Kulturgau: Jazzgitarrist Andreas Dombert im Interview
„Ich bin es gewohnt, zu improvisieren – eine Lebenseinstellung“
Der preisgekrönte Regensburger Gitarrist Andreas Dombert hat in den letzten Jahren mit Weltstars wie Pat Martino, Larry Coryell, Philip Catherine, Ulf Wakenius oder Airto Moreira gespielt. Am 21. März 2024 kommt er ins Hotel Tannerhof in Bayrischzell, um sein neuestes Werk „Exploring Bees“ live zu präsentieren. Wir haben ihn vorab für ein Interview getroffen. Darin spricht er über das „Künstlerloch“, in das er einmal gefallen ist, seinen Weg zur Minimal Music und wie ein Geldschein das neueste Werk beeinflusst.
Als Jazzgitarrist ist Andreas Dombert vor allem bekannt für eine Klangsprache, die geprägt ist von warmer Melancholie und einem untrüglichen Gespür für starke Melodien. Aber auch im Popbereich ist er aktiv. Als Studiomusiker und Live-Gitarrist bringt er es auf viele Hundert Konzerte, Chart-Erfolge und dutzende Fernsehauftritte mit verschiedenen Acts.
Seine stilistische Bandbreite zeigte er auch als Mitglied der Jazz-Metal-Combo Panzerballett. Seine Band Dombert’s Urban Jazz lotete die Grenzen des Genres aus – mit einem Mix aus analogen Sounds, Elektronik und Videokunst.
Seit 2017 widmet sich Andreas Dombert der Minimal Music für Gitarre solo. In kunstvollen Eigenkompositionen kreiert er melancholische Klanglandschaften durch musikalische Prozesse, die sich extrem langsam verändern. Das beschert den Zuhörern ein neuartiges Gefühl: ein „Überangebot“ an Zeit.
Wie bist Du zur Minimal Music gekommen? Es ist ja ein nicht ganz leicht zugängliches Genre und auch kommerziell völlig unattraktiv.
Andreas Dombert: Nachdem 2016 meine CD „35“ veröffentlicht wurde, in die ich sehr viel Herzblut gesteckt habe, bin ich in das klassische „Künstlerloch“ gefallen und wusste erst mal nicht, wie ich musikalisch weitermachen soll. Ein Hauptseminar „Minimal Music“ an der Universität Regensburg hat mir damals dann die Augen geöffnet und seitdem fasziniert mich die Idee, mit minimalen Mitteln das Maximale an Wirkung zu erzielen. Dabei ist der kommerzielle Gedanke völlig unwichtig, denn ich muss mich mit meinen Eigenkompositionen ausschließlich gegenüber meinem eigenen ästhetischen Gewissen rechtfertigen – was zugegebenermaßen nicht immer ganz leicht ist.
Dein aktueller Werkzyklus hat den Titel „Exploring Bees“, was ein Wortspiel mit der Tonart „H“, im englischen „B“, ist. Warum hast du speziell diese Tonart gewählt? Ist es wirklich die Todesnähe, die man der Tonart zuordnet, wie der Philosoph Dr. Andreas Gasser es interpretiert?
Andreas Dombert: Als Komponist zähle ich mich zu den sogenannten absoluten Musikern, denen außermusikalischer Inhalt in der Komposition zunächst fremd erscheint. Musik ist folglich „bloß“ Musik und nichts sonst. Dass h-Moll eine wunderschöne Tonart ist, die eine tiefgründige melancholische Note besitzt, lässt sich bei intensiver Beschäftigung – auch mit der Geschichte der Musik – kaum abstreiten. Ob ich mein Stück allerdings „nahe am Tode“ komponiert habe, weiß ich nicht. Dennoch gefällt mir der Gedanke von Andreas Gasser sehr gut.
Welche Erfahrung hast Du mit der Live-Performance von „Exploring Bees“ gemacht? Kommt nur geschultes Publikum oder kommen auch Ersthörer:innen von Minimal Music?
Andreas Dombert: Man braucht definitiv keine Vorerfahrung, lediglich die Bereitschaft, hinzuhören. Am Tannerhof sind die Bedingungen für ein gelingendes Konzert optimal: der wunderschöne holzige Raum, das malerische Ambiente der Umgebung, etc. Ich kann mich noch gut an das letzte Konzert hier erinnern: Es war so ruhig und andächtig, dass ich mich spontan dazu entschlossen habe, „4´33“ von John Cage aufzuführen. Das war dann auch für mich ein einmaliges Erlebnis.
Laut dem Kommunikationsaxiom von Watzlawick kann man ja nicht nicht kommunizieren, sobald sich mindestens zwei Menschen in einem Raum befinden. Für eine Aufführung hast Du 99 Zuhörer:innen in einem relativ großen Raum verteilt. Welche Rolle spielt die nonverbale Kommunikation bzw. Interaktion mit dem Publikum?
Andreas Dombert: Das Verhältnis von Hörenden und Aufführendem wird im dritten Satz von „Exploring Bees“ sogar eigens thematisiert – auf gewisse Weise auch problematisiert. Spätestens hier breche ich also mit der gerade genannten „absoluten Musik“ und außermusikalischem Sinn – der Text von Dr. Andreas Gasser wird im Konzert zum besseren Verständnis auch zur Verfügung gestellt werden – ist ebenfalls Teil des Werks. Grundsätzlich versuche ich als aufführender Musiker bestenfalls selbst Teil der Zuhörenden zu werden. Je besser mir das gelingt, desto erfolgreicher scheint mir das Konzerterlebnis – für alle – zu sein.
Im dritten Satz „Gitarre und Schein“ präparierst Du die Gitarre mit einem Geldschein. Ist es wirklich eine Reminiszenz an John Cages „Prepared Piano“ und ein Hinweis auf die pekuniäre Situation von Künstler, wie es Frau Prof. Katelijne Schliltz auslegt? Oder stört das Geld letztlich auch die Kunst?
Andreas Dombert: An John Cage habe ich bei der Komposition nicht gedacht, aber Parallelen gibt es durchaus. Geld scheint mir eine Doppelnatur zu besitzen, denn einerseits gibt es die negative Abhängigkeit von finanziellen Gegebenheiten, mit der u. a. auch viele Künstler:innen ringen, andererseits ermöglicht Geld so viele schöne und sinnhafte Dinge. Den Klang der Gitarre im dritten Satz finde ich erstmal cool. Aber da der Geldschein in den Saiten nicht fixiert ist, kann er mir beim Spielen auch in die Quere kommen, wenn er z. B. über die Bünde wandert. Hier kommt der Zufall ins Spiel: Ich habe über das Geld leider keine Kontrolle und muss mich der gegebenen Situation live anpassen. Da ich jedoch Jazzmusiker bin, bin ich es gewohnt, zu improvisieren – eine Lebenseinstellung.
Was erwartet uns beim Konzert im Tannerhof? Wird es außer „Exploring Bees“ noch andere Stücke zur hören geben?
Andreas Dombert: Zusätzlich zu einer kurzen Einführung in die Minimal Music plane ich auch, Stücke aus meinem ersten Werkzyklus „Like The Birds Sing“ zu präsentieren. Es bleibt aber noch abzuwarten. Auf jeden Fall freue ich mich bereits jetzt enorm auf den Abend!
Andreas Dombert, vielen Dank für das Interview.
Christian Eder