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Maskerade total in Schnaitsee

„Keine Idee zu blöd“: Das ist die faschingsnärrischste Familie der Region

Ein Griff in den Fundus im Keller und ruckzuck verkleidet: (von links) Angela Sewald, Christian Sewald, Angelika Sewald-Löffelmann, Marina Sewald, Franz-Xaver Sewald und Eric Löffelmann.
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Ein Griff in den Fundus im Keller und ruckzuck verkleidet (von links): Angela Sewald, Christian Sewald, Angelika Sewald-Löffelmann, Maria Sewald, Franz Xaver Sewald und Eric Löffelmann.

Die Sewalds und Löffelmanns aus Schnaitsee sind die ungekrönten Meister im Maskieren. „Keine Idee ist blöd genug, um sie nicht umzusetzen“, sagen sie. Trotzdem gibt es ein ungeschriebenes Gesetz bei der Kostümwahl. Welche Rolle dabei eine Übersee-Truhe spielt.

Schnaitsee - 23 Kostüme bei 32 Veranstaltungen in einer Saison: Das ist der Rekord von Angelika Sewald-Löffelmann. Eine Zahl, die bei Faschingsmuffeln Fassungslosigkeit auslöst, doch gar nicht so verwunderlich ist, wenn die 59-Jährige aus Schnaitsee einen Blick in ihren Keller ermöglicht. Hier stapeln sich jetzt, in der Hoch-Zeit der närrischen Saison, Kisten voller Accessoires, hängen an Kleiderständern dicht an dicht Gewänder. Innerhalb von wenigen Sekunden haben die Sewalds und Löffelmanns nach ein paar Griffen in die Kartons die verrücktesten Kostümierungen zusammengestellt. Aus Ingenieur und Autoverkäufer, Unternehmenssprecher und Kundenschalterangestellte der Wasserburger Zeitung, Praktikantin und Rentnerin werden Gangster und Gauner, Rockstars und tierische Gesellen.

Außerirdische: Angelika Sewald-Löffelmann und Ehemann Ingo im Fasching 2003

Angefangen hat der riesige Fundus der Familie mit einer kleinen Truhe. In ihr sammelte die heute 82-jährige Angela Sewald, die Seniorchefin der närrischen Truppe, vor über 60 Jahren die ersten Kostüme. Ihr Mann, der in einer Faschingskapelle mitspielte, hatte sie mit seiner Leidenschaft für die fünfte Jahreszeit angesteckt. Das junge Paar ging gerne verkleidet aus.

Angelika Sewald-Löffelmann als Puffmutter, begleitet von ihrem Bodyguard Christoph Dettenbeck.

Schatzkammer an Gewändern

Damals gab es viel mehr Bälle und Züge als heute, erinnert sich Angela Sewald. Weggeworfen wurde am Aschermittwoch jedoch nichts. Die 82-Jährige, noch immer närrisch gut drauf, sammelte so im Laufe der Jahre eine Schatzkammer an Gewändern, Kopfbedeckungen, Perücken, Brillen, Schmuck, Hüten und Materialien aller Art zusammen. Eine Kiste reichte bald nicht mehr aus, eine Truhe musste her, mittlerweile ist der Dachboden ein Fundus, der einem Theater alle Ehre machen würde. Und auch in den Häusern ihrer Kinder, bei den Söhnen Christian und Franz Xaver sowie bei Tochter Angelika hat sich ein Kostümfundus entwickelt.

Düse, Düse im Sauseschritt: Der Clan und Freunde 1989 beim Frauenbundfasching, hinten Schnaitsees heutiger Bürgermeister Thomas Schmidinger
Angelika Sewald-Löffelmann als Wertstoff-Lady: Mülltüten, leere Plastikflaschen und Abfälle, zusammengestellt für ein Kostüm.

Denn alle machen begeistert mit beim Entwerfen von Verkleidungen. Kein Familienmitglied hat sich bisher dieser Leidenschaft entziehen können, sagt Maria Sewald, 20, die einzige, die sich selten kostümiert – aber auch nur, weil sie als Gardemädchen in der Endorfer Faschingsgilde tanzt. Dort sind die Kostüme naturgemäß festgelegt durch das saisonale Programm und die Gardeuniform.

Maria Sewald hat als einzige als Gardemädchen in der Endorfer Faschingsgilde wenig Möglichkeiten, beim Kostümieren kreativ zu werden.

Zur Zeit, als ihre Großmutter in ihrem Alter war und im Fasching einen wahren Ausgeh-Marathon bewältigte, war das Geld knapp. Standardkostüme zum Kaufen wie heute in fast jedem Discounter gab es noch nicht. Angela Sewald schneiderte und bastelte ihre Gewänder selber. An das erste kann sie sich noch gut erinnern: Sie ging als Schneeflocke mit lauter Wattebäuschchen am weißen Kleid. Später als Jäger im geliehenen Trachtenanzug des Vaters, dann als Mozart oder als Münchner Kindl.

Die Queen (Angelika Sewald-Löffelmann) und Matthias Maier als Prinz Philipp.

Ihre Kinder erinnern sich gerne an die Basteleien im Elternhaus: Wenn ein Teil als Inspiration diente, das Kostüm dann langsam Stück für Stück Gestalt annahm – im gemeinsamen Tun. „Der Weg ist das Ziel“, sagen Christian und Franz Xaver Sewald. Bis heute ist es ein ungeschriebenes Gesetz in der Familie: Jede Maskierung muss möglichst selbstgemacht sein. Geht nicht, gibt es nicht. Die Sewalds nennen ein Beispiel: Wolle jemand als Jumbojet gehen, werde nicht gesagt, das sei unmöglich, sondern nur gefragt: Wie lang soll denn die Spannfläche sein?

Faschingshochzeit 1990: Die ganze Familie ist am Start, den Kinderwagen schiebt Angela Sewald.

Ab dem Beginn eines jeden Jahres sammeln sich im Haus von Seniorin Angela Sewald bis heute die Familienmitglieder, stöbern in den Truhen, probieren an, entwickeln Ideen, verwerfen sie wieder, schneidern, basteln, nähen. So entstehen die verrücktesten Maskierungen: grasgrüner Frosch, glitzernder Goldfisch, Elefant mit riesigen Füßen, keckes Stubenmädchen, mondäne Madame Pompardur, feurige Brasilianerin, die Comedian Harmonists, alle in Frack. Auch Freunde der Familie dürfen auf dem Dachboden stöbern und sich das eine oder andere Teil ausleihen.

Treue Begleiterin - nicht nur im Fasching: Christian Sewald mit Schneiderpuppe Susi

Unterwegs mit „Susi“

Christian Sewald, von Beruf Vertriebsberater, machte jahrelang im Fasching mit seiner Begleitung, einer Schneiderpuppe, Furore. Die „Susi“ fuhr in der närrischen Zeit mit ihm im Auto, begleitete ihn ins Lokal, hielt sein Glas, schwebte mit ihm sogar über die Tanzfläche. „Eine tolle Frau“, sagt der 55-Jährige schmunzelnd, „sie hat mir nie widersprochen.“ Susis Zeit war erst vorbei, nachdem Christian Sewald seine jetzige Frau kennengelernt hatte. Seitdem wohnt die Puppe für immer im Kostümschrank.

Wenn der Vater mit dem Sohne: Ingo Löffelmann als Schwarzwaldmädel, Sohn Eric als Diva.
Für jeden Spaß zu haben: Eric Löffelmann im Tütü.

Tradition bei den Sewalds und Löffelmanns hat außerdem, dass sich die Männer auch mal als Frauen verkleiden. Eric Löffelmann, 26, fand es deshalb schon im Kindergarten selbstverständlich, dass er nicht als Cowboy geht, sondern als Prinzessin. Eine damals mutige Entscheidung. Als junger Mann trumpfte er vor einigen Jahren als Ballerina mit Tütü auf. Sein Onkel Christian hat auf einem Sportlerball einmal sogar einen Striptease gezeigt. Er hat sich wortwörtlich bis auf die Knochen ausgezogen: Aus der Frau wurde ein Skelett.

Zog sich im Fasching bis auf die Knochen aus: Christian Sewald 1987.

Sein Bruder Franz Xaver saß im Fasching schon einmal als Schotte im Käfig eines Gorillas - ein anstrengendes Unterfangen, denn an der Bar gab es für dieses Konstrukt kaum Platz. Er findet: „Im Fasching braucht man auch Mut zur Hässlichkeit“. „Und viel Fantasie“, ergänzt seine Schwester Angelika. Eine rote Nase und ein Hütchen aufsetzen, Luftschlangen umhängen: Das ist für sie keine Maskierung, sondern ein schlechter Witz. Trotzdem geht es nicht darum, mit besonders ausgefallenen Kostüme aufzufallen, sagen die Familienmitglieder einhellig. „Uns geht es um den Spaß, um die Verwandlung, um die Kreativität.“

Er hat die Familie mit seiner Leidenschaft für den Fasching angesteckt: der verstorbene Franz Sewald als Clown mit den Kindern Angelika, Christian und Franz Xaver.

Sie ist auch Garant dafür, dass so manche Faschingsveranstaltung ausgefallen ausgestattet wird. Der Clou war ein 14 Meter langer und sechs Meter breiter Schädel aus dem Fundus des Salzburger Festspielhauses, in dem die Sewalds und Löffelmanns 2003 in Schnaitsee für den Faschingsverein eine Karaoke-Bar eröffneten. Das Teil musste per Schwertransport angeliefert werden.

Ein Schädel aus dem Fundus des Salzburger Festspielhauses diente als Karaoke-Bar.

Corona war eine schwere Zeit

Die Pandemie war für die faschingsverliebte Familie deshalb eine schwere Prüfung. Keine Bälle, keine Partys, keine Faschingszüge. Die Mitglieder feierten per Zoom, „doch das war irgendwie nichts“, bedauert Franz Xaver Sewald. Umso größer ist heuer die Begeisterung für die Maskierung. Eric Löffelmann hat sich acht Tage Urlaub genommen, um den Fasching voll auskosten zu können. Bruder Philipp, 24, freut sich schon närrisch. Er geht heuer als Dusche. Das ganze Jahr hindurch sammelt er auf dem Handy Ideen für Kostüme, bevor der Blick in die Überseekiste und Schränke fällt, ob was Passendes dabei ist. Alle Gewänder sind mit Gummizug versehen, passen also der zierlichen Maria ebenso ebenso wie den kräftigeren Männern der Familie. Und was nicht passt, wird passend gemacht. Dann sitzen die Frauen und die Oma an der Nähmaschine – oft bis spät in die Nacht, damit alles pünktlich fertig wird.

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