Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Bürokratieentlastungsgesetz

Steuerverlust in Millionenhöhe? Der Bürokratie-Kahlschlag der FDP

Das Bürokratieentlastungsgesetz soll Wirtschaft und Bürgern helfen. Doch es trägt die Handschrift der FDP – und könnte den Staat Millionen kosten.

Berlin – Vor etwa zwei Monaten hat die Bundesregierung das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Das Gesetz soll die Wirtschaft „um 944 Millionen Euro entlasten“. So steht es auf der Website des FDP-geführten Justizministeriums. Kritikern zufolge setzt es jedoch an den falschen Stellen an. Zudem könnte es den Staat bis zu 200 Millionen Euro an Steuereinnahmen kosten. Umgesetzt wurde es trotzdem – ungeachtet des Spardiktats von Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Laut Justizminister Marco Buschmann (FDP) ist das Gesetz der nächste „Schritt bei der Bekämpfung des Bürokratie-Burnouts“. Das erklärte er am 13. März vor Vertretern der Presse in Berlin. „Behörden, Betriebe, Bürger – sie alle ächzen unter immer mehr Gesetzen und Verordnungen“, so Buschmann weiter. Dem wolle man entgegenwirken, mit dem größten „Entbürokratisierungspaket“ in der Geschichte der Bundesrepublik. Zuvor hatte der er im ARD-„Morgenmagazin“ aber selbst vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Man habe es „in Deutschland bei der Bürokratie zu einer Weltmeisterschaft gebracht“. Daher sei es „ein bisschen so, wie wenn man sich über Jahre Bauchspeck anfrisst“ – man bekomme ihn nicht so einfach weg.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) - zwei selbsternannte Vorkämpfer gegen die Bürokratie.

FDP-Gesetz soll Wirtschaft und Bürgern helfen – Verkürzung der Aufbewahrungsfrist am wichtigsten?

Trotzdem wollte sich die Bundesregierung der Sache annehmen. Immerhin ist Bürokratieabbau laut dem Eckpunktepapier zum Gesetz aus dem Sommer 2023 „einer der erfolgversprechenden Wege, sowohl Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen als auch die Verwaltung zu entlasten, um wirtschaftliche und soziale Potenziale unseres Landes zu heben und Bremsmechanismen zu beseitigen“. Im Gesetz vorgesehen sind Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung, der Abbau von Melde- und Informationspflichten, Projekte zur Verwaltungsvereinfachung sowie die Streichung einzelner Vorschriften. Zudem werden die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht verkürzt.

Konkret bedeutet das unter anderem einen Entfall der Meldepflicht für deutsche Staatsangehörige bei Hotelübernachtungen, die Einführung einer digitalen Fluggastabfertigung sowie eine Herabstufung einiger Schriftformerfordernisse zur Textform. Etwa können GmbH-Gesellschafter jetzt per E-Mail oder SMS Beschlüssen außerhalb einer Versammlung zustimmen oder sie ablehnen. Wichtigster Punkt sei aber die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist von handels- und steuerrechtlichen Buchungsbelegen von zehn auf acht Jahre, hieß es damals aus dem Bundesjustizministerium.

Steuerausfälle in Höhe von 200 Millionen Euro – ein Gesetz gespickt von Partikularinteressen

Gerade diese Verkürzung könnte den Staat allerdings teuer zu stehen kommen. Einem Bericht der Wochenzeitung der Freitag zufolge wird die frühzeitige Vernichtung von steuerrelevanten Belegen zu Steuerausfällen in Höhe von 200 Millionen Euro führen. In der Regel verjähren Steuerstraftaten nach zehn, in schweren Fällen sogar erst nach 15 Jahren. „Wo aber nichts ist, kann auch nichts nachgewiesen werden“, urteilte das Blatt. Es handle sich also weniger um ein Instrument zum Bürokratieabbau, als vielmehr „um einen besseren Schutz für Steuerstraftäter“.

Letztlich sei das Gesetz gespickt von Partikularinteressen. Es gehe „um Unternehmen, um Hotels, Immobilienverwalter, Fluggesellschaften und Steuerberater“. Die restliche Ampel-Koalition habe das Vorhaben im Kabinett mitgetragen, obwohl es eine viel naheliegendere und effizientere Lösung gegeben habe: eine Vorschrift für die digitale Aufbewahrung von Belegen. Diese sei einfacher, günstiger und mache es für die Überprüfung für die Steuerfahndung einfacher.

Bürokratieentlastungsgesetz bringt wenig – reine Symbolpolitik der Ampel-Koalition?

Auch Steuerfachleute halten eine solche Digitalisierung des Steuerwesens für sinnvoll - beispielsweise das System „Elster“, das ermöglicht, Einkommenssteuererklärungen digital einzureichen. Dieses ist laut der Verwaltungswissenschaftlerin Sabine Kuhlmann ein positives Beispiel, wie Bürokratie verbessert werden kann, wie sie gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte. Durch eine solche Automatisierung lasse sich erreichen, dass Bürokratie „kein Monster“ ist, auch wenn sie weiter besteht.

Ist Bürokratie immer schlecht?

Seit Jahren fordern Politiker einen Abbau der Bürokratie. Auch die Bürgerinnen und Bürger über gerne Kritik an ihr. Gleichzeitig wächst die Bürokratie immer weiter. Obwohl übermäßige Bürokratie lästig oder gar schädlich sein kann, hat sie aber auch ihre guten Seiten. Der Soziologe Max Weber schrieb der Bürokratie Anfang des 20. Jahrhunderts eindeutig positive Eigenschaften zu. Ihm zufolge, ist sie eine rationale Form der Herrschaft, die Schutz vor Willkür bietet.

Für Berthold Vogel, einen zeitgenössischen Soziologen, gilt dies auch heute. Immerhin habe Bürokratie pluralen, offenen Gesellschaften eine wichtige Funktion inne, wie er gegenüber Deutschlandfunk bemerkte. Letztlich diene sie der Demokratie, da diese eine gute Verwaltung brauche. So lasse sich sicherstellen, dass das öffentliche Handeln regelbasiert ist und sich nicht einfach das Recht des Stärkeren durchsetzt.

Wirklich helfen würde dem Wirtschaftsforscher Thomas Meuche zufolge eine andere Struktur der Verwaltung, was er gegenüber dem BR äußerte. Erforderlich seien mehr Durchlässigkeit zwischen einzelnen Sachbereichen und eine andere Kultur der Verwaltung. Es brauche „Leute, die einfach anders denken“ und „kritische Fragen stellen können“.

Teils sei aber auch schlicht mehr Personal erforderlich, so der Politikwissenschaftler Christoph Knill im selben Bericht. Zwar gebe es ein echtes Bürokratieproblem, dieses führe zurzeit aber hauptsächlich zu Symbolpolitik. Politik werde dadurch immer unglaubwürdiger, weil die verabschiedeten Maßnahmen nicht umsetzbar seien. (tpn)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Achille Abboud

Kommentare