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Gefangen genommene Söldner

Chinesische Soldaten im Ukraine-Krieg: So unterstützt Peking Russlands Angriffskrieg

Die Ukraine hat ein Video von einem chinesischen Soldaten veröffentlicht. Es erinnert an Aufnahmen gefangener Nordkoreaner. Doch es gibt einen Unterschied.

Der junge Mann trägt eine Jacke in Tarnfarben, seine Hände sind mit rotem Kabelbinder gefesselt. Er gestikuliert wild, spricht eine Mischung aus Chinesisch und Englisch. „Und dann hat mein Kommandeur ... Bumm!“, sagt er, wirft sich auf den Boden, imitiert Schmerzensschreie. Wovon der Mann genau spricht, ist unklar.

Nur 23 Sekunden ist das Video lang, das der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstagnachmittag bei X veröffentlicht hat. Es soll, so Selenskyj, einen von zwei chinesischen Soldaten zeigen, die im Ukraine-Krieg für Russland gekämpft hätten und nun gefangengenommen worden seien. Unabhängig verifizieren lässt sich das nicht.

Das Video erinnert allerdings an andere Aufnahmen, die Anfang des Jahres von der Ukraine präsentiert worden waren. Darauf zu sehen: zwei verwundete Kriegsgefangene, angeblich aus Nordkorea, die ebenfalls für Putins Armee gekämpft haben sollen. Die beiden Nordkoreaner wurden ukrainischen Angaben zufolge in der russischen Region Kursk gefangengenommen, die seinerzeit zu großen Teilen von der Ukraine besetzt war.

Chinesische Soldaten im Ukraine-Krieg: „Das ist auf ukrainischem Territorium passiert“

Die chinesischen Soldaten sollen von der ukrainischen Armee nun in der Region Donezk aufgegriffen worden sein. „Das ist auf ukrainischem Territorium passiert“, schreibt Selenskyj bei X. Und noch einen Unterschied gibt es wohl zu den Soldaten aus Nordkorea, die zu Tausenden auf Befehl von Diktator Kim Jong-un in den Ukraine-Krieg geschickt wurden: Laut Andriy Kovalenko, einem Mitglied des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, handelt es sich bei den gefangenen Chinesen um Söldner. Sie kämpfen also nicht im Auftrag Pekings in diesem Krieg.

Laut Wolodymyr Selenskyj hat die ukrainische Regierung „Informationen darüber, dass es weitaus mehr solcher Bürger Chinas in den Einheiten der Besatzer gibt“. Später sprach er von insgesamt 155 chinesischen Soldaten auf russischer Seite. Peking wies diese Behauptung als „gegenstandslos“ zurück. China habe seine Bürger stets aufgefordert, Gebiete mit bewaffneten Konflikten zu meiden und „insbesondere nicht an militärischen Operationen einer Partei teilzunehmen“, sagte Lin Jian, ein Sprecher des Außenamts. Dennoch werde man die Berichte prüfen.

Russland hat sich bislang nicht zum angeblichen Einsatz chinesischer Staatsbürger in seiner Armee geäußert; die Nachrichtenagentur Tass berichtete am Mittwoch zunächst nur über die Reaktion aus Peking. Aus Washington hieß es, die Berichte seien „verstörend“. Ob man sie verifizieren könne, ließ die US-Regierung offen.

Tausende Soldaten sollen im Ukraine-Krieg kämpfen – auf beiden Seiten

Was bekannt ist: Im Ukraine-Krieg kämpfen auf beiden Seiten Tausende Söldner. Bis zu 20.000 Mann sollen es laut Kiew alleine bei den ukrainischen Streitkräften sein. Zu Beginn des Krieges schlossen sich beispielsweise mehrere Taiwaner den ukrainischen Truppen an, oftmals aus Verbundenheit mit dem bedrängten Land – schließlich wird auch Taiwan von einem großen Nachbarstaat bedroht. „Wenn China angreift, ergeht es Taiwan noch schlechter als heute der Ukraine“, sagte damals ein taiwanischer Freiwilliger unserer Redaktion.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Die Chinesen, die nun offenbar für Russland in den Krieg ziehen, tun das wohl zumindest teilweise aus Verbundenheit mit dem Kreml. „Viele Chinesen denken, wenn man Russland hilft, hilft man irgendwie auch China“, zitierte das Handelsblatt unlängst einen Söldner aus der Volksrepublik. Der Mann behauptete, chinesische Kämpfer im Dienste Russlands bekämen im Monat zwischen 2200 und 2800 Euro Sold – für chinesische Verhältnisse viel Geld. Der französischen Tageszeitung Le Monde sagte ein ehemaliger chinesischer Söldner vor Kurzem, er habe etwa 1900 Euro im Monat erhalten. Der 37-Jährige, der sich selbst „Fen“ nennt, behauptete zudem, dass im Ukraine-Krieg einige hundert seiner Landsleute für Russlands kämpfen würden.

China unterstützt Russlands Krieg gegen die Ukraine

Einige von ihnen sind offenbar bereits gefallen, so berichtete „Fen“ von einem an der Front getöteten Kameraden. Anfang dieses Jahres schrieb zudem die französische Seite Intelligence Online von zehn toten Chinesen. Dem Bericht zufolge hat sich die chinesische Botschaft in Moskau bereits an das russische Außenministerium gewandt, um genaue Informationen über die Zahl chinesischer Staatsbürger in Russlands Armee zu erhalten – ohne Erfolg.

Es wäre ein Anzeichen dafür, dass Peking keine Ahnung hat, wie viele Chinesen sich dem Kreml-Heer angeschlossen haben. Und das, obwohl Peking und Moskau seit Kriegsbeginn so eng sind wie seit Jahren nicht mehr. So unterstützt China den russischen Feldzug gegen die Ukraine nicht nur diplomatisch, sondern auch mit der Lieferung von kriegswichtigen Dual-Use-Gütern. Schon in vier Wochen will zudem Xi Jinping erneut nach Moskau reisen. Es wäre eine gute Gelegenheit, um den Kreml-Herrscher nach den chinesischen Kämpfern zu befragen.

Rubriklistenbild: © AFP/Imago (Montage)

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