Klimakonferenz COP28
Finanzierung der globalen Energiewende: Privates Geld soll es richten
Auf der COP28 wird deutlich: Die globale Energiewende kann kaum durch die öffentlichen Haushalte der Staaten allein finanziert werden. Privates Kapital wird für Investitionen dringend gebraucht.
Auf der ewigen Suche nach Geldquellen für die internationale Klimapolitik schlägt die COP28 neue Wege ein. Drehte sich die Debatte um Klimafinanzierung bisher vor allem um staatliche Mittel, rückt nun privates Kapital für die globale Energiewende in den Fokus. Unternehmen, Staaten, Stiftungen und die Finanzwirtschaft legen umfangreiche Pakete vor, die weltweit und mit einem Fokus auf Schwellen- und Entwicklungsländern den Klimaschutz voranbringen sollen. Aber auch die Kritik an diesen Plänen wird lauter.
Energiewende-Beschleuniger ETA
Am Sonntag präsentierte der US-Klimagesandte John Kerry im US-Pavillon auf dem COP-Gelände offiziell den Energy Transition Accelerator (ETA). Das ist eine Initiative des US-Außenministeriums, der Rockefeller Stiftung und der Bezos Earth Foundation. Sie bringt Industriepartner und Staaten zusammen, um über Kohlenstoffzertifikate in Schwellen- und Entwicklungsländern Kapital für den „Übergang von dreckigem Strom zu einer sauberen Energiezukunft“ zu sammeln, wie Kerry sagte.
Die Idee: Unternehmen wie Amazon, Bank of America, BCG, Morgan Stanley, Pepsico oder McDonald’s kaufen Zertifikate von den beteiligten Staaten. Interesse angemeldet haben bislang Chile, die Dominikanische Republik, Nigeria und die Philippinen. Die Konzerne nutzen die Carbon Credits für ihre Teilnahme am freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Die Staaten wiederum bekommen Kapital etwa für den Aufbau von Erneuerbaren, Stromtrassen und das Abschalten von Kohlekraftwerken. Die Projekte sollen „klare Leitplanken für ökologische Integrität“ vorweisen. Fünf Prozent der Einnahmen sollen für Anpassungsmaßnahmen und Widerstandsfähigkeit vor Ort eingesetzt werden.
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Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Climate.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte sie Climate.Table am 04. Dezember 2023.
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Bis zu 200 Milliarden Dollar im Jahr 2035 versprochen
„Diese Länder brauchen etwa 1,9 Billionen Dollar an Investitionen im Jahr“, so Andres Steer, der beim Bezos Earth Fund das Projekt vorantreibt. „Das ist siebenmal so viel, wie heute zur Verfügung steht.“ Im Jahr 2035 könnten die Zertifikate zwischen 72 und 207 Milliarden Dollar mobilisieren, heißt es. Allein damit würden sie etwa in der Größenordnung der 100 Milliarden Dollar jährlich liegen, die derzeit von den Industriestaaten den armen Ländern als Klimafinanzierung von 2020 bis 2025 versprochen worden sind.
Der ETA der US-Regierung wurde schon auf der COP27 vorgestellt und soll jetzt offiziell im nächsten Frühjahr starten. Schon damals gab es Kritik, weil sie mit den Empfehlungen des UN-Gremiums gegen Greenwashing im Finanzbereich verstieß. Nun erklärte Erika Lennon von der Entwicklungsorganisation CIEL, der Vorstoß sei „Lug und Trug“, der von der mageren Bilanz der USA bei der Klimafinanzierung ablenken solle. Die Idee setze auf Kohlenstoffmärkte, die gezeigt hätten, dass sie selbst bei hohen Standards nicht funktionierten. Und der ETA sei eine „gefährliche Ablenkung“ von der Tatsache, dass die USA der weltweit größte Öl- und Gasproduzent sind.
VAE-Investmenttopf mit 30 Milliarden
Auch die COP-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, treiben die Umstrukturierung der globalen Finanzflüsse voran. Mit dem Versprechen einer milliardenschweren Initiative für grüne Investitionen soll ein neues „katalytisches Klima-Vehikel“ als Investmentfonds namens Alterra „private Märkte in großem Maße Richtung Klima-Investitionen steuern, mit einem Fokus auf Entwicklungsländer und entstehende Märkte“, heißt es in einer Erklärung der COP-Präsidentschaft.
Der Fonds soll für diese Zwecke 30 Milliarden Dollar aufbringen, mit denen weltweit 250 Milliarden an Investitionen in kohlenstoffarme Investments ausgelöst werden sollen. Alterra werde das „weltweit größte private Investmentvehikel für Klimaschutz“, hieß es. Es solle „die internationalen Anstrengungen vorantreiben, ein gerechteres Klimafinanzsystem zu schaffen, mit der Betonung auf besseren Zugang zu Finanzen durch den Globalen Süden“.
Es soll eine besondere öffentlich-rechtliche Kooperation werden, in einem Land, dessen Ölkonzern Adnoc ein Staatsunternehmen ist. Dessen Vorstand und derzeitiger COP-Präsident Sultan Al Jaber soll Alterra als Aufsichtsratsvorsitzender kontrollieren. Majid Al Suwaidi, Generaldirektor der COP28, soll das Unternehmen als Vorstandschef führen. Er versammelt ein Team von „Spezialisten für Klimafinanzierung“ für Schwellen- und Entwicklungsländer. Unternehmenssitz ist Abu Dhabi.
Als private Partner sind die Investitionsfonds BlackRock, Brookfield und TPG an Bord. Zusammen mit ihnen hat Alterra laut offiziellen Angaben bislang 6,5 Milliarden Dollar an Kapital an „Klima-ausgerichteten Fonds für globale Investments, einschließlich des Globalen Südens“ aufgebracht. Außerdem soll weiteres Kapital „von anderen institutionellen Investoren und globalen Einrichtungen“ aufgebracht werden. Die Konstruktion werde „eine transformative Lösung sein, um privates Kapital anzuziehen“, so Sultan Al Jaber.
25 Milliarden überall, fünf Milliarden für arme Länder
Alterra soll sich in zwei Bereiche gliedern. „Alterra Acceleration“ soll mit 25 Milliarden Dollar Kapital in umfangreiche Klimainvestitionen leiten, die die beste Chance haben, den Übergang zu Netto-Null und klimafreundlicher Wirtschaft zu beschleunigen. Der Bereich soll „Anker-Investor“ sein, direkt investieren und in Partnerschaften in Industrie- und Schwellenländern sein Geld anlegen.
„Alterra Transformation“ dagegen, der zweite und mit fünf Milliarden Kapital deutlich kleinere Teil des Unternehmens, soll „Risiko-Minimierungskapital“ aufbringen. Damit soll es Investitionsflüsse in den Globalen Süden anregen. Damit sollen die heutigen Hindernisse für solche Investitionen umgangen werden. Die Abteilung will auch „Möglichkeiten schaffen, um verbilligte Kredite (concessional finance) zu hebeln, um Investitionen in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselstaaten (LDCs und SIDS) zu ermöglichen.“
An diesem Projekt gibt es Fragezeichen von der Klimaschutzgruppe 350.org. Das sei „im Prinzip ein Schritt in die richtige Richtung“, brauche aber eine genaue Untersuchung, so Andreas Sieber von der Initiative. Die Mehrzahl der angekündigten 30 Milliarden solle aber zu Marktkonditionen vergeben werden, es fehle an Sicherheiten, dass das in den Empfängerländern nicht zu weiterer Verschuldung führe oder etwa in CCS-Techniken fließe.
Ministerin Schulze für private Finanzierung
Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sieht den Bedarf, dass ein „Umschichten der Billionen“, nötig für die globale Energiewende, nicht allein aus den Staatshaushalten zu leisten ist. „Wirksamer Klimaschutz braucht vor allem privates Kapital“, sagte die Ministerin zu Table.Media. „Wir können das nicht nur öffentlich finanzieren. Für die globalen Aufgaben zu Klima und Armutsbekämpfung brauchen wir viel mehr Kapital. Umso wichtiger ist es, mit den richtigen Rahmenbedingungen privates Geld da an Bord zu kriegen, wo es Geschäftsmodelle gibt. Damit kann man die knappen öffentlichen Kassen entlasten.“
Brasilien mit Fonds für „ewigen Wald“
Auch Brasilien schlägt vor, eine internationale Finanzierung für Waldschutz und nachhaltige Entwicklung aufzubauen. Anders als der Amazonas-Fonds, aus dem Staaten wie Norwegen oder Deutschland bereits Maßnahmen gegen die Entwaldung finanzieren, solle der neue „Tropische Wälder für immer-Fonds“ den Erhalt des stehenden Waldes sichern. Internationale Geldgeber, vor allem staatliche Vermögensfonds, sollten über eine Finanzinstitution als Zwischenstelle Kapital anlegen, mit dessen Rendite Waldschutz in Brasilien und anderen Staaten finanziert werden solle (Details in unserer zweiten Analyse).
15,8 Milliarden für JETP in Vietnam
Auch die globalen Energiewendepartnerschaften JETP bringen internationales Kapital für Schwellenländer zusammen. Dieses Geld besteht aus öffentlichen Mitteln der Industrieländer und günstigen Krediten von privaten Geldhäusern. Nach Partnerschaften mit Südafrika, Indonesien und Senegal hat jetzt auch Vietnam auf der COP28 seinen konkreten Bedarf an Finanzierung angemeldet. Demnach sollen 15,8 Milliarden Dollar in die Energiewende fließen, die internationalen Partner, vor allem die EU, übernehmen davon gut acht Milliarden. Die Verhandlungen hatten etwa ein Jahr gedauert.
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