Antrag liegt uns vor
Aiwangers Freie Wähler beschließen Kooperationsverbot mit AfD: Sachsen-Verband kritisiert „Brandmauer“
Mit welchen Parteien sollten die Freien Wähler abseits der Union koalieren? Die AfD darf es auf keinen Fall sein, beschließt die Partei. Unklar ist die Position zur „regierungsunfähigen“ Linken.
Update vom 18. Februar: Die Freien Wähler haben auf ihrem Parteitag ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen. 92 der Delegierten stimmten einem entsprechenden Antrag zu, wie die Partei mitteilte. Die Freien Wähler in Sachsen erklärten, sie hätten den Beschluss nicht unterstützt und seien gegen eine „Brandmauer“ zur AfD.
„Den gefassten Beschluss nehmen wir zur Kenntnis, unterstützt haben wir diesen nicht“, erklärte der sächsische Landeschef der Freien Wähler, Thomas Weidinger. In einer Mitteilung erklärte die Landesvereinigung, die Freien Wähler in Sachsen positionierten sich „klar gegen das Bauen von politischen Brandmauern“.
„Hinter einer Brandmauer würden auch die Wähler der AfD verschwinden, die wir für die bürgerliche Mitte zurückgewinnen wollen“, führte Weidinger aus. Es dürfe „keine Rolle spielen, von welcher politischen Partei Anträge im sächsischen Landtag gestellt werden“.
Der Antrag stehe für „eine strikte Abgrenzung gegen die extremen politischen Ränder“, erklärte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Er hatte bei dem Parteitag für den Abgrenzungsbeschluss geworben. Er warnte dabei vor der Gefahr, dass „irgendwo ein Wildgewordener“ im Namen seiner Partei „mit der AfD in eine Koalition geht“. Denn dann würden die Freien Wähler insgesamt „in die rechte Ecke“ gestellt.
Der Beschluss verbiete eine Zusammenarbeit oder Kooperation mit der AfD, erklärte die Partei. Dies gelte „insbesondere im Hinblick auf gemeinsame Koalitionen, Fraktionsbildungen und der gegenseitigen Unterstützung von Kandidaten sowie gemeinsamen Listenaufstellungen“, wie zuvor von IPPEN.MEDIA berichtet (siehe Erstmeldung).
In Sachsen finden wie in Thüringen und Brandenburg im September Landtagswahlen statt, bei denen nach aktuellen Umfragen die AfD stärkste Kraft werden könnte. Eine Forsa-Erhebung aus dem Januar sah die Freien Wähler in Sachsen bei drei Prozent. Bei der Landtagswahl von 2019 hatten die Freien Wähler in dem Bundesland 3,4 Prozent erzielt.
Erstmeldung: Freie-Wähler-Antrag zu Kooperationsverbot mit AfD
Am 17. Februar kommen die Freien Wähler in Bitburg zum Bundesparteitag zusammen. Eigentlich soll dann vor allem das Programm zur Europawahl beschlossen werden. Vor dem Treffen beschäftigt die Partei aber hauptsächlich ein Thema: der Umgang mit der AfD.
Die Kreisvereinigung Koblenz legte einen Antrag vor, der ein Kooperationsverbot mit der AfD fordert. Demnach möge der Bundesparteitag beschließen, „dass eine Zusammenarbeit oder Kooperation der Freien Wähler mit der AfD unter keinen Umständen erlaubt ist“. Der Antrag liegt IPPEN.MEDIA vor und umfasst nicht nur Koalitionen oder Fraktionen mit der AfD, sondern auch das Unterstützen von Kandidaten der AfD für ein politisches Amt oder die Absprache der inhaltlichen Arbeit.
In dem Antrag ist von einer „Radikalisierung“ der AfD die Rede, die „eine ernstzunehmende Bedrohung für unsere demokratischen, freiheitlichen Werte“ darstelle. Die aktuellen Umfragewerte der AfD seien „mehr als besorgniserregend“. Die Freien Wähler seien daher gefordert, „eine Übernahme unseres Staates durch Systemverächter und Demokratiefeinde zu verhindern“. Abschließend heißt es: „Unser Land hat eine Geschichte, die für unermessliches Leid gesorgt und die vielen Millionen Menschen den Tod gebracht hat. Dafür trägt unsere Generation keine Schuld, wohl aber die Verantwortung, aus dieser Geschichte zu lernen und dafür zu sorgen, dass diese sich nicht wiederholt.“
„Unsere Wählerinnen und Wähler wollen Klarheit“
Initiiert hatten den Antrag die Freien Wähler Rheinland-Pfalz. Mehrere Kreisverbände der Freien Wähler unterstützen den Antrag, zudem auch die Landesvereinigung die Freien Wähler Schleswig-Holstein. Deren Landeschef Gregor Voht sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es ist sinnvoll, diesen Beschluss zu fassen. Unsere Wählerinnen und Wähler wollen Klarheit, dass die Brandmauer zur AfD steht. Die bestehenden Unvereinbarkeitsbeschlüsse werden so bekräftigt.“ Schon 2021 hatten die Freien Wähler einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die AfD gefasst. Voht ist gleichzeitig Generalsekretär der Freien Wähler und damit qua Amt der starke Mann an der Seite Hubert Aiwangers. Auch der Parteichef unterstützt den Antrag.
Auch andere Parteimitglieder aus Bayern wie der frühere Kultusminister Michael Piazolo, die stellvertretende Bundesvorsitzende Gabi Schmidt oder Bayerns Digitalminister Fabian Mehring sprachen sich bereits für den Antrag aus. „Wer wie ich den parlamentarischen Totalausfall der AfD im Bayerischen Landtag während der letzten fünf Jahre persönlich erlebt hat, weiß, dass mit dieser Truppe kein Staat zu machen ist“, sagt Mehring auf Anfrage.
Mehring bezeichnet den Antrag allerdings als unvollständig. „Ich plädiere für eine klare Abgrenzung gegen Extremisten jeder Art – ganz egal ob von links, rechts, Rassismus oder Antisemitismus.“ In diese Richtung geht auch ein weitergehender Antrag aus Birkenfeld in Rheinland-Pfalz. Darin wird nicht nur ein Kooperationsverbot mit der AfD, sondern generell mit „extremen politischen Kräften im linken und rechten Spektrum“ gefordert. „Andere“ hätten „nur noch die AfD im Blick“ und würden „auf diese wie das Kaninchen auf die Schlange starren“, heißt es. Die Freien Wähler sollten sich „gegen jede Form von Extremismus“ stellen.
Bayerns Digitalminister Mehring: „Linke gänzlich regierungsunfähig“
Für welche Parteien das Label extremistisch gilt, wird nicht beschrieben. Der Initiator des Antrags ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet. Damit bleibt auch unklar, ob eine Zusammenarbeit mit der Linken erlaubt sein soll. Die CDU/CSU hat einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluss dazu gefasst. FW-Generalsekretär Voht sagt: „Extremistisch ist, was vom Verfassungsschutz als links- oder rechtsextremistisch eingestuft wird.“ Das wird die Linke im Gegensatz zu Teilen der AfD nicht. Bayerns Digitalminister Mehring sieht eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei dennoch nicht gegeben: „Ich halte das, was von ‚Die Linke‘ übrig ist, für gänzlich regierungsunfähig und damit auch für nicht koalitionsfähig.“
Die Freien Wähler scheinen einig in der AfD-Frage. Eine Annahme des Kooperationsverbots gilt nach IPPEN.MEDIA-Informationen als sicher. Dennoch gibt es auch Gegenwind. Ein weiterer Antrag der Freien Wähler Nienburg/Weser in Niedersachsen will den Antrag zur AfD stoppen. Die AfD-Thematik würde das eigentliche Thema Europawahlprogramm überschatten „und damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt unserer Partei schaden“. Auch dieser Antrag liegt uns vor.
Der Beschluss auf dem Parteitag gilt als richtungsweisend für einen möglichen Einzug der Freien Wähler in den Bundestag. 2021 hatten sie die Fünf-Prozent-Hürde mit 2,4 Prozent noch deutlich verpasst. In aktuellen Umfragen stehen sie meist bei drei bis vier Prozent. Aiwanger will das ändern und 2025 in den Bundestag. (as)
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