen, den sie nicht aufnehmen. Das Geld soll in einen Fonds fließen, aus dem Migrationsprojekte finanziert werden. Ob Warschau oder Budapest jemals zahlen, ist ungewiss.
Ungarn und Polen wollen das Thema auf dem EU-Gipfel am 29. und 30. Juni in Brüssel wieder auf den Tisch bringen. Zudem müssen sich die EU-Länder noch mit dem Europaparlament verständigen. Das gilt als sehr schwierig, da die Positionen laut Diplomaten „meilenweit“ auseinanderliegen. Die Bundesregierung drängt auf einen Abschluss der Asylreform bis zur Europawahl im Juni 2024.
GEAS bildet Grundlage für gemeinsames EU-Asylsystem
Durch die Asylpolitik der EU soll jedem Drittstaatsangehörigen, der in einem der Mitgliedstaaten internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status gewährt und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sichergestellt werden. Seit 1999 arbeitet die EU an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS). Heutiges Kernelement des gemeinsamen Systems ist die EU-weite Harmonisierung der Schutz- und Aufnahmenormen. Sie sollen sicherstellen, dass Asylsuchenden in der gesamten EU unter gleichen Bedingungen internationaler Schutz gewährt wird.
Im vergangenen Jahr gab es EU-weit rund 966.000 Asylanträge. Insgesamt wurden im Jahr 2022 in Deutschland EU-weit mit Abstand die meisten Asylanträge gestellt – insgesamt 226.467. Deutschland habe im vergangenen Jahr die höchste Zahl an Asylanträgen seit 2016 verzeichnet, berichtet die Welt am Sonntag unter Berufung auf einen vertraulichen Bericht zur Migration und Flüchtlingslage. (bohy/afp)
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