Fischer fanden Knochen und Zähne im Inn
50 Jahre nach Sensationsfund bei Gweng: Darum ist der Urelefant für die Wissenschaft so wichtig
Knochen und Backenzähne haben vor 50 Jahren Angler am Inn entdeckt. Ein Zufallsfund. Einzelfunde fossiler Knochen gibt es zwar immer wieder, aber die Knochen von Gweng waren eine Sensation. Von der anfangs keiner wusste.
Waldkraiburg/München – Es sind die Überreste eines Gomphoteriums, die am Steilhang des Inns nach Millionen Jahren wieder zu sehen sind. Und je weiter gegraben wird, desto mehr Knochen tauchen auf. Doch was macht den Fund am Innufer von damals so besonders? „Das Skelett ist fast vollständig erhalten“, erklärt Dr. Gertrud Rößner, Oberkonservatorin für fossile Säugetiere der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie. Etwas mehr als 200 Knochen hat ein Gomphoterium, bei Gweng konnten 170 geborgen werden. Warum das Skelett fast vollständig erhalten ist, dazu gibt es nur Vermutungen.
Komplizierter Fund am Steilhang
In der Regel werden Kadaver von Raubtieren schnell zerlegt, einzelne Skelettteile verschleppt. Hier war es anders: Viel Zeit kann nicht geblieben sein, um das Gomphoterium zu zerlegen, doch die Knochen lagen auch „nicht mehr im Verbund“. „Es war noch eine Bewegung im Sediment“, sagt Gertrud Rößner.
Der Fund war kompliziert, denn die Knochen lagen am Steilhang, direkt in der Wasserlinie. „Anfangs war nicht einmal klar, dass ein ganzes Skelett zu finden sein wird“, sagt die Konservatorin. Gestein am Inn-Steilhang musste abgegraben, die Fundstelle abgedämmt werden. Nur mithilfe schweren Geräts der Innwerke Töging ließ sich das machen. „Aus eigener Kraft hätten wir das nicht geschafft.“ Eine Ausgrabung gegen die Zeit, um die vielen Knochen zu retten.
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Sie sind Zeugen eines subtropischen Lebensraums, in dem vor etwa elf Millionen Jahren das Gomphoterium lebte. „Das macht deutlich, wie anders der Lebensraum hier war. Fremdartig, wärmer“, sagt die Paläontologin. Mit dem Urelefanten hätten hier auch Nashörner, Krokodile und Riesenschildkröten gelebt, deren Lebensraum mehr als 15 Millionen Jahre existiert habe. Und mit ihnen auch ein Deinotherium giganteum.
Ein fast vollständiger Unterkiefer des Deinotherium wurde nur ein Jahr früher – also 1970 – auf der gegenüberliegenden Innseite bei Ebing von einem Fischer gefunden.
Die beiden Urelefanten haben sich damals den Lebensraum zwar geteilt, dass sich die beiden begegnet sind, hält die Wissenschaftlerin aber für unwahrscheinlich. Während das Gomphoterium vier Stoßzähne hat, zwei oben und zwei unten, hat das Deinotherium nur ein Stoßzahnpaar, das nach unten gekrümmt ist. Das Gomphoterium von Gweng hat eine Schulterhöhe von drei Metern. Wie groß der Ebinger Urelefant gewesen ist, darüber lässt der Unterkiefer allein keine Rückschlüsse zu. Aber es war ein besonders großes Exemplar. „Es gibt Funde, die darauf schließen lassen, dass diese Art zwischen vier und fünf Meter groß wurde.“
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Die Paläontologin will nicht ausschließen, dass auch künftig noch Fossilien am Inn entdeckt werden. „In der oberen Süßwassermolasse gehörten Fossilien dazu.“ Doch das Skelett des Gomphoteriums von Gweng bleibt nicht nur aufgrund seiner Vollständigkeit ein „unglaublicher Glücksfall“. „Das Skelett ist das Einzige, das wissenschaftlich bearbeitet worden ist. Ein „unglaublicher Wert für die Wissenschaft.“
Der Schädel wurde rekonstruiert
Mehrere Monate dauerten die Grabungsarbeiten, danach begann die aufwendige Präparationsarbeit. Abgussformen eines jeden Knochen wurden erstellt und diese dann zusammengesetzt. „Der Schädel war nur zum Teil erhalten“, erklärt Rößner. Erst durch Vergleiche mit anderen Schädelfunden konnte dieser rekonstruiert werden. 1975 wurde nachträglich an der Fundstelle noch einer der oberen Stoßzähne geborgen, der zweite wurde nie gefunden. Sechs Jahre dauerte es, das Skelett komplett zu rekonstruierten.
Gemeinsames Projekt der beiden Städte geplant
Heute hat der Skelettabguss des Gomphoteriums im Lichthof des Paläontologischen Museums einen prominenten Platz bekommen. Seinen Platz im Landkreis Mühldorf sucht der Urelefant noch. Ein Wanderweg zur Fundstelle ist zurückgebaut, erst seit Sommer erinnert wieder eine Informationstafel an den urzeitlichen Fund. Doch dabei soll es nicht bleiben. Waldkraiburgs Bürgermeister Robert Pötzsch und Mühldorfs Bürgermeister Michael Hetzl bekräftigten, dass es zu den beiden Funden ein gemeinsames Projekt geben soll. Nur an anderer Stelle.
