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Schnaitseer von Lehre bis Rente bei selber Holzbaufirma

Fast 50 Jahre Zimmerer: „Kirchturm-Klettern nicht ganz ungefährlich, aber eine riesen Gaudi“

Franz Gmeindl fast 50 Jahre Zimmerer bei der selben Holzbaufirma
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Fast 50 Jahre blieb Franz Gmeindl der Holzbaufirma Köhldorfner treu - und erinnert sich an besondere Momente aus seinem Berufsleben als Zimmerer.

49 Jahre und ein paar Monate - Franz Gmeindl blieb seiner Holzbaufirma in Schnaitsee über Jahrzehnte treu. Zum Renteneintritt erinnert er sich an Anekdoten, die er im Laufe seines Zimmerer-Daseins erlebt hat - wie das Herunterhangeln an Kirchtürmen der Region.

Schnaitsee - An seinen ersten Arbeitstag kann er sich noch erinnern, als sei es gestern gewesen. Im zarten Alter von 15 Jahren startete Franz Gmeindl aus Rupertsham seine Lehre bei der Holzbaufirma Köhldorfner - rund fünf Kilometer von seinem elternlichen Hof entfernt.

„Ich fuhr mit dem alten klapprigen Radl von der Mama zur Arbeit - da hatte ich noch kein Mofa. Jessas, war ich aufgeregt“, erinnert sich der 64-Jährige im Gespräch mit chiemgau24.de. Noch im ersten Lehrjahr trug ihm der heutige Senior-Chef an, Holzdecken abzuschleifen und zu versiegeln. „Du kannst das schon“ hieß es damals salopp im typischen Handwerker-Slang.

„Kirchturm-Klettern heutzutage undenkbar“

Der klassische Wurf ins kalte Wasser - und Franz hat sich im Laufe der Jahre so gut freigeschwommen, dass die Restaurationen von Kirchtürmen in der Umgebung zu seinem Steckenpferd wurden. Das Schindel-Legen hat es ihm angetan.

Einmal, so räumt er mit einem breiten Grinsen ein, hätten sie sich im Wettlauf gegen die Zeit am Außengerüst der Schnaitseer Kirche heruntergehangelt. Das war Anfang der 80er. „Das Kirchturm-Klettern war nicht ganz ungefährlich, aber eine riesen Gaudi - und heutzutage undenkbar.“

Letztes Projekt: „Corona-Kapelle“

Alte Bauten wie Kirchen oder Denkmäler haben ihn schon immer in seinen Bann gezogen. Sobald es eine Arbeit in einer Kirche gab, war Franz‘ erste Handlung, zu schauen, an welcher Stelle sich die Erbauer verewigt haben. Zumeist war das eine Schnitzerei oder ein Stempel - quasi die Handschrift des Zimmerers.

So war es keine Frage, dass sein letztes großes Projekt der Bau der „Corona-Kapelle“ am Ortsrand von Schnaitsee war. Als Gedenkstätte an die schwere Zeit der Pandemie stiftete die Unternehmerfamilie Scherer die Kapelle, die mit ihrer runden Form an das Virus erinnern soll. Erbaut hat sie der Franz - sichtlich mit Stolz: „Das war definitiv eins meiner Highlights.“  

Die „Corona-Kapelle“ - das letzte große Projekt von Franz Gmeindl steht am Ortsrand von Schnaitsee.

„Im Umkreis von 25 Kilometern kennt er jede einzelne Kirche“, bestätigt Geschäftsführer Michael Köhldorfner junior. Er habe damals noch unter Franz in der Firma des Vaters begonnen und gelernt, Franz kennt ihn von klein auf.

Auch für Michael etwas Besonderes, einen Mitarbeiter so lange im selben Betrieb zu haben. 49 Jahre und ein paar Monate war er bei der Firma Köhldorfner tätig. „Ich habe den Franz nie narrisch gesehen - er legte Wert auf eine harmonische Zusammenarbeit - egal, welche Herausforderungen oder Ärgernisse es gab, er war immer gut drauf.“

„Wenn nicht Zimmerer, dann Landwirt“

„Ich habe gerne gearbeitet und mich ärgern, das liegt mir einfach nicht“, ergänzt Franz. „Der Job muss Spaß machen, sonst geht man nervlich unter. Ich kann nur jedem raten, der Zimmerer werden möchte, es sich anzuschauen und wenn es einem gefällt, zu bleiben. Wieso wechseln, wenn es passt?“ lautet die knappe Erklärung über fast fünf Jahrzehnte Berufserfahrung.

Heutzutage ist es eher selten, jemanden anzutreffen, der so viele Jahre bei ein und der selben Firma gearbeitet hat. „Es gibt immer welche, die sprunghaft sind und nach fünf verschiedenen Berufen immer noch unzufrieden sind. Das soll jeder so handhaben, wie er meint. Wenn ich nicht Zimmerer geworden wäre, hätte ich Landwirt gelernt“, betont Franz und unterstreicht, dies sei jedoch an der Größe des elterlichen Hofs gescheitert. „Er war schlicht zu klein.“

Arbeitsunfall: Holzbrett rettete ihm das Leben

In der handwerklichen Branche bleiben Berufsunfälle nicht aus. Einmal, ist sich Franz sicher, sei er dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen. In München ist er gute sechs Meter in eine Baugrube in die Tiefe gestürzt und auf einem Brett gelandet, das den Absturz abfederte. „Das hat mir das Leben gerettet.“

Seit drei Jahren plagt ihn seine Schultern, nachdem er gestolpert und sich die Sehne gerissen hat. Der Arzt riet ihm ab, weiterzuarbeiten. Franz aber wollte bis zum Ruhestand durchziehen - und wurde erfinderisch: „Nachdem ich nicht mehr mit den Händen hoch heben konnte, musste eben der Kopf als Stütze herhalten“, schildert er lachend.

Neue Aufgabe: Aussterbende Rinder-Rasse züchten

Jetzt, wo er Zeit hat, möchte er sich wieder mehr der Landwirtschaft, seinem Wald und in erster Linie den Tieren widmen: Einige Bienenvölker darf er schon sein Eigen nennen. Außerdem sein Ziel: Die Zucht von Murnau-Werdenfelser-Rindern, einer aussterbenden Rasse - in Bayern existieren nur mehr 1200 Stück.

Ein bisserl Wehmut schwingt schon mit in seinen Erzählungen: „Ich war immer gerne hier, habe mich mit den Chefs gut verstanden und die Truppe war super. Wir hatten vereinzelt auch Frauen in der Kollegschaft, was noch immer recht ungewöhnlich ist in der männerdominierten Handwerker-Branche.“

Ziel vor Augen: Aufs Dach von Schloss Herrenchiemsee

Am letzten Tag - am 21. Juni - wurde Franz vom Team mit einem Weißwurst-Frühstück überrascht. Wie er sich da gefühlt hat? „Es war rührend - aber gleichzeitig auch komisch, ab jetzt nicht mehr jeden Morgen zur Arbeit zu gehen.“

Seinen Nachfolger, Anfang 20, der sich künftig um die Kirchen der Region kümmert, hat er noch eifrig eingelernt. Und Franz hat natürlich auch noch ein Ziel vor Augen: Als Köngistreuer einmal aufs Dach des Schlosses Herrenchiemsee: „Das probiere ich, ob ich da rauf komme“, sagt er siegessicher.

mb

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