Umgehung westlicher Sanktionen
Chinas Metropole Hongkong: Handelsdrehscheibe für Russland-Geschäfte im Ukraine-Krieg
Die Russland-Sanktionen werden sowohl von Hongkong als auch von China abgelehnt. Schattenfirmen nutzen das für Handel mit sanktionierter Ware.
Sanktionierte Chips, Drohnen und andere Technologien aus dem Westen gelangen auch im Ukraine-Krieg immer wieder nach Russland. Ein globales Netz undurchsichtiger Vertriebskanäle hilft Moskau dabei, die westlichen Strafmaßnahmen zu umgehen. Ein zentraler Umschlagplatz für solche Geschäfte ist Hongkong, wo viele der beteiligten Schattenfirmen registriert sind. Zwar sei der Versand von Halbleitern und anderen verbotenen Waren über China und Hongkong in diesem Jahr um ein Fünftel zurückgegangen, berichtet Reuters unter Berufung auf unveröffentlichte Daten des US-Handelsministeriums. Doch Hongkong sei nach wie vor ein globaler Hotspot für die Umgehung der Russland-Sanktionen. Laut dem US-Sender CNN haben die USA und die EU deswegen Dutzende von Unternehmen in Hongkong und China sanktioniert.
Die einstige britische Kronkolonie Hongkong ist heute eine Sonderverwaltungszone Chinas und agiert immer mehr im Einklang mit Peking. Ebenso wie China lehnt Hongkongs Regierungschef John Lee unilaterale Sanktionen wie jene der USA gegen Russland ab. im Oktober 2022 sagte er, dass Hongkong werde solche Sanktionen auch nicht umsetzen werde. Ende Juli reiste daher eigens der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in die Stadt, direkt nach seiner Begegnung mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi. Kuleba forderte bei seinem Treffen mit Lee, dass Hongkong den illegitimen Russlandhandel stoppe. Das sei nötig, um „das Potenzial Russlands zu schwächen, in der Ukraine Krieg zu führen und Menschen zu töten“, sagte Kuleba.
Hongkongs Regierung hielt sich nach dem Treffen bedeckt. In Mails an Reuters und Bloomberg betonte sie, „die Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen anzuwenden und strikt durchzusetzen“. Der UN-Sicherheitsrat erlässt allerdings ohnehin keine Sanktionen, da Russland diese mit seinem Veto stets verhindert. Immerhin weitete China kürzlich die Exportbeschränkungen auf eine Reihe von Drohnen und Drohnenteilen mit potenziellen militärischen Anwendungen aus.
Ukraine-Krieg: Kuleba fordert in Hongkong Maßnahmen gegen illegalen Russlandhandel
Zwei umfangreiche Recherchen haben nun Details des Schattenhandels durch die Metropole ausgegraben. Die New York Times berichtete kürzlich, dass Russland seit Kriegsbeginn für fast vier Milliarden US-Dollar verbotene Chips von mehr als 6000 Firmen erworben habe, darunter viele Hongkonger Briefkastenfirmen. Eine am vergangenen Montag veröffentlichte Studie des Committee for Freedom in Hong Kong fand zudem heraus, dass über die Handelsmetropole verbotene Waren nicht nur nach Russland, sondern auch seit Jahren nach Iran und Nordkorea geflossen sind.
Die Briefkastenfirmen profitieren laut der Studie dabei von Hongkongs ultraliberalen Wirtschaftsgesetzen, die „es einfach machen, die Namen der Firmeninhaber zu verschleiern sowie Unternehmen schnell zu gründen und wieder aufzulösen“. John Lees Ansage, die Sanktionen nicht umzusetzen, habe zudem „illegalen Anbietern grünes Licht gegeben, sich in der Stadt niederzulassen. Viele haben dies getan, von russischen Tankerbesitzern bis hin zu iranischen Exporteuren von Drohnentechnologie.“
Schattenfirmen in Hongkong: Verdeckte Geschäfte mit Russland
Seit Kriegsbeginn laufen Teile des russischen Ölgeschäfts über Schattentanker, deren meist verdeckt agierende Eigner in Hongkong oder dem Nahen Osten logieren. Auch enthüllte die Studie die verborgenen Geschäfte so mancher offiziell harmlosen Firma. Ein Beispiel: Das Unternehmen Piraclinos Limited gebe sich als Händler für Dünger und Holzkohle aus, doch „Zollunterlagen zeigen, dass es integrierte Schaltkreise im Wert von Millionen US-Dollar an das sanktionierte russische Unternehmen VMK geliefert hat“.
Die westlichen Verbündeten der Ukraine haben etwa 50 zivil und militärisch nutzbare „Dual Use“-Güter als „hochprioritär“ definiert, da sie für die Herstellung von Waffen wie Raketen, Drohnen und Panzern unerlässlich sind. Bis Ende 2023 entfielen fast 40 Prozent der von Hongkong nach Russland verschifften Fracht laut der Studie auf solche besonders relevanten Güter.
Briefkastenfirmen im Büroturm gehören russischen Oligarchen
Die New York Times konzentrierte sich auf das Beispiel eines Bürogebäudes in dem einst für getrockneten Fisch und traditionelle Medizin bekannten Viertel Sheung Wan. Hinter einer Bürotür am Bonham Strand 135 verbergen sich demnach vier Briefkastenfirmen im Besitz russischer Oligarchen, die mit der russischen Militärindustrie in Verbindung stehen. „Diese nutzten undurchsichtige Offshore-Eigentumsstrukturen, verzahnt mit Holdinggesellschaften auf den britischen Jungferninseln und Zypern“, wie aus dem Hongkonger Firmenregister hervorgehe. „Die Anteile an den Unternehmen wurden wie Baseballtickets zwischen russischen Geschäftsleuten mit Adressen in Wien, Tel Aviv und Paris übertragen.“
Vielfach gehe es bei den dunklen Geschäften Richtung Russland um Halbleiter, schreibt die Zeitung. So habe der russische Marschflugkörper Kh-101, der Anfang Juli ein Kinderkrankenhaus in Kiew traf, elektronische Bauteile von US-Chipherstellern enthalten, berichteten die Autoren unter Berufung auf die ukrainische Anti-Korruptionsbehörde. Nach Angaben der Semiconductor Industry Alliance durchlaufen 29 Prozent aller weltweit gehandelten Halbleiter China. Mittendrin: die Briefkastenfirmen in Hongkong.
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