Eskalation droht
Waffenstillstand in Gefahr: Armenien und Aserbaidschan rüsten für den nächsten Konflikt auf
Der Bergkarabach-Konflikt könnte erneut eskalieren. Aserbaidschanische Truppen erhöhen ihre Präsenz und in Jerewan üben Zivilisten für den Ernstfall.
Jerewan/Baku – Nach dem letzten Bergkarabach-Krieg im Herbst 2020 mit 6500 Toten droht eine erneute Eskalation im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Die Lage zwischen den beiden südkaukasischen Ländern ist äußerst angespannt.
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums hat eine Einheit aserbaidschanischer Soldaten am vergangenen Samstag (25. März) eine Demarkationslinie im Bezirk Schuscha überquert und damit das Waffenstillstandsabkommen vom 09. November 2020 verletzt. Dieses war nach einem 44-tägigen Krieg auf Vermittlung Russlands geschlossen worden. Es wurde jedoch bereits mehrfach verletzt. Erst im vergangenen Herbst sollen dabei auf beiden Seiten viele Soldaten getötet worden sein.
Berg-Karabach-Konflikt: Aserbaidschan wirft Armenien Provokation vor
Aserbaidschan hatte Armenien vergangene Woche vorgeworfen, illegal Waffen, Munition, Treibstoff und Nahrungsmittel in die Region Bergkarabach zu schaffen und dort neue Straßen zu bauen. Damit werde ein Krieg provoziert: „Wir erklären, dass die militärisch-politische Führung (Armeniens, Anm. d. Red.) die volle Verantwortung für solche Provokationen und illegalen Aktivitäten von Armenien und deren mögliche Folgen für Menschenleben trägt“, hieß es in einer Mitteilung des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums.
Seit bereits Mitte Dezember 2022 blockieren aserbaidschanische Demonstranten den Latschin-Korridor, die einzige Straße nach Berg-Karabach. Die Versorgung der Bewohner ist damit stark beeinträchtigt. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium hatte erklärt, es habe die Kontrolle über einige Straßen in Berg-Karabach übernommen. Es sprach von „notwendigen Kontrollmaßnahmen“, um Waffenlieferungen aus Armenien über unbefestigte Straßen nördlich von Latschin zu verhindern.
Russland hat Aserbaidschan indes dazu aufgefordert, Truppen aus dem Gebiet zurückzuziehen. Russische Soldaten würden „Maßnahmen ergreifen, eine Eskalation und gegenseitige Provokationen zu verhindern“. Eine russische Friedenstruppe überwacht seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2020 eine Einhaltung der Waffenruhe.
Konflikt um Berg-Karabach: Armenische Zivilisten trainieren für möglichen Krieg
Die zunehmenden Spannungen im Berg-Karabach-Konflikt spiegeln sich auch im Interesse armenischer Zivilisten an paramilitärischen Trainings. Nach einem aktuellen Bericht der Deutschen Welle üben sich beispielsweise in der armenischen Hauptstadt Jerewan sechsmal pro Woche Zivilisten in Waffenkunde, der Erstversorgung von verwundeter Soldaten und körperlicher Fitness.
Nach Angaben der Anbieterorganisation ist die Nachfrage nach dem paramilitärischen Training nach dem letzten Krieg enorm gestiegen. „Die Situation in unserem Land ist so instabil, dass jeder Armenier und jede Armenierin wissen sollte, wie man schießt“, wird eine 27-jährige Teilnehmerin in dem Bericht zitiert. Zwischen 5000 und 6000 Freiwillige habe die Organisation schon paramilitärisch ausgebildet.
Krise in Beziehung zwischen Armenien und Schutzmacht Russland
Armenien ist im Berg-Karabach-Konflikt auf die Unterstützung seiner Schutzmacht Russland angewiesen. Doch in der Beziehung der beiden Ländern kriselt es. Armenien ist enttäuscht von einem nur schwachen Einsatz Russlands. Mit einer möglichen baldigen Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshofs hat Armenien sich kürzlich einen Affront gegen Russland geleistet. Denn dann müsste das Land den internationalen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vollstrecken. Russland droht Armenien im Falle einer Anerkennung mit ernsten Konsequenzen. (kasa/dpa/AFP)
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