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Landtagswahlen 2024

Proteste gegen AfD: Der Weg zur politischen Wende vor den Landtagswahlen?

Die AfD ist auf dem Vormarsch, doch die Zivilgesellschaft regt sich. Der Schlüssel zum Widerstand liegt in lokalen Zusammenschlüssen.

Erfurt/Dresden/Potsdam – Die politische Landschaft in Thüringen, Sachsen und Brandenburg könnte sich bald in ein AfD-Blau verwandeln. Die bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst könnten der AfD in allen drei Bundesländern den Sieg bescheren. Gegen die Partei formiert sich jedoch landesweiter Protest. SPD-Politiker und ein Extremismusforscher betonen, wie es wichtig es im Kampf gegen Rechts sei, den Bürgern direkt vor Ort die Konsequenzen eines AfD-Sieges aufzuzeigen.

Vor Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg: Gegenseitig Mut machen

Die Enthüllung der Vertreibungspläne beim geheimen Treffen rechter Kreise in Potsdam hat kürzlich für Empörung und weitreichenden Protest gesorgt. Isabel Cademartori, SPD-Bundestagsabgeordnete, äußerte sich dazu gegenüber IPPEN.MEDIA: „Die Enthüllungen haben sehr viele Menschen in Deutschland aufgerüttelt“. Sie fügte hinzu: „Deutschlandweit brechen sowohl kleine als auch große Städte Demonstrationsrekorde. Diese starke Reaktion der Zivilgesellschaft ist erfreulich und notwendig, um dem rechten Narrativ, sie seien die „Stimme des Volkes“ etwas entgegenzusetzen.“ Obwohl die Zustimmung für die AfD auf Bundesebene derzeit etwas nachlässt, bleibt die Partei in den drei Wahl-Ländern stark und führt die Umfragen an.

Das sieht auch Cademartori: „Die AfD hat einen stabilen Kern von Anhängern. Das zeigt das äußerst knappe Wahlergebnis der Thüringer Landratswahl inmitten der Protestwelle.“

Seit Jahren bemühen sich die gemäßigten Parteien, die AfD politisch in die Schranken zu weisen, allerdings mit begrenztem Erfolg. Kathrin Michel, Vorsitzende der SPD in Sachsen, sieht in den landesweit organisierten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus ein effektives Mittel, um der AfD entgegenzutreten. Sie hält insbesondere Proteste in kleineren Gemeinden für den richtigen Ansatz. Michel betont, dass es dabei nicht um Parteizugehörigkeiten geht: „Wenn ich auf der Demo drei Menschen aus meinem Betrieb treffe, weiß ich, auf die kann ich mich verlassen, wenn es um unsere Demokratie geht“. Sie fügt hinzu: „Die Menschen müssen sich auf lokaler Ebene gegenseitig bestärken und Mut machen; im Ehrenamt, im Turnverein oder im Betrieb.“

Sächsische SPD-Vorsitzende: Mit Menschen unabhängig von der Politik ins Gespräch kommen

Michel plädiert dafür, die Positionen der AfD auf lokaler Ebene zu entlarven und dabei über echte Lösungen zu diskutieren. Dies muss nicht im Rahmen einer politischen Veranstaltung geschehen, da diese viele Menschen abschrecken. Stattdessen sollten Politiker auch außerhalb des politischen Rahmens ins Gespräch kommen. „Die Menschen erzählen dann von sich aus von ihren Problemen und Sorgen. In solchen Gesprächen ist Politik drin, obwohl gar nicht Politik draufsteht.“

Kathrin Michel und Henning Homann sind die Vorsitzenden der sächsischen SPD. Sie sind der Überzeugung, dass der Kampf gegen die AfD nur auf lokaler Ebene gelingen kann.

Auch Hennig Homann, Co-Vorsitzender der SPD in Sachsen, unterstreicht die Bedeutung lokaler politischer Beteiligung. Er warnt davor, dass selbst Kommunalwahlen immer mehr als Votum über die Ampel-Koalition genutzt werden. Trotz der Bedeutung der Bundesebene, sollte der Fokus auf lokalen Problemen liegen, so Homann: „Es muss klar sein: Der Kampf gegen Rechts entschiedet sich nicht in Berlin-Mitte, sondern bei uns vor Ort.“

Ehemaliger Mannheimer OB: Großer Unterschied zwischen ‚demokratisch‘ und ‚demokratisch gewählt‘

Auf lokaler Ebene sind die richtigen Worte entscheidend, betont Peter Kurz, SPD-Politiker und ehemaliger Oberbürgermeister von Mannheim. Es sei wichtig, gängige Argumente zu widerlegen, wie zum Beispiel: Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei. „Dies ist eine absichtsvolle oder von massiver Unkenntnis geprägte Gleichstellung von ‚demokratisch‘ und ‚demokratisch gewählt‘“, so Kurz. Er fügt hinzu: „Das zynische Amüsement der Nationalsozialisten, dass die Demokratie die Mittel zu ihrer Beseitigung geliefert hat, hallte den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes noch in den Ohren.“

Hajo Funke, emeritierter Professor und Experte für Rechtsextremismus, hält diese Erkenntnisse für wichtiger denn je. Zwar sieht auch Funke die „große Politik“ und die Ampel-Koalition mit ihrem schlechten Ruf als Mitverantwortliche für die Frustration der Menschen. Doch der Kampf gegen (extrem) Rechts kann seiner Meinung nach nur noch auf lokaler Ebene erfolgreich sein. Vor den Landtagswahlen hält er die Kommunalwahlen, die im Juni in vielen Bundesländern stattfinden, für entscheidend: „Das ist die Chance, die den Demokraten noch bleibt, auf Ebene der Städte und Dörfer die Zivilbevölkerung zu mobilisieren.“ Dabei spielen nicht nur die Parteien eine Schlüsselrolle, sondern auch neue Bündnisse aus Bürgern.

Gegen die AfD sollen sich Vereine, Unternehmen und Bürger vor Ort vereinen

Lokale Vereine und regionale Firmen sollen sich Funke zufolge zusammenschließen und ihren Mitmenschen, Freunden und Nachbarn die Auswirkungen der AfD-Politik auf ihre Region und ihre Bewohner verdeutlichen. In Thüringen hat dieses Modell bereits Erfolg gezeigt: „Nordhausen ist ein gutes Beispiel dafür, dort ist ein klar favorisierter AfD-Kandidat nicht gewählt worden, weil vor Ort ein Bündnis gegen ihn gebildet worden ist.“ Im vergangenen Jahr konnte sich bei der Stichwahl zum Oberbürgermeister der unabhängige Kandidat Kai Buchmann durchsetzen. Als anderes Vorzeigeprojekt führt Funke die Initiative „weltoffenes Thüringen“ an. Hier engagieren sich Bürger und Unternehmen auf lokaler Ebene parteiunabhängig für Demokratie und Vielfalt.

Der Experte für Rechtsextremismus Hajo Funke sieht in lokalen Bündnissen die größte Chance im Kampf gegen die AfD.

Wie steht es aber um das oft zitierte Verständnis für unzufriedene AfD-Protestwähler? Sollte es mehr Dialog geben? Die SPD-Politikerin Isabel Cademartori findet: „Diese Rhetorik verstellt den Blick, dass sich über die letzten Jahre alle, die ein weitgehend geschlossen rechtsextremes Weltbild haben, und nahezu alle anderen deutlich rechts des demokratischen Spektrums Stehende, bei der AfD als Anhänger gefunden haben.“ Sie seien demnach „Stammwähler gegen das System“ geworden. „Keine inhaltliche Angleichung, kein gezeigtes ‚Verständnis‘ wird sie kurzfristig zurückholen.“ Nur diejenigen, die die Demokratie nicht aufgeben wollen, seien erreichbar. Cademartori betont, dass hier nur Aufklärung und eine klare Positionierung helfen würden: „Es ist notwendig, eine realistische Einschätzung darüber zu haben, wie wenige potenzielle Wählerinnen und Wähler der Rechtsextremen für demokratische Parteien jetzt rückholbar sind.“ Nur eine deutliche „Haltung und Abgrenzung nach Rechts, die die Grenzen zwischen Demokraten und Rechtsextremen nicht verwischen lässt“ könne die Ausbreitung der AfD über ihre bereits gewonnene Stammwählerschaft hinaus begrenzen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Sascha Steinach

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