Neue Bundestagsabgeordnete im Interview
„Wir sind im Zivilschutz blank“ – Sandra Bubendorfer-Licht über Katastrophen und Lösungen
Mühldorf – Sie ist neben Stephan Mayer seit Kurzem erst die zweite Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Altötting-Mühldorf: Sandra Bubendorfer-Licht, die mit ihrer Familie in Ampfing lebt. Bereits in ihrer zweiten Legislaturperiode ist sie mit der FDP in die Regierung aufgerückt und steht selbst als Obfrau dem Ausschuss für Inneres und Heimat vor.
Im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen spricht sie über die Bedeutung eines modernen Katastrophenschutzes und ihre ganz persönliche Krisenvorsorge.
Kommt Ihnen Ihr Weg als Bundestagsabgeordnete rasant vor?
Sandra Bubendorfer-Licht: Als ich Ende 2019 als Nachrückerin ins Parlament eingezogen bin, war es schon ein Kaltstart. Das war fordernd, aber auch ein Anreiz und eine Herausforderung, die ich gerne angenommen habe und bei der ich auch eine enorme Unterstützung von meinen Fraktionskollegen erfahren habe. Rasant war in meinen Augen der Start in die Regierung für die Fortschrittskoalition.
Die Herausforderungen rund um die Corona-Pandemie und eine schwierige Haushaltslage wurden mit dem völkerrechtswidrigen Überfall Putins auf die Ukraine nochmals verstärkt. Das waren und sind turbulente Zeiten, in denen keine Zeit für Eingewöhnung blieb.
Welche war für Sie persönlich die wichtigste Entscheidung, bei der Sie mit abgestimmt haben?
Bubendorfer-Licht: Eine speziell zu nennen ist da schwierig. Grundsätzlich waren Entscheidungen wie das Sondervermögen für die Bundeswehr natürlich enorm wichtig und bedeutend im Angesicht der Herausforderungen dieser Zeit. Dieses haben wir aber als Koalition und oftmals auch gemeinsam mit Teilen der Opposition auf den Weg gebracht.
Darüber hinaus waren besonders die Abschaffung von Paragraph 219a sowie die wichtigen Veränderungen im Bereich der BAföG-Reform Punkte, die wir als Freie Demokraten vorangetrieben haben. Ebenso ist dabei der Fakt zu nennen, dass Justizminister Buschmann einige unverhältnismäßige Corona-Maßnahmen wie Schulschließungen oder Lockdown-Verbot in den Verhandlungen mit Herrn Lauterbach durchgesetzt hat.
Darüber hinaus haben wir die Entscheidungshoheit wieder stärker ins Parlament zurückgeholt. Auch im Bereich EEG-Gesetz waren es die Freien Demokraten, die die Erhaltung der kleinen Wasserkraft durchgesetzt und somit auch viele kleine Wasserbetriebe hier in der Region gestärkt haben.
Sie haben zuletzt davon gesprochen, dass der Zivilschutz überdacht werden sollte. Meinen Sie damit, dass wir mit unserer auf Ehrenamt abgestellten Infrastruktur nicht mehr ausreichend aufgestellt sind?
Bubendorfer-Licht: Ich meine damit, dass wir generell im Zivilschutz im Grunde blank sind, da dieser konsequent zurückgebaut wurde in den letzten 30 Jahren. Wir können froh und dankbar sein über die vielen ehrenamtlich tätigen Menschen bei uns in Mühldorf und der Region. Diese müssen aber von staatlicher Seite unterstützt und entsprechend materiell und strukturell aufgestellt werden. Hier haben wir einen weiten Weg vor uns im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz.
Aber auch hier packen wir gemeinsam mit Innenministerin Faeser an und verbessern die Abläufe und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen durch beispielsweise das neue gemeinsame Kompetenzzentrum zwischen Bund und Ländern beim BBK.
Derzeit leiden viele unter der Hitzewelle. Wie könnten Ihrer Meinung nach hitzefreundliche Kommunen der Zukunft ausschauen?
Bubendorfer-Licht: Meiner Meinung nach muss dabei der Fokus besonders auf ältere Menschen und vulnerable Gruppen gelegt werden. Auch in Kindergärten, Schulen und Betrieben sollte zum einen eine Sensibilisierung bei diesem Thema gepaart mit erhöhter Achtsamkeit und Aufmerksamkeit angegangen werden.Ausreichend Wasserspender und schattige Bereiche an öffentlichen Orten sind ebenfalls Maßnahmen, die meiner Ansicht nach zu erörtern sind. Auch die Gefahren von Wald- und Wiesenbränden und deren Ursachen müssen noch mehr vertieft werden. Grundsätzlich auch die Vermittlung von gesundheitlichen Abläufen im Körper bei Extremtemperaturen und präventive Mittel gegen Kreislaufzusammenbrüche und Dehydrierung.
Weitere Nachrichten aus dem Landkreis Mühldorf
Sie wohnen mit Ihrer Familie im Ampfing. Machen Sie sich auch persönlich krisenfest?
Bubendorfer-Licht: Ich achte schon darauf, Grundnahrungsmittel immer auf Lager zu haben. Darüber hinaus sind wir Bubendorfer auch begeisterte Hobbygärtner und bauen Gemüse und Obst sehr umfangreich in den eigenen Gärten an. Ebenso haben wir schon damals bei der Auswahl des Grundstückes in Ampfing darauf geachtet, dass dieses nicht in der Nähe der Isen ist, um eine mögliche Hochwassergefahr ausschließen zu können. Hier haben wir uns umfangreich informiert und beraten lassen. Das kann ich auch nur wärmstens weiterempfehlen. Außerdem haben wir in unserem Haus einen Kamin installiert, um bei Gasmangel ausgerüstet zu sein. Eine Taschenlampe und Batterien haben wir auch immer griffbereit.
Mit Blick auf eine mögliche Gas-Triage, die zunächst einmal Industrie und Wirtschaft treffen soll. Machen Sie sich Sorgen um die heimischen Mittelständler?
Bubendorfer-Licht: Natürlich bereitet mir die angespannte Lage in Sachen Gasversorgung Sorge, grade im Hinblick auf die heimischen Mittelständler. Wichtig ist nun, sorgsam und rational die Gasspeicher möglichst effektiv und ausreichend zu füllen. Dabei darf keinerlei Gas mehr für die Stromerzeugung genommen werden. Daher müssen wir nun auch den vorübergehenden Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke forcieren und auch LNG-Flüssiggas umfangreich beschaffen. Aber seien sie versichert, wir lassen die heimische Industrie und Mittelständler nicht im Regen stehen.
Sie sind die religionspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Ist die Kirche noch zu retten?
Bubendorfer-Licht: Ja, die Kirche ist noch zu retten. Sicherlich ist die Liste der Verfehlungen und Missstände sehr lang. Aber es findet allmählich auch ein Umdenken statt. Hierbei sehe ich zum einen den Synodalen Weg, der unter anderem Reformen wie die Aufhebung des Zölibats und mehr Rechte und Möglichkeiten für Frauen in der Katholischen Kirche vorsieht. Zum anderen ist die Änderung der Grundordnung im kirchlichen Arbeitsrecht durch die Bischofskonferenz, wodurch das Privatleben von Mitarbeitenden keinerlei Rolle mehr spielen wird, ein wichtiger Schritt. Die katholische Kirche muss die Zeichen der Zeit erkennen und Reformen sowie die Aufarbeitung auch selbst weiter vorantreiben.
Kürzlich haben Sie geäußert, dass die Union gar nicht christlich sei. Sie selbst sind katholisch. Was bedeutet es Ihrer Meinung nach, christlich zu sein?
Bubendorfer-Licht: Meiner Meinung nach trägt die Union das C in ihrem Namen wie eine Monstranz vor sich her. Sie sollte sich aber lieber hier und da mehr auf die wirkliche Bedeutung von christlichen Werten wie Nächstenliebe, Solidarität und Aufrichtigkeit berufen.
Wenn man sich die letzten Jahre anschaut und sich die Maskenaffäre während der Corona-Pandemie, die undurchsichtige Mautaffäre von Herrn Scheuer und viele weitere Thematiken vor Augen führt, wird deutlich, dass hier mehr Selbstreflektion und Demut nicht schaden würde. Ich persönlich empfinde auch die aktuell aggressive Unionspolitik aus der Opposition heraus als unaufrichtig, da Ursachen oftmals falsch dargestellt und der aktuellen Regierung in die Schuhe geschoben werden, obwohl die Union federführend die letzten 16 Jahre in Deutschland regiert hat.