U-18-Wahl vor der Bundestagswahl
„Das Land wieder zum Laufen bringen“: Darum wählen viele Jugendliche die Ränder
Die Erwachsenen schreiten am Sonntag (23. Februar) zur Wahlurne. Jugendliche unter 18 Jahren haben das bereits in den vergangenen Tagen getan. Welche Themen die jungen Menschen bewegen und warum sie sich oft an den politischen Rändern wiederfinden.
Buchbach/Mühldorf/Waldkraiburg – „Ich bin ein Mensch, der sich für Politik interessiert und dafür einsetzt“, sagt Edim Vejselovic bestimmt. Der 15-Jährige möchte etwas dazu beitragen, wie sich Deutschland entwickelt. Wie seine Mitschülerin Alexandra Kaußler besucht er die neunte Klasse der Grund- und Mittelschule Buchbach. Mit ihrer Schule haben sie an der bundesweiten U-18-Wahl teilgenommen.
Das heißt nicht, einfach nur ein Kreuz zu machen: Die Jugendlichen haben sich zuvor intensiv mit den Parteien beschäftigt. „Wir haben alle Wahlkurzprogramme gelesen, haben die Wahlwerbespots der Parteien angeschaut und diskutiert – erst dann haben die Jugendlichen abgestimmt“, erzählt Schulleiter Dr. Simon Dörr.
Kaußler findet es schön, dass die Schule das ermöglicht und die jungen Menschen so ein Mitspracherecht haben, sich Gehör verschaffen können. Mit 16 Jahren darf sie am 23. Februar noch nicht ihre Stimme abgeben. Auch wenn sie es sich anders wünschen würde. „Es geht auch um uns und unsere Zukunft, mit 16 Jahren ist man kein Kind mehr und kann eine Wahlentscheidung treffen“, sagt sie.
In Buchbach siegt die SPD, die AfD ist zweite
Welche Partei sie gewählt haben, möchten die beiden Jugendlichen geheim halten – ganz wie sie es gelernt haben. Beide geben jedoch an, dass sie vor allem die Klimakrise bei ihrer Wahl beeinflusst hat. „Das ist unsere Zukunft“, betont Vejselovic und auch Kaußler macht deutlich: „Es ist wichtig, was auf uns zukommt.“ Das Thema Migration spiele für sie weniger eine Rolle.
Mehr als 91 Prozent aller wahlberechtigten Schülerinnen und Schüler haben in Buchbach ihre Chance genutzt. „Das zeigt, wie wichtig ihnen ein Mitspracherecht ist“, hebt der Schulleiter hervor. Dabei merke man, dass die Jugend politisch anders denkt. Wahlsieger war an der Mittelschule Buchbach die SPD (25 Prozent), gefolgt von der AfD (22 Prozent) und der CSU (18 Prozent). Die Grünen würden mit gerade einmal zwei Prozent die Fünf-Prozent-Hürde verfehlen, während FDP (6 Prozent), die Linke (8 Prozent) und das BSW (5 Prozent) in den Bundestag kommen würden. „Man sieht deutliche Unterschiede zu den offiziellen Wahlumfragen“, sagt Dörr.
Grüne und FDP würden Fünf-Prozent-Hürde verfehlen
Das bestätigt auch der Blick auf die Landkreis-Ergebnisse der U-18-Wahl. In fünf Wahllokalen im Landkreis Mühldorf wurden insgesamt 290 gültige Stimmen abgegeben. An vorderster Stelle: Die AfD mit knapp 22 Prozent. Gefolgt von der CSU (20 Prozent), sowie SPD und Linke mit jeweils um die 18 Prozent. Ginge es nach den jungen Menschen, säßen FDP (4 Prozent) und Grüne (1,7 Prozent) in der nächsten Amtszeit nicht mehr im Bundestag.
Dass die jungen Menschen eher an den politischen Rändern wählen, ist ein deutschlandweiter Trend, der sich auch in Gesprächen mit einer neunten Klasse des Gymnasiums Waldkraiburg abzeichnet. Leonhard und Alessio würden ihre Stimme dem BSW geben. Sie beschäftigt vor allem der Russland-Ukraine-Krieg, aber auch die Energieversorgung. „Deutschland muss die Förderung der Ukraine stoppen und Sanktionen gegen Russland abschaffen, weil wir zu hohe Ausgaben haben“, erklärt Alessio.
Zwischen AfD und der Linken
Mitschüler Tommy würde sein Kreuz dagegen bei der AfD setzen, dazu habe ihm auch der Wahl-O-Mat geraten. „Für mich macht es keinen Sinn, Deutschland klimaneutral zu machen“, begründet er. Es gebe auch Punkte der Partei, die er nicht gut finde, dennoch spreche sie ihn am meisten an. Dass die anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen, findet er schade: „Wir leben in einer Demokratie, da kann man eine so große Prozentzahl an Wählern nicht ignorieren.“
Luca begeistert sich dagegen für die Linkspartei, auch die Grünen kämen für ihn infrage. Von ihnen verspricht er sich, dass sie sozialer sind, besser für die Mittelschicht und für mehr Gleichberechtigung einstehen. „Rechts kann ich sowieso nicht wählen und die CDU hat in der Migrationsdebatte die Brandmauer fallen lassen“, nennt er. Dass verhältnismäßig viele Jugendliche zu rechten Parteien tendieren, erklärt er sich damit, dass sie von ihrem Umfeld oder sozialen Medien beeinflusst werden, so in eine falsche Gruppe geraten.
Gymnasiasten befürworten Wahlalter ab 18 Jahren
Die sozialen Medien werden oft genannt, die Jugendlichen geben an, dass diese einen starken Einfluss hätten. „Die linken und rechten Parteien bespielen sehr geschickt die sozialen Medien, posten dort ansprechende Videos, mit denen sie die jungen Leute erreichen“, meint auch Lehrerin Verena Fischer. In der Hinsicht komme von den etablierten Parteien dagegen kaum etwas. Die Parteien an den Rändern würden zudem einfachere Antworten bieten, die für junge Menschen besser verständlich sind.
Dass es in Deutschland ein breites politisches Spektrum gibt, möchte Fischer den Schülerinnen und Schülern mit einer Ausstellung ihres P-Seminars im Kulturmobil des Landkreises näherbringen. Wahlplakate zeigen die Kandidaten aus der Region, Steckbriefe Politiker wie Olaf Scholz und Friedrich Merz und mit laminierten Karten lassen sich Wahlprogramme den einzelnen Parteien zuordnen.
„Soll das Land wieder zum Laufen bringen“
Für viele der Neuntklässler ist es das erste Mal, dass sie sich überhaupt mit der Wahl beschäftigen. „Ich kenne mich leider gar nicht damit aus“, sagt Sara. „Mit 16 ist man sich der Verantwortung noch nicht so bewusst“, ergänzt Maya. Wem sie bei der Juniorwahl, die die Klasse im Anschluss durchführt, ihre Stimme gibt, weiß sie da noch nicht – nur wen sie nicht wählen wird, steht schon fest.
Johannes und Maximilian haben sich bereits eine Meinung gebildet. Die Schüler der elften Klasse haben die Ausstellung mitorganisiert. „Wir möchten vermitteln, dass es wichtig ist, sich für seine Meinung einzusetzen, sobald man wählen darf“, sagt Johannes. Wie sein Mitschüler würde er seine Stimme der CSU geben, in der Hoffnung, dass diese die Wirtschaft ankurbelt und sich in der Migrationspolitik etwas ändert. Für viele junge Menschen sei unter den letzten Regierungen vieles nicht so gelaufen, wie gewünscht. „Die Parteien der Mitte werden mit Scheitern in Verbindung gebracht. Darum wählen sie jetzt extrem, das soll das Land wieder zum Laufen bringen“, mutmaßt Johannes.
Nachgefragt bei Raphael Schuster: Wie stehen Sie zur U-18-Wahl?
Raphael Schuster ist Mitglied des Mühldorfer Jugendparlaments. Die OVB Heimatzeitungen haben den 16-Jährigen gefragt, wie er zur U-18-Wahl steht.
Warum finde Sie die U-18-Wahl wichtig?
Raphael Schuster: Damit meine Interessen wirksam vertreten werden, auch auf Bundesebene.
Welches Wahlalter würden Sie sich wünschen?
Schuster: Ich selbst bin nicht für die Absenkung des Wahlalters auf Bundesebene, aufgrund der Komplexität der Entscheidungen.
Wenn Sie es verraten möchten: Welche politische Richtung oder welche Partei haben Sie gewählt?
Schuster: Dieses Jahr habe ich nicht an der Wahl teilgenommen. Ich würde aber definitiv eine demokratische Partei wählen.
Welche Themen sind Ihnen bei der Wahlentscheidung besonders wichtig?
Schuster: Eine stabile Wirtschaftspolitik, sichere Arbeitsplätze für die Zukunft, der Erhalt von Förderungen wie BAföG sowie eine friedliche, stabile und zukunftssichere Politik.




