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Nur jeder fünfte Baum in Deutschland gesund

Nach Axt-Angriff und Umzug: Warum die ehemalige Stadtplatz-Linde eine Erfolgsgeschichte ist

Die Linde, die vom Stadtplatz an den KZ-Friedhof verpflanzt worden ist, hat sich prächtig entwickelt.
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Die Linde, die vom Stadtplatz an den KZ-Friedhof verpflanzt worden ist, hat sich prächtig entwickelt.

Dem Wald in Deutschland geht es nicht besonders gut. Das zeigt die aktuelle Waldzustandserhebung. Da ist die Entwicklung der Winterlinde, die bis 2021 auf dem Stadtplatz von Neumarkt-St. Veit stand, eine Erfolgsgeschichte.

Neumarkt-St. Veit – Der Wald in Deutschland ist in einem schlechten Zustand. Das ist das Ergebnis der Waldzustandserhebung 2023. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sagt, dass von den Bäumen, die in Deutschland am meisten verbreitet sind – Fichte, Kiefer, Buche und Eiche – vier von fünf Bäumen krank sind. Die Erhebung zeigt, dass sich der Zustand des Waldes seit dem Vorjahr kaum verändert hat. Trotz besserer Ausgangsbedingungen leiden die Bäume nach wie vor unter der andauernden Trockenheit und den hohen Temperaturen seit 2018.

Der Winterlinde vom Stadtplatz geht es wieder gut

Ganz anders schaut es dagegen mit der Winterlinde aus, die im September 2021 vom Stadtplatz auf einen Grünstreifen an der KZ-Gedenkstätte verpflanzt worden ist. Sie erstrahlt regelrecht in einem satten Grün und hat sich seit ihrer Umpflanzung prächtig entwickelt. Zudem ergänzt sie sich prima mit der Linde, die dort bereits vorher stand und den Eingang der Gedenkstätte markiert.

Die Linde, die durch die Verpflanzungsaktion mithilfe der Firma Opitz, des Bund Naturschutz und des LBV ein neues zu Hause gefunden hat, gedeiht an ihrem neuen Standort sehr gut. „Die kräftigen neuen Triebe zeigen, dass es dem Baum an seinem neuen Standort gut geht. Es hat sich gelohnt, diesen Baum zu verpflanzen und wir freuen uns jedes Jahr über den Zuwachs in der Krone. Wir hoffen, dass sie das volle Lebensalter einer stattlichen Linde von bis zu 1000 Jahren erreicht“, hofft Christian Guse, der zusammen mit seiner Frau Eva maßgeblichen Anteil an der Umpflanzung der Linde hatte.

Die kräftigen neuen Triebe zeigen, dass es der Linde an ihrem neuen Standort gut geht.

Durch die Verpflanzung, vor allem durch die Fahrt durch das Nadelöhr am Johannesplatz, musste sie einige, auch dicke Äste lassen. „Oft nennen wir sie unseren Zausl“, so Guse fast liebevoll.

So sah sie zumindest in den ersten beiden Jahren aus, aber Linden treiben gut neu aus und die Rußpartikel, die sie am Stadtplatz an ihrem Stamm aufgelagert hatte, sind beinahe komplett abgewaschen. „Sobald die Linde Laub hat, fahren wir ein bis zweimal die Woche mit einem 1000-Liter-Kanister auf einem Anhänger zum Gießen und geben ihr 500 Liter Wasser“. 

Neue Bewohner sind bei der Linde eingezogen

Die Wunde von dem Axtangriff kurz vor dem Verpflanzen verwächst sich auch gut und hat bereits eine gute Wundheilung erfahren. „Das Schönste ist, wenn sie zu blühen beginnt und der süße, aromatische Duft in der Luft liegt. Sie hat mehrere Bewohner, wie Schmetterlinge, Marienkäfer, Spinnen und Vögel. Und dann ist da natürlich noch Grashüpfer Willibald, der beim Umsetzen am Stadtplatz vergessen wurde, jedoch auf Umwegen den Weg zurück zu seinem Baum gefunden hat“, meint Eva Guse. Sie hatte das Umsetzen des Baumes aus Sicht des Grashüpfers Willibald in einer netten Erzählung Revue passieren lassen.

Grashüpfer Willibald erzählt vom 29.09.21

Ja, das war ein aufregender Tag in meinem Leben, fast dachte ich schon „jetzt hots mi, jetzad iss vorbei, mei Lebm auf dera Weld“. Ganz viele Menschen waren gekommen und schauten zu mir rauf, auf meinen Lindenbaum an dem Neumarkter Stadtplatz. Irgendwie kam mir das reichlich seltsam vor. In meinem Leben war ich noch nie von großer Bedeutung für die Menschen, die immer so wichtig und beschäftigt sind.

Heute war alles irgendwie anders. Plötzlich kamen große Gefährte, so etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, mit ganz vielen Reifen und einem Packman-Greifarm. Ja jetzt nähert sich noch dieses Riesenteil meiner Linde, bohrt sich in den Boden hinein, umfasst die Wurzeln der Linde, es wackelt und mein Wohnsitz wird plötzlich um 180 Grad gedreht. Ich kam mir vor wie im Volksfest im Kettenkarussell.

Anschließend wurde der Ast, auf dem ich versuchte mich wieder zu beruhigen, einfach abgesägt und ich landete auf den anderen bereits beseitigten. Ja geht’s noch? Was soll denn das alles? Dieser ganze Aufruhr, dieser Stress, was fällt denn diesen Menschen ein?! Ganz aufgeregt stehen sie da, halten irgendwelche Teile vor Ihr Gesicht. Auf einmal wird mein zu Hause auf diesem riesigen Gefährt wegbefördert, ohne mich. Wo soll ich denn nun am Stadtplatz wohnen?

Nach Stunden auf dem Ast am Boden kam ein Mensch und lud diese Äste auf einen Hänger. Meine Chance, schnell auf die Jacke des Menschen gehopst und mitgefahren. Cool im Auto mitfahren, selten so viel gesehen. Ich traute meinen Augen kaum, als ich sah, wohin ich befördert wurde: zu meiner Linde! Wie schön, der nette Mensch oder war es eine Menschin, setzte mich auf ein Lindenblatt, mein Zuhause, ich habe es wiedergefunden. Ein schönes Zuhause, weg vom Trubel, oberhalb der Stadt Neumarkt-Sank Veit. Danke lieber Mensch!

Dein Grashüpfer Willibald

Geschrieben von Eva Guse: „Diesen Grashüpfer habe ich tatsächlich am Stadtplatz aufgelesen, oder besser er hat mich auserwählt, als wir die abgeschnittenen Lindenäste wegfahren wollten. Im Auto bemerkte ich ihn an meiner Jacke und oben an der Gedenkstätte saß Willibald immer noch darauf. So nahm ich ihn vorsichtig auf und setze ihn auf ein Lindenblatt seines Baumes. Ob Willibald tatsächlich so gefühlt hat, kann ich nicht hundertprozentig bestätigen, aber sicherlich wäre seine Beschreibung meiner sehr ähnlich“.

Stefan Zimmermann, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landschaftspflege am Landratsamt Mühldorf, schätzt den Zustand der Linde am KZ-Friedhof so ein: „Die Linde hat die sehr schwierige Großbaumverpflanzung vom Stadtplatz zur KZ-Gedenkstätte gut überstanden. Nach einer Anwachszeit von insgesamt drei Jahren, haben sich die Wurzeln mit dem neuen Standort arrangiert und die Linde hat sich sehr gut an den neuen Platz gewöhnt. Der Baum macht einen sehr vitalen Eindruck und kann sich bedingt durch das sehr günstige, niederschlagsreiche Wetter prächtig entwickeln“.

Insgesamt geht es dem Wald in Deutschland nicht gut

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es den Wäldern in Deutschland insgesamt nicht besonders gut geht. Die Waldzustandserhebung 2023 zeigt, dass die Anteile der Schadstufen 2 bis 4 und die mittlere Kronenverlichtung, also der sichtbare Blatt- beziehungsweise Nadelverlust, aller Baumarten seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984 angestiegen sind. Im Jahr 2019 konnten die deutlichsten Veränderungen beobachtet werden. Insgesamt befinden sich die Schäden weiterhin auf einem sehr hohen Niveau und haben sich je nach Baumart im Vergleich zum Vorjahr gar nicht oder nur sehr geringfügig verändert. Es haben sich keine deutlichen Verbesserungen des Waldzustands eingestellt, aber auch keine deutliche Verschlechterung im Vergleich zu 2022. 

Die Grafik zeigt die Entwicklung der Schadstufen seit dem Jahr 1984. 9688 Bäume wurden im Jahr 2023 überprüft; bis zum Jahr 1989 nur in den alten Bundesländern (Angaben in Prozent).

Der Wald erfüllt vielfältige Nutz- und Schutzfunktionen, ist Kohlenstoffspeicher und bildet eine unentbehrliche Lebensgrundlage für die Menschen. Um Risiken rechtzeitig zu erkennen, ist eine langfristige Beobachtung unverzichtbar. Die bundesweite Waldzustandserhebung wird seit 1984 jährlich von den Ländern auf einem systematischen Netz (16 km x 16 km) von Stichproben durchgeführt. Das Ergebnis wird am Institut für Waldökosysteme des Thünen-Instituts (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei) hochgerechnet. 

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