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Neuwahlen des Parlaments

Frankreich-Wahl 2024: Wie es mit Macron jetzt weitergehen könnte

Wie sieht die Zukunft von Präsident Emmanuel Macron aus? Die Frankreich-Wahl lässt viele Fragen offen. Wird Frankreich bald vom Rassemblement National regiert?

Paris – Die Europawahl war ein Paukenschlag für die französische Politik. Das „Rassemblement National“ (RN), die Rechtspopulisten unter Marine Le Pen, räumten ab: mit 31,37 Prozent der Stimmen waren sie die eindeutigen Sieger und erhielten fast doppelt so viele Stimmen wie Macrons Bündnis „Renaissance“. Präsident Emmanuel Macron machte kurzen Prozess und ließ die Bombe platzen. Seine Ankündigung überraschte alle – selbst hartgesottene französische Politiker – als er kurzerhand die französische Nationalversammlung, das Parlament, auflöste und Neuwahlen verkündete.

Aus Respekt vor Frankreich habe Macron entschieden, Artikel 12 der französischen Verfassung auszuüben, wie sich der 46-Jährige nach der Europawahl-Niederlage äußerte. Dieser Eingriff in die Legislative des französischen Staates ist so drastisch, dass der Artikel auch unter dem Beinamen „Atombombe“ bekannt ist. Ab Sonntag (30. Juni) ist es dann so weit. In zwei Runden, einmal am 30. Juni und einmal am 7. Juli wählen die Franzosen ein neues Parlament.

Frankreich-Wahl 2024: Wie lange ist Emmanuel Macron eigentlich schon Präsident?

Emmanuel Macron ist seit Mai 2017 Staatspräsident der Französischen Republik. Mit seiner Wiederwahl am 24. April 2022 konnte er sich mit 58,55 Prozent der Stimmen gegen seine Konkurrentin Marine Le Pen durchsetzten. Alle fünf Jahre wird in Frankreich das Staatsoberhaupt gewählt. Somit wäre Macron auch nach den Wahlen weiterhin im Amt und das bis 2027. In Frankreich hat der Präsident viel Macht und Handlungsspielraum, doch auch in unserem Nachbarland muss sich der Präsident mit dem Parlament arrangieren – wohl erst recht nach der Frankreich-Wahl 2024.

Kassierte bei der Frankreich-Wahl 2024 mit seiner Partei eine empfindliche Niederlage gegen die Rechtspopulisten: Präsident Emmanuel Macron.

Und bei den Neuwahlen mit einem potenziellen Sieg der Rechtspopulisten wird sich das wahrscheinlich schwierig gestalten. Zwar ist eine absolute Mehrheit des RN aktuellen Umfragen zufolge eher unwahrscheinlich, dennoch wird sich Macron wohl mit gestärkten Rechten im Parlament arrangieren müssen.

Wer wird neuer Premierminister nach den Neuwahlen in Frankreich?

Gemäß der französischen Verfassung hat der Präsident freien Spielraum beim Benennen des Premierministers. Es gibt allerdings einen Haken: Das Parlament kann dem Premierminister das Vertrauen entziehen und ihm des Amtes entheben. Sollte das RN tatsächlich bei der Neuwahl in Frankreich eine Mehrheit der Stimmen im Parlament erlangen, müsste Macron wohl Parteichef Jordan Bardella als neuen Premierminister aufstellen.

Das wäre ein absolutes Novum. Der 28 Jahre junge Chef des RN hat keinerlei Regierungserfahrung und bisher auch sonst keine Berufserfahrung außerhalb des RN. Zuvor hatte Bardella jedoch bereits angekündigt: Das RN werde ohne absolute Mehrheit im Parlament nicht regieren. „Ich werde weder machtlos sein noch dem Präsidenten der Republik zur Seite stehen“, äußerte sich Bardella gegenüber Le Parisien. „Um zu regieren, brauche ich eine absolute Mehrheit.“

RN-Chef und möglicher nächster Premierminister Jordan Bardella mit Mentorin Marine Le Pen (Aufnahme von 2022)

Sollte das RN jedoch eine absolute Mehrheit im Parlament erringen und Bardella das Amt des Premierministers antreten, würde das für Frankreich die vierte sogenannte „Cohabitation“ der französischen Geschichte einläuten.

Was ist die „Cohabitation“ und was würde sie für Frankreichs Regierung bedeuten?

Eigentlich gehört die „Cohabitation“ der Geschichte an: Seitdem das Präsidentschaftsmandat in Frankreich von sieben auf fünf Jahre verkürzt wurde, fallen die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen immer in das gleiche Jahr. Daher repräsentiert der Präsident auch normalerweise das Parlament und kann aus seinen eigenen Reihen den Premier bestimmen. Nur eine vorzeitige Auflösung der Nationalversammlung oder eine vorzeitige Präsidentschaftswahl bringen die „Cohabitation“ wieder ins Spiel.

Die „Cohabitation“ ist eine Eigenheit der französischen Politik. Sie tritt dann ein, wenn Präsident und Premierminister aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen – wie auch Macron und Bardella. So müssten sie sich in der „Cohabitation“ arrangieren und Kompromisse eingehen. Und das könnte sowohl für Macron als auch für Bardella unangenehm werden.

Für Macron bedeutet das: Er wird seine Politik nicht mehr so einfach durchsetzen können und wird sich der Regierungspolitik beugen müssen. Die französische Regierung hätte bei einer „Cohabitation“ mehr Befugnisse. So würden Funktionen des Präsidenten auf den Premierminister übertragen werden. Im Prinzip hat der Premierminister in der Innenpolitik die Zügel in der Hand und kann seine Vorstellungen umsetzen. Der Präsident wäre in der „Cohabitation“ vor allem für die Außenpolitik und die Verteidigung zuständig.

Was passiert bei einem gespaltenem Parlament nach den Wahlen in Frankreich?

Kurzum: so genau weiß das niemand. Sollte keine Partei eine absolute Mehrheit bei den kommenden Wahlen in Frankreich erringen und Bardella das Amt des Premierministers auch wie angekündigt ablehnen, könnte Macron versuchen, in einer „Anti-RN“-Allianz jemand anderen als Regierungschef aufzustellen. Ob dieser oder diese ein Misstrauensvotum des RN jedoch überleben würde, ist unklar. Eine Allianz aus den Volksparteien beispielsweise wäre eine Möglichkeit.

Marine Le Pen hat Frankreich-Wahl 2027 im Blick – trotz Ausschluss

Frankreich: Rassemblement National von Marine Le Pen.
In Frankreich ist der Rassemblement National unter Marine Le Pen (im Bild) in den vergangenen Jahren zu einer führenden Kraft aufgestiegen. So feierte der RN bei der Europawahl 2024 einen klaren Erfolg.  © François Lo Presti/afp
Europawahl - Frankreich
Das starke Ergebnis der rechtsnationalen Partei veranlasste den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron anschließend dazu, das Parlament aufzulösen.  © Ludovic Marin/dpa
Jean-Marie Le Pen
Die Geschichte des Rassemblement National begann Anfang der Siebziger. Am 5. Oktober 1972 gründeten Jean-Marie Le Pen (hier eine Aufnahme von 2022) und Pierre Bousquet die rechtsextreme Splittergruppe Front National.  © Joel Saget/afp
1. Mai in Paris
Der 1928 geborene Le Pen (hier ein Bild von 2017) tat sich früh als Demagoge hervor, der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und den Holocaust als ein „Detail der Geschichte“ abtat. Bousquet (1919 bis 1991) war ein ehemaliger Kollaborateur, der als Rottenführer in der Waffen-SS gedient hatte. Fremdenfeindliche Parolen waren über viele Jahre Markenzeichen der Partei. © Thibault Camus/dpa
Jean-Marie Le Pen
In den 1980er Jahren wurde der FN bei zwei Parlamentswahlen hintereinander mit mindestens einem Abgeordneten in die Nationalversammlung gewählt. Der Durchbruch gelang im Jahr 2002, als Jean-Marie Le Pen als Zweitplatzierter aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hervorging.  © Joel Saget/afp
Le Pen
Es kam zur Stichwahl, die der amtierende Präsident Jacques Chirac deutlich gewann. Fünf Jahre später verlor Le Pen viele Stimmen und schied im ersten Wahlgang aus.  © Joel Saget/AFP
Marine Le Pen
Einen großen Einschnitt gab es im Januar 2011. Der FN ging nach einem Führungswechsel andere Wege. Die neue Parteivorsitzende trug allerdings einen bekannten Namen: Marine Le Pen. Die studierte Juristin kam 1968 nahe Paris als jüngste Tochter Jean-Marie Le Pens zur Welt.  © Bernard Patrick/Imago
Marine Le Pen/dpa
Mit acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen – es handelte sich um einen Anschlag auf ihren Vater. Die Mutter dreier Kinder arbeitete als Anwältin und führte zunächst die Rechtsabteilung der Front National. Ihre zwei Ehen gingen auseinander. © Pascal Pavani
Jean-Marie Le Pen
Marine Le Pen bemüht sich seither, der einst radikal rechten Partei einen moderateren Anstrich zu verpassen. Das ging mit einer Entmachtung ihres Vaters einher.  © Kenzo Tribouillard/afp
Le Pen
Im April und Mai 2015 eskalierten die schon länger bestehenden Spannungen zwischen der Parteivorsitzenden und ihrem Vater. Am 20. August 2015 wurde Jean-Marie Le Pen wegen „schwerer Verfehlungen“ aus der Partei ausgeschlossen.  © Kenzo Tribouillard/AFP
Le Pen Bannon
Anderseits suchte Le Pen im Jahr 2018 die Nähe des früheren Trump-Beraters Steve Bannon. Damals firmierte die rechtsextreme Partei noch unter dem Namen Front National. Später verpasste Le Pen ihr aber einen neuen Namen: Seither ist die Partei als Rasseblement National bekannt. © Philippe Huguen/AFP
Marine Le Pen
Seither ist es Marine Le Pen gelungen, aus der Schmuddelecke zu kommen und sich als staatstragende Politikerin zu inszenieren. Ihre Strategie ist als „Dédiabolisation“ (Entteufelung) bekannt.  © Francois Nascimbeni/AFP
Marine Le Pen
Le Pen verbannte das alte rassistische Vokabular und gibt mittlerweile eher bedachte Worte von sich. Le Pens Kurs hat , in den vergangenen Jahren bis in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht.  © Thomas Samson/afp
Marine Le Pen
Die dreimalige Präsidentschaftskandidatin drängte zwar offenen Rassismus zurück, vertritt aber weiter radikale Positionen gegen Einwanderung. Ihre Vorstellungen für Frankreich bleiben auch heute noch deutlich rechts und nationalistisch.  © Ali Al-Daher/AFP
Olga Givernet
Zudem zeigen Studienergebnisse, dass im RN der Antisemitismus noch immer weit verbreitet ist. Die Renaissance-Parlamentarierin Olga Givernet (im Bild) reagierte entsprechend: „Der RN hat ein sauberes Schaufenster, aber die Küche dahinter ist immer noch schmutzig wie eh.“ © Niviere David/Imago
Marine Le Pen mit André Ventura und Tino Chrupalla
In ihrem Bemühen um Salonfähigkeit hat sich Marine Le Pen auch von der deutschen AfD abgegrenzt. Die gilt selbst für RN-Leute als zu extremistisch. Im November 2023 war das noch anders: Beim Treffen rechter Gruppen in Lissabon stand sie noch in einer Reihe neben dem portugiesischen Chega-Politiker André Ventura (Mitte) und AfD-Co-Chef Tino Chrupalla. © Paulo Spranger/Imago
Le Pen zu Besuch bei Putin
Zum Ukraine-Krieg vertreten RN und AfD hingegen nach wie vor sehr ähnliche Positionen. So lehnt Marine Le Pen jegliche Wirtschaftssanktionen gegen das Russland von Präsident Wladmir Putin ab. © Mikhail Klimentyev/dpa
Gabriel Attal
Waffenlieferungen für die Ukraine bedeuten für Le Pen das „Risiko eines dritten Weltkriegs“. Premierminister Gabriel Attal (im Bild) konterte in einer Ukraine-Debatte im Februar 2024: „Wenn Sie 2022 gewählt worden wären, würden wir heute Waffen nach Russland liefern, um die Ukrainer zu zermalmen.“  © Ludovic Marin/afp
Marine Le Pen und Wladimir Putin
Tatsächlich stand in Le Pens Präsidentschaftsprogramm von 2022 der folgende Satz: „Ohne Furcht vor amerikanischen Sanktionen wird eine Allianz mit Russland in gewissen Themen angestrebt.“ Trotzdem wollte sich der RN im Wahlkampf ein wenig von Putin absetzen. Die Partei ließ damals 1,2 Millionen Wahlkampfplakate vernichten, die ein Bild von Marine Le Pen beim Händeschütteln mit Putin zeigten. © Emmanuel Dunand/afp
Marine Le Pen
Zu Russland hat sie dennoch ein wesentlich besseres Verhältnis als zu Deutschland. Die deutsch-französische Partnerschaft will sie rasch beenden. Zwischen Berlin und Paris bestehe eine „tiefe und unheilbare Differenz der Doktrinen“, heißt es in Le Pens Programm. Das Nato-Kommando würde sie nach einem Wahlsieg 2027 verlassen. An dessen Stelle wünscht sich Le Pen für Europa ein russisch-französisches Kommando. © Lou Benoist/afp
Emmanuel Macron
Ohnehin richtet sich der Blick in Frankreich schon längst auf die Präsidentschaftswahl 2027. Nach zwei Amtszeiten kann Emmanuel Macron, der Le Pen zweimal in der Stichwahl besiegte, nicht mehr antreten.  © Sebastien Dupuy/AFP
Marine Le Pen
Wer eine Chance gegen Le Pen hätte, ist unklar. Doch im März 2025 kam dann die vorläufige Wende: Wegen der Veruntreuung von EU-Geld schloss ein Gericht Le Pen verurteilt. Der umstrittenste Teil der Strafe ist, dass sie fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten darf.  © Guillaume Souvant/afp
Protestkundgebung des Rassemblement National
Diese Strafe war sofort in Kraft getreten – anders als eine teils auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe und obwohl Le Pen gegen das Urteil Berufung einlegte. Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung im Sommer 2026 ins Auge gefasst.  © Julien De Rosa/dpa
Marine Le Pen
Le Pen wandte sich dann an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Doch das Straßburger Gericht wies ihren Antrag, den gegen sie verhängten vorläufigen Ausschluss von Wahlen auszusetzen, einstimmig ab, da Le Pen keinerlei nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung drohe, die durch die Menschenrechtskonvention geschützt sei. © Lionel Bonaventure/AFP
Le Pen sieht Bardella als möglichen Präsidentschaftskandidat
Inzwischen hat Le Pen ihren politischen Ziehsohn Jordan Bardella aufgefordert, sich auf eine Kandidatur vorzubereiten – für den Fall, dass sie selbst nicht antreten kann. Noch ist aber offen, wen der RN bei der Präsidentschaftswahl 2027 ins Rennen schicken wird. Die Frage, wer in den ehrwürdigen Élysée-Palast einziehen wird, bleibt damit völlig offen.  © Michel Euler/dpa

Wie jedoch die Verhältnisse im Parlament aussehen werden, wird die Wahl zeigen. Im Linken Lager der französischen Parteien bildete sich unterdessen schnell eine neue Bewegung, die „Nouveau Front populaire“ – also die „Neue Volksfront“. Ein Zusammenschluss aus fünf Parteien von links bis kommunistisch in ihrer politischen Ausrichtung. Auch sie könnten möglicherweise eine absolute Mehrheit des RN verhindern und den Premierminister stellen.

Was ist vor den Wahlen in Frankreich bereits jetzt sicher?

Zurücktreten will Macron nach den Wahlen in Frankreich jedenfalls nicht. Das schloss der Präsident bereits aus. Wie auch immer die Neuwahlen ausgehen werden, Macron will auch weiterhin Präsident bleiben, bis seine Amtszeit abläuft. Und zum Rücktritt zwingen kann ihn auch das RN nicht, selbst wenn die Rechtspopulisten die absolute Mehrheit im Juli tatsächlich erringen können. Viele Fragen bleiben jedoch offen und werden erst nach der Wahl beantwortet werden können. Eins ist jedenfalls sicher: Schon jetzt kann die Wahl als historisch bezeichnet werden. (sischr)

Rubriklistenbild: © Michel Euler/dpa

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