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Neues Machtgefüge im EU-Parlament

Das Signal der Europawahl 2024: Was die Ergebnisse jetzt bedeuten

Die Ergebnisse der Europawahl 2024 zeigen eine Mehrheit bei den proeuropäischen Parteien. Zugleich gewinnen rechtsextreme Kräfte an Bedeutung hinzu.

Berlin – Extreme Positionen schrecken die Wahlberechtigten in der Europäischen Union nicht mehr ab, im Gegenteil: Nationalradikale haben bei der Europawahl 2024 hinzugewonnen. Die AfD wird in Deutschland trotz ihrer Skandale zweitstärkste Kraft, in Österreich rangiert die FPÖ sogar ganz oben. Auch in Frankreich liegen die rechten Populisten vom Rassemblement National mit mehr als dreißig Prozent weit vorne.

Progressive Kräfte und die Parteien der Mitte geraten so europaweit in Bedrängnis. „Das Thema Migration ist wieder in den Vordergrund gerückt“, erklärt der Politikwissenschaftler Norbert Kersting von der Universität Münster im Gespräch mit dieser Redaktion. „Wenn die gemäßigten Parteien der demokratischen Mitte zulassen, dass vor einer großen Wahl nur über Abschiebungen und Einschränkungen des Asylrechts gestritten wird, darf man sich über solch ein Ergebnis nicht wundern.“ So sei ein Signal dieser Wahl: „Europa setzt auf Abschottung.“

Was die Ergebnisse der Europawahl 2024 jetzt bedeuten – Politikwissenschaftler ordnet ein

Der Politologe führt noch einen zweiten Hauptgrund für den Rechtsruck in Europa an. „Seit der Pandemie legen rechte Populisten zu, auch weil sie moderatere Töne anschlagen“, sagt er. „Sie haben ein Interesse an einer Normalisierung und buhlen in einigen Ländern mit vermeintlich staatstragenden Positionen um die Wählergunst.“ Zu sehen sei das in Italien oder in den Niederlanden, „wo die PVV unter ihrem Vorsitzenden Geert Wilders sich in der gewohnten Parteienlandschaft etabliert hat und von radikaleren rechtspopulistischen Parteien abhebt“.

In Frankreich nutzt Marine Le Pen die AfD zur Abgrenzung nach Rechtsaußen. Ihr sei die deutsche Schwesterpartei nach eigenen Worten mittlerweile zu radikal. Den Bruch mit der AfD, die sie 2017 noch umgarnt hatte, setzte sie medial in Szene. „Le Pen schlägt inzwischen deutlich moderatere Töne gegenüber Europa an“, sagt Kersting. „So versuchen rechte Populisten, sich und ihre Positionen zu konsolidieren.“ Nach der harten Niederlage seines Lagers löst Präsident Emmanuel Macron das Parlament auf. In wenigen Wochen soll es Neuwahlen geben.

Ergebnis der Europawahl 2024 zeigt auch: „Von der Leyen hat die Rechten salonfähig gemacht“

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), hat vor der Wahl bekräftigt, für eine Zusammenarbeit mit Italiens rechter Regierungschefin Giorgia Meloni aufgeschlossen zu sein. „Damit hat sie die Rechten salonfähig gemacht“, kritisiert Kersting. „Sie hat extrem rechte Parteien für viele Menschen in Europa wählbar gemacht.“ Die Ergebnisse der Europawahl 2024 zeigen: Im Europäischen Parlament hat das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit seiner Spitzenkandidatin von der Leyen bei der EU-Wahl die meisten Sitze geholt. Die CDU-Politikerin kann demnach trotz der Zugewinne von der rechtsextremen Parteien auf eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin hoffen.

Marine Le Pen, Vorsitzende des Rassemblement National.

Die Mitte-Parteien werden damit weiterhin die zentralen politischen Akteure im Europäischen Parlament bleiben. „Für Ursula von der Leyen heißt es jetzt, die EU-Regierungschefs von sich zu überzeugen – ein Hauptgrund, warum sie sich im Wahlkampf Meloni angenähert hat“, erläutert der Politikwissenschaftler Manès Weisskircher von der TU Dresden. „Die Stärke der Rechtsaußen-Parteien im EU-Parlament nimmt zwar signifikant zu. Ihr künftiger Einfluss hängt jedoch auch davon ab, welche Fraktionen sich nach der Wahl bilden werden.“

Bedeutung der Ergebnisse der Europawahl 2024: Die FPÖ bleibt an der Seite der AfD

In Österreich zeichnet sich bei nach Europawahl ein klarer Sieg der rechten Populisten von der FPÖ ab. Die Partei hatte im Wahlkampf unter dem Motto „EU-Wahnsinn stoppen“ vielfach ihre Ablehnung gegenüber Brüssel hervorgehoben und die Europäische Union nach dem russischen Angriff auf die Ukraine als kriegstreibende Kraft dargestellt. „Das ist noch lange keine Pro-Putin-Strategie, wie man sie teilweise in der AfD sieht“, sagt Politikwissenschaftler Kersting. „In Bezug auf Ukraine-Krieg ist das rechtsextreme Lager in Europa ziemlich heterogen.“

Weisskircher, selbst Österreicher, sieht in dem Wahlergebnis in seiner Heimat vor allem Konsequenzen für die Innenpolitik: Im Herbst stehen Wahlen an. Die FPÖ habe gute Voraussetzungen, auch dann auf dem ersten Platz zu landen. „Für die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments ist der Wahlerfolg der FPÖ sekundär: Österreich vergibt als kleines Land nur 20 Mandate, die FPÖ erhält voraussichtlich 6, die ÖVP und die SPÖ je 5.“ Interessant findet Weisskircher die Frage, mit wem die FPÖ nun im Europäischen Parlament kooperieren wird. „Im Wahlkampf hat sie ihre Unterstützung der AfD nicht aufgegeben.“

Rubriklistenbild: © picture alliance/dpa/AP | Aurelien Morissard

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