Einst feierte hier die ganze Stadt
Abriss einer Institution: Für Waldkraiburger Kultgaststätte Zappe schlägt letztes Stündlein
Zehntausende haben hier gefeiert, getanzt, gegessen, gekegelt, gebadet – die Gaststätte Zappe in Waldkraiburg war einst eine gastronomische Erlebniswelt mit dem größten Saal zwischen Rosenheim und Passau. Hier erfahren Sie, was nach dem Abriss passiert.
Waldkraiburg – Gaststätte Zappe – dieser Name hatte einst großen Klang in Waldkraiburg und weit über die Stadtgrenzen hinaus. Zappe – das war eine Institution, ein Freizeitzentrum mit Ballsaal, Schwimmbad und Bundeskegelbahnen. Vor fünf Jahren machte die Wirtschaft zu, und in diesen Tagen schlägt ihr allerletztes Stündlein. Das Gasthaus wird abgebrochen. Auf dem Areal entsteht ein fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus mit 68 Wohneinheiten.
Größter Saal zwischen Passau und Rosenheim
Juli 1968 – zahlreiche Honoratioren der Stadt und viele Schaulustige waren an der Aussiger Straße zusammen gekommen, um mit dabei zu sein, wenn Hermann Zappe mit dem symbolischen Spatenstich den Startschuss für ein gastronomisches Großprojekt gibt. Skeptiker wollten bis zuletzt nicht dran glauben, wurden aber eines Besseren belehrt.
Hallenbad mit 25 Meter-Becken
Während Ampfing und Mühldorf noch um den Standort für ein erstes öffentliches Hallenbad stritten, stellte Zappe ein privates Bad hin: mit einem 25-Meter-Becken und einer Sauna. Damit nicht genug. Der größte Fest- und Ballsaal zwischen Passau und Rosenheim sollte hier entstehen, mit 1200 Sitzplätzen, dazu Bar, Restaurant, Nebenzimmer in allen Größen.
Bundeskegelbahn und erstes Hallenbad
Eine Wirtschaft mit sechs vollautomatisierten Bundeskegelbahnen war schon da. Acht Jahre zuvor hatte Hermann Zappe das Gasthaus errichtet, das damals noch allein auf weiter Flur stand. Er wusste, dass im Waldkraiburger Westen ein Wohngebiet für 8000 Menschen entstehen sollte. Wiederholt habe die Gastwirtsfamilie Zappe den „richtigen Riecher“ bewiesen, sagt Stadtarchiv Konrad Kern.
Nach dem Krieg aus dem Sudetenland gekommen
Die Zappes kamen wie so viele Waldkraiburger nach dem Krieg aus dem Sudetenland. Und Hermann Zappe hatte sich schon 1946 als Meister seines Fachs erwiesen, als er bei der Brauerein in Jettenbach Bier für Waldkraiburg organisierte, das damals noch Mangelware war.
Die 1970er- und 80er-Jahre waren die besten Zeiten
In den 1960er-Jahren ging es aufwärts. An die 1970er-und 1980er-Jahre erinnerte Sohn Harri Zahn, der 1970 mit seiner Frau Erika das Haus übernommen hatte, als „die besten Jahre“ (siehe unten).
Bad und Festsaal sind längst abgerissen
Doch zwei Drittel des Jahres stand der Saal leer, immer wieder musste Geld in den Unterhalt gesteckt werden. 1992, nach dem Bau des Hauses der Kultur, wurde der Saal abgerissen und drei Wohnblöcke an seine Stelle gesetzt. Schon über ein Jahrzehnt zuvor war das Hallenbad geschlossen worden, weil es ein Zuschussgeschäft war. Es wurde durch ein Fitnessstudio ersetzt.
Viele Jahre auch Volksfestwirt
Harri Zappe, der auf so vielen Hochzeiten tanzte, bis in die 1980er-Jahre hinein auch Volksfestwirt war und lange sogar den Vergnügungspark organisierte, zog sich 1996 zurück. Der Betrieb wurde an die Brauerei verpachtet, die neue Pächter suchte.
Bewährt hat sich das nicht. 2003 kehrten die Zappes noch einmal in Küche und Schänke zurück, um 2015 dann die Tür endgültig zuzumachen.
„Das wird keine Wirtschaft mehr“, meinte Zappe damals zum Abschied. Er sollte Recht behalten. Spätestens in zwei Monaten wird das fast 4000 Quadratmeter große Grundstück geräumt sein. Das Ende vieler Geschichten.
Stadtjubiläen und eine Skandalnacht
Große Hochzeiten und Jubiläumsfeiern Tanzveranstaltungen und -turniere hat der Zappe-Festsaal gesehen, rauschende Ballnächte. Allein in einer Saison kamen damals nach einem Bericht der Heimatzeitung mehr als 12 000 Besucher zu 15 Bällen. Auch das südostbayerische Gardefestival, das heute die Narrengilde Kraiburg organisiert, ist beim Zappe entstanden.
1972 kam der Bayerische Rundfunk , um hier eine große Schlagertanzparty zu veranstalten. Schlagerstars wie Rex Gildo und Chris Roberts wurden von ihren weiblichen Fans im Zappe-Saal umlagert. Und sogar für einen richtigen Skandal hatte die Wirtschaft ein Jahr zuvor gesorgt, als sich ein Münchner Veranstalter einmietete, um den „1. Inntaler Sexball“ zu veranstalten, mit Go-Go-Girls, Oben-ohne-Frauenband und „Miss-Busen-Wahl“.
Tausend Besucher lockte dieses Programm an, das nicht annähernd gehalten haben soll, was es versprach und in einem gellenden Pfeifkonzert zu Ende ging.
Einigen Waldkraiburgern war aber so viel Freizügigkeit entschieden zu viel. Der Wirt und sogar der Bürgermeister, der mit der Veranstaltung gar nichts zu tun hatte, wurden angegangen und bedroht.
Am Alleinstellungsmerkmal der Gaststätte änderte das nichts. „Viele Jahre hatte der Zappe-Saal auch die Funktion eines Stadtsaals“, sagt der Stadtarchivar. Feiern zu großen Gemeinde- und Stadtjubiläen fanden hier statt. Auch politische Kundgebungen, etwa mit Otto von Habsburg.hg



