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Kritische Stimmen

Bürgergeld vs. Arbeit: Lohnt sich arbeiten überhaupt noch?

Das Bürgergeld ersetzt Hartz IV und ist dabei noch etwa 50 Euro höher als die bisherigen Leistungen. Aber stimmt es, dass es sich somit für Geringverdiener kaum noch lohnt, arbeiten zu gehen?

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 03.04.2023. Hier finden Sie aktuelle Informationen, wie viel zusätzliches Einkommen beim Bürgergeld erlaubt ist.

Das Bürgergeld ist an die Stelle von Hartz IV getreten, eine der vielen Änderungen des neuen Jahres, und im Vergleich dazu sogar noch etwa 50 Euro höher. Kritische Stimmen aus verschiedensten Lagern bemängeln jedoch, dass sich das Arbeiten besonders für Geringverdiener mit Vollzeitstelle jetzt kaum noch lohnen würde. Aber was ist dran an diesem Vorwurf?

Bürgergeld: Was ändert sich denn jetzt wirklich?

Rein finanziell gesehen, ist das Bürgergeld eine kleine Finanzspritze für Arbeitslose. Der Regelsatz steigt auf 502 Euro (bisher 449 Euro) für Erwachsene, für Kinder geht es im Schnitt auf 362 Euro (vorher 324 Euro). Dazu kommen bürokratische Vorteile:

Mit dem Bürgergeld bleibt nur bei wenigen Rechenbeispielen am Ende des Monats mehr im Portemonnaie als mit einem Job. (Symbolbild)
  • Bürgergeld-Empfänger dürfen mehr Geld nebenbei verdienen (ohne Kürzung der Regelsätze).
  • Grenze für das Anrechnen von Ersparnissen wird angehoben.
  • Bürgergeld-Empfänger dürfen zwei Jahre in der jetzigen Wohnung bleiben – auch wenn diese eigentlich zu groß ist (Staat übernimmt Kosten).

Bürgergeld: Was sagen die Kritiker genau?

Laut dem Focus sprach Carsten Linnemann (CDU) davon, dass das Nichtarbeiten durch das Bürgergeld deutlich attraktiver werde. Ein Umstand, den im selben Bericht auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) bestätigte. Laut Focus sprach Hans Peter Wollseifer davon, dass die Grenzen zwischen Bürgergeld und regulärer Arbeit immer mehr verschwimmen. Und das führe dazu, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.

Ebenfalls Streitpunkt: Bürgergeld-Empfänger bekommen, zusätzlich zu den Regelsätzen, Miete, Heizkosten und die Rundfunkgebühr bezahlt. Alles Dinge, die von Nicht-Bürgergeld-Empfängern gezahlt werden müssen. Auch Christian Lindner rebellierte jüngst gegen das Bürgergeld: „Alle wollen immer nur Geld“.

Bürgergeld vs. Lohn – wann sich ein Job lohnt

Wenn man diverse Szenarien einmal durchspielt, zeichnet sich eine Richtung, ab wann sich ein Job lohnt. Es folgt ein Beispiel, in dem alle Erwachsenen eine Vollzeitstelle haben. Ihr monatlicher Lohn von 2.500 Euro (brutto) liegt über dem Mindestlohn, aber unter dem Bundesdurchschnitt (4.100 Euro/Monat).

SingleAlleinerziehend (1 Kind)PaarPaar (2 Kinder)
Bruttoeinkommen2.500 €2.500 €5.000 €5.000 €
Nettoeinkommen1.726 €1.917 €3.354 €3.810 €
Kindergeld250 €500 €
Gesamteinkommen mit Job1.726 €2.167 €3.354 €4.310 €

Mit Bürgergeld sähe es folgendermaßen aus (beide Erwachsenen sind Empfänger):

Single, in €Alleinerziehend (1 Kind), Einkommen in €Paar, Einkommen in €Paar (2 Kinder), Einkommen in €
Bürgergeld Erwachsene502 €502 €902 €902 €
Bürgergeld Kinder362 €724 €
Wohnungsgröße max (in qm)50656595
Mietzuschuss (Bundesdurchschnitt)519 €675 €675 €986 €
Heizkostenzuschuss (Verbrauchsdurchschnitt)146 €190 €190 €190 €
Rundfunkgebühr18,36 €18,36 €18,36 €18,36 €
Gesamteinkommen mit Bürgergeld1.185 €1.747 €1.785 €2.908 €
Vorteil mit Arbeit541 €420 €1.569 €1.402 €

Alle Angaben ohne Gewähr

Dieses Rechenbeispiel wurde vom Focus noch weitere Male durchgespielt. Dabei zeigte sich, dass sich die Arbeit in der Regel immer lohnt. Ausnahme: Eine Familie mit vier Kindern, die vom Mindestlohn leben muss, ist mit dem Bürgergeld besser gestellt. In so einem Fall würden vom Staat aber noch weitere Hilfen, etwa Wohngeld, folgen.

Kündigen und Bürgergeld beantragen? Besser nicht

Für einige Menschen mag das Bürgergeld verführerischer sein, als ein Mindestlohnjob. Aber Vorsicht: Kündigen wäre eine schlechte Idee. Aus mehreren Gründen.

  • Bürgergeld ist eine nachrangige Sozialleistung und kann erst beantragt werden, wenn andere Sozialleistungen ausgeschöpft wurden (z.B. Arbeitslosengeld, Krankengeld, div. Zuschüsse). Die Chance, dass der Antrag abgelehnt wird, ist hoch.
  • Wer kündigt, bekommt nicht einfach Bürgergeld. Die Kündigung muss vor der Arbeitsagentur gerechtfertigt werden und kann mit Sanktionen (bis 30 Prozent Kürzung) bestraft werden.
  • Bürgergeld-Empfänger haben Pflichten, z.B. das Erbringen von Nachweisen der Jobsuche oder das Wahrnehmen von Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsagentur.
  • Bürgergeld-Empfänger zahlen nicht in die Rentenkasse. Jedes Jahr mindert hier also die Rentenbeiträge in der Zukunft. Außerdem kann die Arbeitsagentur Menschen mit 63 Jahren zwangsverrenten, die Zeit kommt vielleicht also früher als gedacht.

Rubriklistenbild: © Thomas Trutschel/Imago

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