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Mühsame Reise durch Lateinamerika

Flucht aus China in die USA: Landsmann nimmt illegal Eingewanderte in New Yorker Mietshaus auf

Grenzzaun in Tijuana zwischen Mexiko und den USA im Hintergrund.
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Grenzzaun in Tijuana zwischen Mexiko und den USA: Immer mehr Chines:innen kommen über diese Grenze illegal in die USA

Die Zahl illegal eingereister Chines:innen in die USA nimmt dramatisch zu. Der einst selbst geflüchtete Ma Ju bietet Landsleuten in New York Unterschlupf und kennt den Gemütszustand der Neuankömmlinge.

Die Hilfsbereitschaft des wohlhabenden Ma Ju hat sich herumgesprochen. Ma, ein chinesischer Staatsbürger der muslimischen Hui-Ethnie, lebt in den USA und beherbergt seit Dezember vergangenen Jahres in einem angemieteten Haus im New Yorker Stadtteil Queens chinesische Flüchtlinge. Ma hat in den vergangenen elf Monaten mehr als 200 Menschen aufgenommen: Uiguren, Hui- oder Dong-, aber auch zahlreiche Angehörige der dominierenden Han-Ethnie, die alle aus ihrer Heimat geflohen sind. Mal aus politischen, mal aus wirtschaftlichen Gründen. Zurzeit wohnen 17 Menschen in der New Yorker Bleibe, ein paar mehr als sonst üblich.

Alle Bewohner:innen sind während der vergangenen Monate über die Mittelamerika-Route illegal in die Vereinigten Staaten gelangt, um dort politisches Asyl zu beantragen. Nach dem Grenzübertritt wurden sie festgenommen und für einige Tage, manchmal einige Wochen festgehalten. Nach ihrer Freilassung beginnt die lange Zeit des Wartens. Die Bewilligung kann sich über Jahre hinziehen. Viele gehen nach Kalifornien oder nach New York – in der Hoffnung, in den liberaleren Bundesstaaten der USA Landsleute und so besseren Anschluss zu finden.

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Zwei Wochen lang kostenlos ein Bett bei Ma Ju

In Queens finden die Geflüchteten Zeit, um den Start in ein neues Leben zu planen. Wer eine Unterkunft benötigt, dem gewährt Ma zwei Wochen lang kostenlos ein Bett und ausreichend Lebensmittel. Wer länger bleiben möchte, muss sich finanziell an den Unkosten beteiligen. Nach zwei Monaten müssen alle Platz machen für neue Ankommende.

Ma steht als Ratgeber bereit, vermittelt Jobs oder Kontakte zu Anwälten, die die Asylverfahren begleiten. „Ich kläre die Leute über ihre Rechte auf, die sie in den USA genießen, aber auch darüber, wo ihre Rechte enden“, sagt Ma im Videogespräch mit Table.Media. Viele begriffen erst nach und nach, was es überhaupt bedeute, in einem demokratischen Staat zu leben. „Manche benötigen eine Weile, ehe sie sich trauen, ihre Rechte einzufordern. Das sind sie aus China nicht gewöhnt“, sagt Ma.

Auch Ma selbst hat 2019 politisches Asyl in den USA beantragt – bislang noch ohne Ergebnis. Er kam gut betucht samt Visum im Pass mit dem Flugzeug aus Dubai. Sein Vermögen hatte er als Unternehmer im Bergbau gemacht. Eine Rückkehr nach China kommt für ihn nicht infrage, weil er dort 2009 als einflussreicher, muslimischer Geschäftsmann verdächtigt wurde, uigurische Terrorist:innen zu unterstützen.

Aus China in den USA geflüchtet: 24.000 Festnahmen seit Herbst 2022

Die Chancen auf einen positiven Bescheid stehen laut der Nichtregierungsorganisation Political Asylum USA nicht allzu schlecht für chinesische Staatsbürger:innen. Politische Repressionen und mangelnde religiöse Freiheit gelten in den USA als akzeptierte Gründe, um aus China fliehen zu wollen. Das Rechtsnetzwerk Nolo rät den Antragsstellenden, deutlich darzustellen, wie der persönliche „geschützte Grund“ verletzt oder bedroht wurde, und weshalb die Betreffenden Angst haben, nach China zurückzukehren.

Tatsächlich ist die Zahl der Asylsuchenden aus China in den USA in jüngster Zeit drastisch gestiegen. Die US-Behörden meldeten im September mehr als 4.000 Festnahmen chinesischer Staatsangehöriger – 70 Prozent mehr als im August. 24.000 waren es insgesamt, die seit Herbst 2022 aufgegriffen wurden.

Medienberichte lassen darauf schließen, dass viele Geflüchtete aus wirtschaftlichen und politischen Gründen ihre Heimat verlassen haben. Viele klagen darüber, dass ihnen Bürokratie und Sicherheitsbehörden keinen Spielraum ließen, um sich selbst zu helfen. Auch die brutale Durchsetzung der Corona-Maßnahmen hat die Zahl der Geflüchteten nach oben getrieben.

Anleitungen für Flüchtlinge über Tiktok

„In den vergangenen Jahren ist vielen Menschen klar geworden, wie gnadenlos das System mit ihnen umgeht“, sagt der chinesische Exilant Teng Biao, der sich bis zum Aufstieg von Xi Jinpings an die Parteispitze als Bürgerrechtler für politischen Wandel in China eingesetzt hatte. Vor allem die junge Generation verliere zusehends die Hoffnung, sagt Teng.

Über die Video-App Tiktok gibt es Anleitungen auf Mandarin, wie man als Geflüchteter die beschwerliche Reise von Südamerika bis an die US-Grenze zurücklegen kann – und wie man sich dort am besten verhält, um schließlich in den USA festgenommen zu werden. Viele der illegal Einreisenden landen zunächst in Ecuador, wo sie kein Visum benötigen. Von dort aus machen sich dann mithilfe von Schleusern auf den Tausende Kilometer langen Landweg durch Süd- und Mittelamerika. Neu ist das Phänomen zwar nicht, die jüngst wieder drastisch steigenden Zahlen sind jedoch markant.

Chines:innen bilden schon seit den 1990-er Jahren eine der größten Gruppen, die in den USA politisches Asyl beantragen. Zwischen 2009 und 2011 stammte sogar jeder dritte Antrag von einem chinesischen Staatsbürger oder einer Staatsbürgerin.

Bei manchen tritt Ernüchterung ein

Während der Covid-Beschränkungen waren die Geflüchtetenzahlen hingegen deutlich geringer. Von Januar 2020 bis Dezember 2021 wurden durchschnittlich nur 54 chinesische Staatsangehörige pro Monat an der Südgrenze aufgegriffen. Erst seit Mai 2022 stieg die Zahl wieder auf mehr als 200. Seit Dezember 2022, als die Corona-Maßnahmen in China beendet wurden, sind es monatlich im Durchschnitt 2.145 Menschen.

Allein wirtschaftliche Gründe anzugeben im Asylverfahren, reicht jedoch kaum aus. Das sagt auch Ma Ju seinen Gästen in Queens. Er erklärt ihnen auch, dass die USA kein Paradies seien, sondern das Überleben teilweise sehr hart werden kann. „Manche Flüchtlinge sind ernüchtert, wenn sie feststellen, dass die Lebenshaltungskosten in den USA sehr hoch sind und es nicht leicht ist, umgehend gutbezahlte Jobs zu finden.“

Jene, die in China wirklich Angst um ihre Freiheit und Gesundheit haben, würden diese Herausforderung vollen Mutes angehen. Andere aber, die auf Wohlstand im Handumdrehen hoffen, würden desillusioniert. Ma erinnert sich an einen Geflohenen, der nach zwei Monaten im Land entschied, nach China zurückzukehren. Wie er dort empfangen wurde von den örtlichen Behörden, weiß Ma nicht. Der Kontakt zu dem Mann ist abgebrochen.

China lehnt Aufnahme von Abgeschobenen oft ab

Abschiebungen sind dagegen selten erfolgreich, weil China die Rückkehr von Geflüchteten sehr häufig ablehnt. Die Menschen sind dann in den USA gestrandet, haben keine Sozialversicherungsnummer und dürfen offiziell nicht arbeiten. Interessiert an einer Rückkehr sind Chinas Behörden allerdings dann, wenn es sich bei den Geflüchteten um Beamte und Parteikader handelt.

Im Rahmen der Operation Foxhunt, die 2014 von der chinesischen Regierung lanciert wurde, bewegten chinesische Agenten und Sicherheitskräfte weltweit Hunderte chinesischer Funktionäre zu deren vermeintlich „freiwilliger“ Rückkehr in die Volksrepublik, nachdem sie zuvor aus ihrer Heimat geflohen waren. Wer zurückgebracht wurde, kam vor Gericht und wurde verurteilt.

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