Selbsthilfegruppe vom Blauen Kreuz
„Alkohol macht Alleinsein erträglicher“: Gottfried Menzel über Sucht während der Corona-Pandemie
Der Weg aus der Sucht ist gar nicht so einfach. Um Suchtkranken und deren Angehörigen zu helfen, bietet die Ortsgruppe vom Blauen Kreuz seine Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe an. In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Problematik zusätzlich verschärft: Wegen Corona haben die psychischen Belastungen zugenommen.
Waldkraiburg – Das Rote Kreuz kennt eigentlich jeder. Unter dem Blauen Kreuz können sich jedoch nicht alle Bürger sofort etwas vorstellen. Das Blaue Kreuz definiert sich als Anlaufstelle für Suchterkrankungen. Das Hauptanliegen dieser Einrichtung ist es, Suchtkranke und ihre Angehörigen zu unterstützen, um so einen Weg aus der Sucht beziehungsweise aus der Co-Abhängigkeit zu beschreiten.
Auch in Waldkraiburg finden regelmäßige Treffen statt. Die Hilfe ist ganz individuell gestaltet, zusätzlich wird auch eine Suchtprävention angeboten. Der christliche Glaube bietet die Grundlage für jede Arbeit im Blauen Kreuz. Der Ortsverein Mühldorf/Waldkraiburg im Blauen Kreuz wurde 1963 ins Leben gerufen. Seit 2001 führt Gottfried Menzel den Verein in ehrenamtlicher Mission. Der Neumarkter übernimmt darüber hinaus die Aufgabe des Gruppenleiters. Mit den OVB-Heimatzeitungen sprach er zum Thema Sucht und wie sich das Problem seit Beginn der Corona-Pandemie entwickelt hat.
Mit welchen Suchterkrankungen kommen die Leute zu Ihnen in die Selbsthilfegruppe?
Gottfried Menzel: Wir betreuen folgende Erkrankungen: Alkohol, Medikamente, Drogen wie Cannabis sowie Mehrfachabhängigkeiten. Zudem begleiten wir Betroffene, Angehörige von Betroffenen und Klienten zur Vorbereitung einer erforderlichen MPU – medizinisch-psychologische Untersuchung.
Hat sich das Suchtverhalten in der Pandemie verändert?
Bei vielen Personen, die schon vor der Pandemie einen riskanten beziehungsweise missbräuchlichen Umgang mit Alkohol hatten, nahm der Konsum von Alkohol zu. Dahinter stecken oft die psychischen Belastungen, welche die Pandemie auslöste. Durch Kontaktbeschränkungen verstärkten sich außerdem das Alleinsein und die Einsamkeit. Der Alkohol macht das Alleinsein vermeintlich erträglicher, der Konsum wird dadurch aber noch gefährlicher.
Wen hat es härter getroffen? Junge oder ältere Menschen oder die Alleinstehenden?
Für ältere und alleinstehende Menschen waren die Kontakte zu anderen Menschen oft die einzige soziale Möglichkeit, sich bei Zusammenkünften zu begegnen. Durch Kontaktbeschränkungen in der Pandemie fielen Gruppentreffen weg, daher waren sie für mich der besonders stark betroffene Personenkreis.
Erkenne ich selbst, wenn ich unter einem Suchtproblem leide?
Wenn aus dem gelegentlichen Alkoholkonsum ein regelmäßiger Konsum wird, kommt es zu einer Toleranzsteigerung. Daraus entwickelt sich dann immer mehr eine Abhängigkeit. Eindeutiges Zeichen eines Suchtproblems ist der Kontrollverlust. Das heißt, ich kann selber nicht mehr bestimmen, wann ich zu konsumieren beginne. Mir ist auch die Selbstbestimmung der Trinkmenge nicht mehr möglich.
Wohin kann sich ein Betroffener wenden?
Unsere Treffen finden jeden Montag um 19 Uhr in Waldkraiburg statt. Momentan kommen wir aufgrund von Corona in der evangelischen Kirche (Bunkerkirche) zusammen. Dort können wir den erforderlichen Abstand einhalten. Die Teilnahme an der Selbsthilfegruppe ist kostenlos. Hilfesuchende können sich auch unter Telefon 0 86 39/87 84 an mich wenden.