FR.de-Recherche
Erdogan-Lobbyverein UID will Antisemiten in Frankfurt sprechen lassen - harsche Kritik folgt
Abdurrahman Uzun ist islamistisch-nationalistischer Influencer in der Türkei. Er hetzt immer wieder gegen Israel und Juden. Die UID will ihn in Frankfurt sprechen lassen.
Frankfurt – Der umstrittene Verein „Union Internationaler Demokraten“ (UID) war zuletzt im Vorfeld der Türkei-Wahl im Mai aufgefallen. Über 100 Abgeordnete der Regierungspartei AKP und auch Dutzende Bürgermeister kamen nach Deutschland, um Wahlkampf zu betreiben. Organisiert wurden diese Wahlkampftouren in Moscheen, Wirtschaftsverbänden und Kulturvereinen offenbar von der UID. Nach eigenen Angaben hat die UID alleine zwischen Mitte 2021 und Ende 2022 insgesamt 670 „gemeinsame Veranstaltungen“ mit dem Moscheeverein Ditib veranstaltet. Im selben Zeitraum wurde 420 dieser Veranstaltungen gemeinsam mit dem Moscheeverein IGMG (Milli Görüş) abgehalten.
Für den 10. Dezember hat die UID in Hessen nun einen Influencer eingeladen, der regelmäßige gegen Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hetzt. Hetzenreden hält er regelmäßig zudem gegen den Westen und auch gegen Israel und Jüdinnen und Juden. „Wisst ihr, warum ich ein Feind Israels und der Juden bin, wisst ihr das? Gott hat mich im Koran den Juden, diesem Israel und diesen Zionisten zum Feind gemacht“, sagte Uzun in einem Video, das er am Donnerstag (12. Oktober) auf Facebook hochgeladen hat. „Gott hat mich im Koran diesem Stamm, diesem zionistischen Stamm zum Feind erklärt“, so Uzun in dem Video.
Im Israel-Krieg: Antisemitischer Influencer kommt nach Frankfurt - Gefahr für Jüdinnen und Juden?
Warum die UID einen Islamisten und bekennenden Antisemiten wie Abdurrahman Uzun nach Frankfurt zu einer Veranstaltung eingeladen hat, wollte und der AKP-Lobbyverein nicht sagen. Eine Anfrage von FR.de von Ippen.Media zu den Hintergründen ließ die UID unbeantwortet.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) zeigte sich empört. „Wer jemanden einlädt, der sagt ‚Wisst ihr, warum ich Israels Feind bin? Weil mich Gott dazu verpflichtet hat, der Feind Israels, der Juden und der Zionisten zu sein‘, stellt sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Solche Haltungen müssen wir ernst nehmen. Menschen, die so denken, sind eine Gefahr für Jüdinnen und Juden. Sie gefährden somit die öffentliche Sicherheit“, sagte der Präsident der DIG, Volker Beck, im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA.
Antisemitische Reden in Deutschland? Linken-Abgeordnete fordert Bundesregierung zum Handeln auf
Die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Die Linke) forderte Konsequenzen. „Ich finde es unerträglich, dass diese Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP einem bekennenden Antisemiten ein derartiges Forum bietet. Jemand wie Abdurrahman Uzun, der in sozialen Medien von sich behauptet, Feind Israels und der Juden zu sein, sollte in Deutschland seine hetzerischen Ansichten nicht predigen dürfen“, sagte Akbulut FR.de.
Die Bundesregierung müsse sich fragen lassen, wie es sein kann, dass eine derartige Person nach Deutschland reisen darf, um ihre kruden Thesen verbreiten zu können: „Auch die Tätigkeiten der UID müssen aufmerksam verfolgt werden, denn offensichtlich driftet der Erdogan-Lobbyverband immer weiter in den Bereich des Rechtsextremismus ab“.
Radikalisierungsforscher: Erdogan bietet seit Jahren Unterschlupf für Hamas
Der Türkei-Experte und Leiter des Zentrums für Radikalisierungsforschung und Prävention in Essen, Professor Burak Çopur, zeigte sich nicht verwundert, dass die UID einen Antisemiten nach Deutschland eingeladen hat. „Die Türkei unter Erdogan ist international dafür bekannt, dass sie seit Jahrzehnten die Hamas aktiv unterstützt - deren Kadern Unterschlupf bietet beziehungsweise für ranghohe Hamas-Führer auch Pässe und Personalausweise ausgestellt hat“, erklärte der Wissenschaftler auf Anfrage. „Zumal wurden Hamas-Führer wie Ismail Haniyya von Erdoğan mehrmals persönlich empfangen“.
Ein anderer Hamas-Führer, Khaled Mashal, sei auf AKP-Veranstaltungen eingeladen worden, wo er eine Rede gehalten habe und von AKP-Mitgliedern dafür frenetisch gefeiert worden sei, so Çopur. „Dass sich jetzt Erdoğan als Vermittler im Nahost-Konflikt anbietet, ist mehr als heuchlerisch und infam.“
Antisemitische Tendenzen bei UID und Grauen Wölfen - Experte für Verbot
Der Experte forderte ebenfalls Konsequenzen für die UID. „Es ist jetzt eine gute Gelegenheit, Vereine und Organisationen, mit antisemitischen Tendenzen, wie die UID oder die Grauen Wölfe, die ja bekanntlich auf pro-palästinensischen Demonstrationen mitlaufen und dort ihre antisemitischen Parolen skandieren, endlich auf den Prüfstand zu stellen. Und wenn möglich sollten diese auch verboten werden“.
Zwar wird die UID vom Bundesamt und einigen Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet, eine offene Konfrontation wurde bislang aber vermieden, stellte die Politikwissenschaftlerin Dastan Jasim vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) im Gespräch mit FR.de fest. „In manchen Städten wie in Köln oder Frankfurt versucht man Konflikte mit solchen Vereinen zu vermeiden“, erklärte Jasim. Die Wissenschaftlerin warnt davor, die Aussagen des Antisemiten zu relativieren, indem diese in einem türkischsprachigen Diskurs isoliert und geschützt werden. Gegen solche Leute könne man zum Beispiel wegen Volksverhetzung vorgehen, sagte Jasim.
Hamas-Israel-Krieg birgt Gefahr zusätzlicher Spannungen in Deutschland
Der türkische Exil-Journalist Cevheri Güven beobachtet regierungsnahe Influencer wie Uzun seit Jahren und warnt davor, dass solche UID-Veranstaltungen mit Antisemiten den sozialen Frieden stören können. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass Uzun auch in Deutschland eine polarisierende und provozierende Sprache benutzen wird. In Anbetracht seiner antisemitischen Äußerungen in der Vergangenheit könnte seine Konferenz in Deutschland in diesen Tagen des Hamas-Israel-Konflikts die Spannungen in Deutschland erhöhen“, sagte Güven er. Güven hofft, dass der Besuch von Uzun den Frieden nicht stören wird.
Zuletzt hatte CDU-Chef Friedrich Merz in seiner Rede im Bundestag ein härteres Vorgehen gegen Antisemitismus gefordert. Ob die Bundesregierung auch härter gegen Vereine wie die UID vorgehen wird, bleibt offen. Zu groß könnte die Gefahr erscheinen, damit auch auf Konfrontation mit Präsident Recep Tayyip Erdogan zu geraten. Die UID ist praktisch das Sprachrohr der türkischen Regierung in Deutschland und in vielen anderen Ländern.
Erkan Pehlivan
Rubriklistenbild: © IMAGO/Alexander Pohl