Ein Blick ins Archiv von Neumarkt-St. Veit
Pandemie, Krieg und Inflation: Diese verblüffenden Parallelen weisen die Volksfeste von 1922 und 2022 auf
Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und jetzt die schleichende Inflation: Die Volksfeste der Jahre 1922 und 2022 weisen einige interessante Parallelen auf. Die Stichworte ähneln sich auch nach 100 Jahren.
Neumarkt-St. Veit – 1922 waren die Folgen des Ersten Weltkriegs noch nicht überwunden, es kam zu einem weltweiten Konjunktureinbruch. Der Geldwert sank ständig, so hatte die Mark im Oktober 1921 noch ein Hundertstel ihres Wertes vom August 1914, im Oktober 1922 nur mehr ein Tausendstel. Dies waren die Rahmenbedingungen für die Mitglieder des Marktgemeinderates in Neumarkt, als sie Winter 1921/22 über die Abhaltung eines Volksfestes diskutierten. Es gab viele kritische Stimmen – aber am Ende sprach sich die Mehrheit für die Abhaltung aus. Schon allein deswegen weil das letzte Volksfest schon 18 Jahre zurücklag und das folgende Ende August 1914 wegen der Mobilmachung für den Ersten Weltkrieg abgesagt werden musste.
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Der Redakteur Hermann Döring vom Neumarkter Anzeiger kommentierte die Festtage, die auf den 8. bis 11. September 1922 festgelegt wurden: „Neumarkt, das von dem wirtschaftlich mächtig aufstrebenden Mühldorf fast erdrückt wird, will und muss auch einmal zeigen, dass es noch lebt und dass es wirtschaftlich noch recht lebensfähig ist“.
Gesagt, getan: Ab März 1922 waren die neugebildeten Volksfest-Arbeitsausschüsse unter der Leitung von Bürgermeister Franz Schötz bereit.
Fast alle Neumarkter Geschäftsleute und viele Mitglieder der örtlichen Vereine arbeiteten für das Gelingen des Volksfestes mit. Es gab einen Bauausschuss, einen Dekorations- und Beleuchtungsausschuss, einen Vergnügungs- und Glückshafenausschuss, einen Radrennausschuss und einen Absperrausschuss.
Schwieriger Part für den Finanzausschuss
Für die entsprechende Werbung sorgte der Propagandaausschuss mit Hermann Döring an der Spitze und um das Sanitätswesen kümmerte sich Zahnarzt Wiesmann. Den schwierigsten Teil hatte der Finanzausschuss unter dem 2. Bürgermeister Karl Kuhn zu erledigen. Dessen Aufgabe war es, die sich ständig veränderten Preise und Kosten mit den vorhandenen Möglichkeiten und Einnahmen so in Einklang zu bringen, dass das Unternehmen nicht in einem finanziellen Fiasko endet. Als bestes Beispiel dient die Entwicklung des Bierpreises. So kostete ein Liter Bier im Januar 1922 drei Mark, im Mai bereits sieben und im August war er schon auf zehn Mark davon galoppiert. Für das Volksfest musste der Preis für eine Maß Bier auf 32 Mark festgesetzt und die Verträge mit den Brauereien und Wirten ausgearbeitet werden.
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Mit der Bierversorgung wurden die Genossenschaftsbrauerei Neumarkt a. Rott und die Klosterbrauerei St. Veit betraut. Die Festzeltwirte wurden verpflichtet, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, Bettler, unsittliche Lieder und Aufführungen, unanständige Schaustellungen, Feuerwerke in ihren Zelten nicht zu dulden und für gute und bekömmliche Lebensmittel und Getränke zu sorgen“.
22 Einzelveranstaltungen zum Festprogramm
Man wollte dem Publikum etwas Besonders bieten und bereitete den Festplatz zwischen dem Schloss Adlstein und dem Tegernbach entsprechend vor, er war 1922 etwa doppelt so groß wie der im heurigen Jahr.
Die Gäste wurden während der vier Tage mit immer neuen Sehenswürdigkeiten überrascht. Allein 22 verschiedene Einzelveranstaltungen waren Teil des umfangreichen Festprogramms.
Wie Redakteur Hermann Döring dazu schreibt, sollte das Volksfest nicht nur der Vergnügungssucht frönen. Es wurde beschlossen, das Volksfest mit einer großen Bezirkstierschau und einer großen Gewerbeausstellung zu verbinden.
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Der landwirtschaftliche Bezirksverein Neumarkt a. Rott unter der Leitung vom St. Veiter Schlossbesitzer Otto Hertrich hatte für die Vorführung und Prämierung von Pferden und Rindern Preise ausgeworfen. Dazu kam noch die Geflügelausstellung sowie die Vorlegung der Erzeugnisse auf den Gebieten des Feld- und Gartenbaues, der Obst- und Bienenzucht.