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Zeitzeugen erinnern sich

50 Jahre Rathaus: Warum es für zwei Waldkraiburger eine ganz besondere Baustelle war

Der Neubau des Rathauses zwischen 1969 und 1972 war für viele Waldkraiburger eine Attraktion und das Ziel so mancher Spaziergänge.
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Der Neubau des Rathauses zwischen 1969 und 1972 war für viele Waldkraiburger eine Attraktion und das Ziel so mancher Spaziergänge.

Vor 50 Jahren wurde das Waldkraiburger Rathaus eingeweiht. Oswald Nikolaus und Walter Zabelt waren an dem Bau beteiligt. Für beide spielte es in ihrem Leben aber noch eine weit wichtigere Rolle.

Waldkraiburg – In zwei Wochen, am 21. Oktober, feiert das Waldkraiburger Rathaus seinen 50. Geburtstag. 50 Jahre, in denen es zahllose Menschen kommen und gehen sah. Zahllose Schicksale, die manchmal nur kurzfristig, manchmal fast ein ganzes Leben lang mit diesem prägnanten Funktionsbau der 1970er-Jahre verbunden sind. Schicksale wie die von Oswald Nikolaus (89) und Walter Zabelt (83).

Zabel hatte bei der Waldkraiburger Baufirma von Anton Antosch, die den Auftrag für den Bau erhalten hatte, gelernt und sich im Laufe der Zeit bis zum Bauleiter hochgearbeitet. Anfang der 1970er-Jahre war er bereits unter anderem für den Einsatz der Baumaschinen zuständig.

Anfangs hoppeln hier noch Hasen

Im Mai 1969 hatten die Stadträte die Baupläne abgesegnet. „Als ich mit meinem Vater das Gelände abgesteckt habe, sind hier noch die Hasen herum gehoppelt“, erzählt Zabelt.

Im September fällten Mitarbeiter des Bauhofs die Bäume und Pflanzen, und am 1. Oktober 1969 ging es los: Der Bauzaun wurde errichtet und die Baugrube ausgehoben.

Im Frühjahr 1970 begannen die Arbeiten am Fundament. Und am 10. Juli legte der bayerische Ministerpräsident Dr. h.c. Alfons Goppel persönlich den Grundstein für diesen Bau, der wie wohl kein anderer für das rasante Wachstum der Stadt und die Lebensleistung der Vertriebenen steht.

Am 28. Dezember 1970 betrat der 39-jährige Oswald Nikolaus mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in der Erzgebirgsstraße erstmals ihr Zimmer im Übergangswohnheim. Nach Jahren war dem gelernten Zimmerer aus der Nähe von Kronstadt endlich die Ausreise aus dem kommunistischen Rumänien gelungen. Die Koffer waren noch nicht ausgepackt, da suchte Nikolaus schon Arbeit.

Oswald Nikolaus hatte als Zimmerer hier seine erste Arbeit.

Am 8. Januar hatte er einen Termin bei Anton Antosch. Einen Tag später passierte er den Bauzaun und stand auf seiner neuen Arbeitsstelle: dem Rathaus-Bau.

„Tagsüber haben wir bis um vier Uhr eingeschalt. Dann kam der Fertigbeton“, so Nikolaus. Antosch war die erste Firma mit einer Betonpumpe; damals mussten zum Verfüllen noch eigenes Eisenrohre verlegt werden, ehe es losging. Das Verfüllen dauerte manchmal bis um zehn Uhr. Nikolaus war immer dabei. „Ich war froh.“ In der Zwischenzeit hatte er nämlich eine eigene Wohnung gefunden und wegen der nötigen Anschaffungen 7000 Mark Schulden. Da konnte er die Überstunden gut gebrauchen.

„Alles lief nach Plan und war picobello“, erinnert sich Nikolaus. „Wir haben es sehr gut in der vorgegebenen Zeit geschafft“, freut sich heute noch Zabelt.

„Die Leute sind in der Prager Straße spazieren gegangen, stehen geblieben und haben uns zugeschaut“, so Nikolaus. Abends gab es sogar eine Baustellenbeleuchtung. Zabelt: „Das war schon ein bisschen eine andere Baustelle.“

Waldkraiburger Wahrzeichen

Ein Prestigebau eben. Ein quadratischer, moderner Betonbau mit einem sechs Meter Raster und sehr vielen Fenstern. Dazu eine Außenfassade, deren Sichtbeton mit dem Bohrhammer von Hand aufgeraut wurde: Betonplatten von sechs auf zwei Metern. Teilweise haben bis zu sechs Leute daran gearbeitet.

Im Mai 1971 – zwei Jahre nach dem Beschluss der Stadträte – waren alle Stockwerke einschließlich Dachgeschoss fertig. Am 15. Oktober 1971 wurde Richtfest gefeiert: 20.000 Quadratmeter umbauter Raum, 3500 Quadratmeter Tiefgarage, 2100 Quadratmeter Vorplatz, 50 Büros mit je 36 Quadratmetern. Am 13. Dezember 1971 wurde der Rohbau abgenommen, im März 1972 der Bauzaun abmontiert. Im Juni 1972 tagte erstmals der Bauausschuss in den neuen Räumen, ab August zog die Stadtverwaltung ein, und am 22. September 1972 gab sich im Trauungszimmer im ersten Stock das erste Paar das Ja-Wort. Einen Monat später, am 21. Oktober 1972, folgte die offizielle Einweihung.

Für Oswald Nikolaus und Walter Zabelt war das zugleich das Ende und der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Nikolaus kündigte und machte in München seinen Meister. Danach kehrte er zu Antosch zurück und baute zusammen mit Zabelt und vielen anderen weiter Waldkraiburg auf: Dieselschule, Franz-Liszt-Schule, Gymnasium, Haus des Buches, Firmengebäude und Hochhäuser.

Ein bisschen weh tut es schon

Nach dem Aus der Firma Antosch Ende der 1980er-Jahre trennten sich ihre Wege. Walter Zabelt wechselte 1988 an das städtische Bauamt und arbeitete jetzt selber im Rathaus: nette Kollegen, äußerst geräumige Büros und ein gutes Arbeitsumfeld. 2001 ging er als Leiter des Bauamtes in Ruhestand.

Walter Zabelt koordinierte den Bau und arbeitete im Rathaus.

Nikolaus versteht es, dass das Rathaus weg soll. „Es ist vom Stadtplatz zu weit weg.“ Angesichts des Betons und der verbauten Eisenarmaturen, die dick wie Handgelenke sind, zweifelt er aber, ob der Abriss einfach wird: „Die müssen das in die Luft sprengen.“ Tut das nicht weh? „Nein. Ein bisschen.“

Zabelt würde es lieber sanieren. „Das Rathaus ist ein Wahrzeichen von Waldkraiburg und Waldkraiburg hat nicht viele: Rathaus, Kirche, Waldbad, eventuell noch der Bahnhof. Und sonst? Alles andere ist doch normal.“

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