Konstruktives Gipfeltreffen
USA und China vereinbaren Militärdialog – doch dann nennt Biden Xi wieder einen „Diktator“
Der akribisch vorbereitete Gipfel zwischen US-Präsidet Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping sollte die Beziehungen stabilisieren. So vereinbarten beide, den ausgesetzten Militärdialog wieder aufzunehmen.
Der vierstündige Gipfel zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping endete mit ein paar Einigungen, die Tonlage war ruhig. Das gab Anlass zur Hoffnung, dass die USA und China bereit sind ihre Spannungen einzuhegen. Doch mit nur einem einzigen Satz könnte Biden das Tauwetter nur wenige Stunden später wieder torpediert haben. Der Präsident verließ zum Ende seiner Pressekonferenz bereits die Bühne, als ihn ein Journalist fragte, ob er Xi immer noch einen „Diktator“ nenne. „Er ist ein Diktator in dem Sinne, dass er ein kommunistisches Land anführt, das auf einer Regierungsform basiert, die sehr anders ist als unsere“, antwortete Biden. Es ist ein bisschen ein eingeschränktes Ja.
Xi gibt keine Pressekonferenzen und war daher nicht mit dabei. Doch er wäre sicher wenig begeistert. Als Biden Xi im Juni erstmals als „Diktator“ bezeichnet hatte, reagierte Peking empört. Nun bezeichnete das Außenministerium in Peking Bidens Worte als unverantwortliche politische Manipulation. „Es gibt immer Leute mit schlechten Absichten, die versuchen, einen Keil zwischen die Beziehungen zwischen China und den USA zu treiben, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Donnerstag laut Reuters. Das werde aber nicht gelingen. Bei diesem nüchternen Statement blieb es vorerst.
Wichtigstes Ergebnis: Wiederaufnahme des Militärdialogs
Ansonsten war der Plan aufgegangen, gute Absichten und eine gewisse Stabilität zu projizieren. Biden sagte auf seiner Pressekonferenz, die Gespräche hätten zu den „konstruktivsten und produktivsten“ gehört, die er je mit Xi gehabt habe. Beide kennen einander seit 12 Jahren. „Er und ich haben uns darauf geeinigt, dass jeder von uns den Hörer abnehmen und direkt anrufen kann und wir sofort gehört werden.“ Direkte Kanäle sind wichtig, wenn die Beziehungen angespannt sind, so wie im Kalten Krieg die Drähte zwischen den USA und der Sowjetunion manches Schlimmere verhinderten.
Und so ist das wichtigste Ergebnis des Gipfels die Wiederaufnahme des seit 18 Monaten eingefrorenen hochrangigen Militärdialogs. Vor allem die US-Seite hatte darauf gedrängt, um eine versehentliche Eskalation verhindern zu können. In der Taiwanstraße oder im Südchinesischen Meer kommt es immer wieder zu gefährlichen Annäherungen von Kampfjets oder Schiffen beider Staaten. Ebenfalls wieder aufgenommen werden daher Telefongespräche zwischen den Befehlshabern militärischer Einsatzgebiete in der Region sowie bilaterale Konsultationen zum Seeverkehr.
China will illegale Exporte von Fentanyl-Vorprodukten bekämpfen
Auch beschlossen Xi und Biden ein neues Dialogformat zur Künstlichen Intelligenz (KI) und mehr Direktflüge zwischen beiden Staaten. Keine Einigung gab es vorerst zu einem gemeinsamen Verbot von KI-Kampfdrohnen. Dafür stimmte China bei dem Gipfel zu, gegen den Export illegal in der Volksrepublik produzierter Fentanyl-Vorläuferchemikalien vorzugehen. Diese gehen vornehmlich an Drogenlabore in Mexiko, die daraus Fentanyl für den Schmuggel in die USA produzieren. Missbrauch des schmerzstillenden Opioids sorgt in den USA seit Jahren für eine dramatische Drogenkrise mit Hunderttausenden Toten. China hatte bisher nur die Ausfuhr des Opioids selbst kontrolliert, zum Ärger der USA. Schon direkt vor dem Gipfel hatten China und die USA zudem ihre Zusammenarbeit im Klimaschutz bekräftigt.
„Wir müssen sicherstellen, dass unsere Rivalität nicht in einen Konflikt ausartet“, sagte der US-Präsident zu Xi am Anfang des Treffens. Dazu sei es „von größter Wichtigkeit, dass Sie und ich uns klar verstehen, von Anführer zu Anführer, ohne Missverständnisse oder Fehlkommunikation.“ Xi betonte: „Für zwei große Länder wie China und die Vereinigten Staaten ist es keine Option, einander den Rücken zuzukehren.“ Konflikt und Konfrontation würden „unerträgliche Konsequenzen“ für beide Seiten haben. Es klingt ein wenig, als müssten sich beide Seiten vergewissern, dass es zu einer Koexistenz keine Alternative geben kann.
China und die USA: Jedes Wort zählt
In einer solch fragilen Situation legen Diplomaten für gewöhnlich jedes Wort auf die Goldwaage. So geschehen im vorsichtigen Statement Bidens zum Taiwan-Konflikt. Washington halte an der Ein-China-Politik fest, so Biden. „Daran wird sich nichts ändern, und das ist auch das Ausmaß, in dem wir darüber gesprochen haben.“ Kein Wort dazu, dass die USA Taiwan im Angriffsfall militärisch unterstützen würden, wie Biden es bereits mehrmals angedeutet hatte. Taiwan ist aus Chinas Sicht der wichtigste Konfliktpunkt mit den USA, auch dort beäugen beide Seiten jedes einzelne Statement. Peking beansprucht Taiwan als Teil der Volksrepublik und hat eine gewaltsame Wiedervereinigung mit der demokratisch regierten Insel nie ausgeschlossen.
Amanda Hsiao von der Denkfabrik Crisis Group begrüßte es daher, dass hochrangige Beamte der USA und auch Taiwans Vorfeld des Gipfels ihre Rhetorik bezüglich einer erwarteten chinesischen Invasion heruntergeschraubt hatten. Immer wieder hatten US-Militärs früher einen solchen Angriff in den kommenden Jahren ins Spiel gebracht. Das chinesische Transkript des Gipfels enthalte zu Taiwan erfreulicherweise „weniger Feuer und Wut“ als zuletzt, so Hsiao auf X.
Nun muss sich zeigen, ob das Tauwetter mit Peking trotz der neuerlichen „Diktator“-Aussage des US-Präsidenten trägt. Die Frage ist, ob Bidens Antwort einer seiner unbeabsichtigten Ausrutscher oder klares Kalkül war. Sicher ist, dass Biden innenpolitisch wenig Spielraum hatte: Bei einer Verneinung der „Diktator“-Frage wäre der Präsident von den China-Falken in Washington in der Luft zerrissen worden. Es könnte glimpflich ausgehen: Chinas Staatsmedien ignorierten die Bemerkung am Donnerstag, und feierten eher den konstruktiven Dialog mit den USA.
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