Aufbruch in die Moderne
Weihnachten 1917 - Neumarkt-St. Veit steht unter Strom
Der Übergang von Neumarkt an der Rott in die moderne Zeit begann mit der Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs am 15. Oktober 1875. Die Veränderungen des Marktes gingen dann rasch voran: 1883 wurde ein Krankenhaus gebaut und 1886 der Neumarkter Anzeiger gegründet. Ein wichtiger Meilenstein war 1917.
Neumarkt-St.Veit – Im Jahre 1891 wurde die erste Kanalisation in Betrieb genommen, der Marktplatz gepflastert und vor den Häuserzeilen erstmals Gehsteige gebaut. 1893 wurde das erste öffentliche Freibad seiner Bestimmung übergeben und im Jahre 1904 der Ort an das Telefonnetz angeschlossen.
Was noch fehlte, war eine moderne zentrale Wasserversorgung und der Anschluss an den neuesten Energieträger der damaligen Zeit, dem elektrischen Strom.
Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Marktplatz unbeleuchtet. Erst der um 1840 gegründete „Verschönerungsverein Neumarkt a. Rott“ versuchte, hier Abhilfe zu schaffen und stellte die Summe von 60 Gulden bereit, um ein paar Laternenpfähle im Marktplatz aufstellen zu lassen. Diese waren oben mit einem Glasgehäuse ausgestattet, in der eine Kerze für das nötige Licht sorgte.
Nachtwächter kümmerte sich um das Anzünden und Löschen der Kerzen
Diese rechtzeitig anzuzünden und bei Tagesanbruch wieder auszulöschen war Aufgabe des Nachtwächters.
Ungefähr 50 Jahre funktionierte das so recht und schlecht, bis 1891 der Betrieb dieser Laternen auf Petroleum umgestellt wurde. 20 Jahre später befürwortet der Magistrat, diese Beleuchtung mit dem heller scheinenden Leuchtgas auszurüsten.
Entscheidung für Leuchtgas war nicht glücklich
Keine gute Entscheidung, denn nicht nur die Kosten waren ein Problem, auch die Handhabung hatte ihre Tücken, wie 1905 einem Bericht des Neumarkter Anzeigers zu entnehmen war: „Acetylen-Unglück durch Explosion im Rückgebäude des „Hotel zur Post“, wobei der Hausmeister Weindl im Alter von 31 Jahren vollständig zerfetzt wird“.
Diese Beleuchtungstechnik, die im Jahr 1912 kam, war aber schon damals nicht mehr Stand der Technik. Bereits 1906 stellte die Münchner Firma Falter und Guilleaume ein Gesuch an den Magistrat zur Installation einer „Elektrischen Kraft- und Beleuchtungsanlage“ mit einer Laufzeit von 30 Jahren.
Weitere Artikel und Nachrichten aus der Region Mühldorf finden Sie hier:
Das Projekt scheiterte, genauso wie Versuche zwischen 1908 und 1910, Neumarkt mit dem Strom vom Elektrizitätswerk in Ödmühle (bei Mühldorf) zu versorgen.
Auch der Vorschlag vom Bürgermeister Franz Paul Einmayr, dass Neumarkt ein eigenes Elektrizitätswerk errichten soll, wurde nicht realisiert.
Oberbayerische Überlandzentrale kümmerte sich um den Ausbau der Stromversorgung
Für den endgültigen Durchbruch sorgte die 1911 die in München gegründete Oberbayerische Überlandzentrale AG (OBÜZ), die sich fortan um den Ausbau der Stromversorgung in Oberbayern kümmerte.
Am 6. Mai 1917 wurde der Vertrag mit der OBÜZ unterzeichnet. Die Anmeldungen für den Einbau von elektrischen Lampen und Motoren waren so zahlreich, dass bald mit der Einrichtung begonnen werden könnte, vermeldete am 16. Juni der Neumarkter Anzeiger. Auch die Gemeinde selbst beteiligte sich an der Einführung der elektrischen Beleuchtung und bestellte 20 Straßenlampen und 40 Innenlampen für ihre Schulhäuser.
Goldenes Zeitalter wird prophezeit
Im November 1917 berichtet Hermann Döring im Neumarkter Anzeiger, „dass die Helfershelfer der OBÜZ eifrig an der Arbeit sind. Ein Wald von Masten erhebt sich innerhalb und außerhalb des Marktes, um für elektrische Hochspannung zu sorgen. Das goldene Zeitalter bricht für Neumarkt an, hoffentlich genießen wir das bald als Friedenszeit“.
In der Zeitungsausgabe vom 20. November 1917 steht zu lesen: „Nachdem der hiesige Markt und die umliegenden Gemeinden durch die OBÜZ mit Elektrizität versorgt werden und die Anlage demnächst in Betrieb gehen wird, ist nun auch dem hiesigen Bahnhof die Genehmigung dazu erteilt worden. Zurzeit wird an der Anlage schon gearbeitet und bald wird auch der Bahnhof Neumarkt a. Rott im schönsten elektrischen Licht erstrahlen“.
Gespannt warteten die Bürger auf die Inbetriebnahme, die dann kurz vor Heiligabend im Neumarkter Anzeiger vermeldet wird: „Der elektrische Strom ist da, er brennt schon in den hausinstallierten Betrieben, für Neumarkt ist dies ein Schritt von großer Bedeutung, denn industrielle Anlagen mit elektrischen Betrieb können hierorts jetzt ihren Einzug halten“.
Elektrischer Strom war wichtiger Schritt
Aber die Einführung neuer Techniken machte auch Probleme und längst sind nicht alle Kinderkrankheiten behoben.
Mitte September 1918 vermeldete Hermann Döring: „Verfluchte Elektrizität! Einmal zu wenig, einmal gar kein Strom, dann läuft wieder alles rückwärts. Das kann sauber werden, wenn erst der Winter kommt und die Herren Monteure sitzen in Mühldorf!“ hsc