Projekt „Guowang“
Nach Elon Musks Starlink-Erfolg im Ukraine-Krieg: China baut eigenes Satelliten-Internet
China treibt seine Pläne für ein eigenes Satelliten-Internet voran. Vorbild ist das Starlink-System des US-Unternehmens SpaceX. Darin sieht Peking eine Gefahr für die nationale Sicherheit.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 3. Juli 2023.
Peking – Als Reaktion auf das Starlink-System des US-Milliardärs Elon Musk beginnt China mit dem Bau eines eigenen Satellitennetzes für schnelles Internet aus dem All. Chinesische Staatsmedien berichteten, dass Mitte Juni erstmals eine Internetverbindung von einem Schiff im Südchinesischen Meer zu insgesamt 14 Satelliten erfolgreich hergestellt wurde. Das chinesische Satelliten-Unternehmen GalaxySpace hatte die Flugkörper zuvor in eine niedrige Erdumlaufbahn gebracht.
Der Test zeigt, dass China seine Pläne für eine Starlink-Alternative erstaunlich schnell vorantreibt. Vor zwei Jahren kam erstmals heraus, dass Peking eine Konstellation von fast 13.000 erdnahen Satelliten aufbauen möchte, die eines Tages Internet rund um den Globus liefern sollen. Berichte bezeichnen das System als „GW“ oder „Guowang“.
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Das amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX betreibt Starlink, ein Netzwerk, das seit 2020 weltweiten Internetzugang in mehreren Ausbaustufen bietet. Starlink richtet sich hauptsächlich an Regionen, in denen bisher keine oder nur unzureichende Internetverbindungen verfügbar sind. Mit derzeit 3.700 aktiven Starlink-Satelliten im Erdorbit ist SpaceX der größte Satellitenbetreiber weltweit. Die Anzahl der Starlink-Satelliten soll in den kommenden Jahren weiter rasant ansteigen.
China sieht Gefahr für nationale Sicherheit
China will unbedingt auf diesen Zug aufspringen. Es erkennt, was für ein mächtiges Instrument ihm zur Verfügung stehen könnte. Chinesische Forscher haben sich intensiv mit den Risiken beschäftigt, die das SpaceX-System für die nationale Sicherheit Chinas darstellen könnte. Sie untersuchen auch, wie man von einem unabhängigen Satelliten-Internet profitieren könnte.
Die Chinesen sehen eine mögliche Gefahr darin, dass das US-Militär das Starlink-System im Konfliktfall zu seinen Gunsten nutzen könnte. Der Krieg in der Ukraine hat demonstriert, was mit Starlink möglich ist. Das satellitengestützte Internet ermöglicht den ukrainischen Truppen eine äußerst zuverlässige Kommunikation und Aufklärung zu relativ geringen Kosten.
Auch Taiwan denkt über eigenes Starlink nach
So ist es nicht verwunderlich, dass Taiwan nach dem Erfolg von Starlink in der Ukraine im vergangenen Dezember ankündigte, ein eigenes Satelliteninternet starten zu wollen. Im Falle eines Angriffs durch China wäre es dann weniger verwundbar. Denn durch das Internet aus dem All könnte man eventuell zerstörte Unterseekabel kompensieren.
„Die Starlink-Konstellation hat ihre militärischen Einsatzmöglichkeiten im Russland-Ukraine-Konflikt unter Beweis gestellt“, zitierte die Washington Post kürzlich einen Pekinger Wissenschaftler, der mit den chinesischen Forschungen vertraut ist. Der Fokus in China liegt nun darauf, die Entwicklung einer eigenen Konstellation voranzutreiben und Abwehrmaßnahmen gegen fremde Starlink-Satelliten zu erforschen. In Peking denkt man sogar schon über Möglichkeiten nach, Starlink im Konfliktfall unbrauchbar zu machen. Vor allem möchte man so schnell wie möglich ein eigenes Netz chinesischer Minisatelliten ins All schicken.
Afrika als möglicher Abnehmer für Chinas Starlink-Alternative
Dabei geht es auch um die Erschließung eines großen Marktes außerhalb der eigenen Landesgrenzen. Analystin Juliana Suess vom britischen Verteidigungs-Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) glaubt, dass sich künftig vor allem afrikanische Länder für das chinesische Satelliten-Internet interessieren könnten.
Schließlich haben chinesische Unternehmen auch einen Großteil der übrigen Kommunikationsinfrastruktur auf dem Kontinent bereitgestellt. China hat rund 70 Prozent des afrikanischen 4G-Netzes errichtet. Laut Suess könnte Peking eine eigene Satellitenkonstellation als Softpower-Instrument nutzen, da es Informationsflüsse kontrollieren könnte. So könnte man das Internet aus dem All weltweit ähnlich zensieren, wie es in China bereits jetzt mit dem herkömmlichen Internet der Fall ist.