Gipfel in Washington
China im Visier: Joe Biden schmiedet neue Allianzen im Pazifik
Kleine Staaten, großes Interesse: Die USA und China buhlen um die Gunst der pazifischen Inselnationen. Jetzt nimmt Washington zu zwei von ihnen erstmals diplomatische Beziehungen auf.
Es gibt nicht viele Länder auf der Welt, mit denen die USA keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Das wohl prominenteste Beispiel ist die von China als abtrünnige Provinz betrachtete Inselrepublik Taiwan. Dass die USA und Taiwan nur über inoffizielle Kanäle miteinander kommunizieren, wird sich so schnell nicht ändern. An einer anderen diplomatischen Front aber tut sich etwas.
Denn mit Beginn dieser Woche verschwanden zwei weiße Flecken auf der diplomatischen Weltkarte der USA: Am Montag nahm Washington diplomatische Beziehungen mit Niue und den Cookinseln auf, zwei kleinen Inselstaaten östlich von Australien. Das US-Außenministerium sprach anschließend von „gemeinsamen Werten“, „geteilten Prioritäten“ und der Notwendigkeit, Bedrohungen wie dem Klimawandel gemeinschaftlich zu begegnen. Über allem aber dürfte aus US-Sicht etwas anderes stehen: die Konkurrenz mit China, der zweiten Pazifikmacht, die derzeit versucht, in der Region ihr Territorium abzustecken.
China und USA ringen um Vorherrschaft im Pazifik
Insgesamt nur rund 17.000 Menschen leben auf Niue und den Cookinseln. Beide Länder sind zudem keine Mitglieder der Vereinten Nationen und politisch abhängig von Neuseeland, das die Außen- und Verteidigungspolitik der Mini-Nationen mitbestimmt. Keine politischen Schwergewichte also, für die USA aber dennoch wichtig. Denn die kleinen Inselchen und ihre vorgelagerten Wirtschaftszonen erstrecken sich über Tausende Quadratkilometer im Südpazifik. Es ist eine Region, die von den USA lange vernachlässigt wurde, die US-Präsident Joe Biden aber nun wieder in den Blick nimmt. Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Niue und den Cookinseln mache ihn „stolz“ und trage dazu bei, den Indopazifik „frei und offen“ zu halten, sagte Biden.
Wie wichtig ihm die pazifischen Inselstaaten sind, zeigt sich auch daran, dass der US-Präsident diese Woche deren Vertreter bereits zum zweiten Mal ins Weiße Haus lud. Das Treffen mit den Repräsentanten der 18 Staaten, die im Regionalverbund Pacific Islands Forum organisiert sind, war eine Mischung aus Realpolitik und Charmeoffensive. Bereits am Wochenende informierten sich die Insel-Abgesandten in Baltimore über Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Fischerei, außerdem besuchte man gemeinsam ein Football-Spiel.
Biden versprach zudem 200 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern, die unter anderem für die Beseitigung von Schäden, die der Klimawandel verursacht hat, gedacht sind. Allerdings muss der US-Kongress die Gelder noch freigeben – ebenso wie jene 810 Millionen, die Biden bereits im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Benötigt wird das Geld dringend: Viele der pazifischen Inselstaaten werden vom steigenden Meeresspiegel in ihrer Existenz bedroht.
Salomonen zeigen USA die kalte Schulter
Nicht dabei in Washington war am Montag Manasseh Sogavare, der Premierminister der Salomonen. Das Land, das nordöstlich von Australien liegt, hatte im vergangenen Jahr ein Sicherheitsabkommen mit China geschlossen, das unter anderem eine Kooperation im Polizeibereich vorsieht. Auch Sato Kilman, der neue Premierminister von Vanuatu, schickte nur seinen Außenminister zum Treffen mit Biden. Im August hatte China, der größte Kreditgeber von Vanuatu, Polizisten und Ausrüstung in das 300.000-Einwohner-Land gesendet, nachdem dort eine politische Krise ausgebrochen war. Die USA sind für viele Länder längst nicht mehr die erste Wahl, wenn es um die Suche nach Verbündeten geht.
Doch die Amerikaner schaffen zunehmend Fakten. Im kommenden Jahr will Washington eine Botschaft in Vanuatu errichten, auch Kiribati soll eine amerikanische Vertretung bekommen. Bereits Anfang des Jahres hatten die USA diplomatisches Personal nach Tonga und auf die Salomonen entsandt. China zeigt dort allerdings schon seit Jahren Präsenz. Mit Palau und Mikronesien wurden zudem Abkommen verlängert, die den USA Zugang zu den dortigen Militäreinrichtungen gewähren und den Inselstaaten im Gegenzug unter anderem wirtschaftliche Hilfen bieten. Einem Medienbericht zufolge wollen die USA auf Palau zudem das Flugabwehrraketen-System „Patriot“ installieren.
In China gibt man sich von der amerikanischen Pazifik-Offensive unbeeindruckt. Das chinesische Propagandablatt Global Times warf den USA am Montag vor, lediglich „leere Versprechungen“ zu machen. Während Peking die Sorgen der Pazifikinseln Ernst nehme, „fördern die USA unter dem Deckmantel der Hilfe ihre eigene Ideologie“. Washington wolle „die pazifischen Inselstaaten zu Spielbällen der USA machen“.