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So ist die Situation bei Helfern und Notleidenden

„Warteliste“ bei der Tafel Mühldorf: Gibt es ein „Weihnachtsgeschenk“ für Bedürftige?

Mühldorf am Inn: Bei der Tafel helfen rund 40 Ehrenamtliche jeden Donnerstag bei der Ausgabe mit, hier (von links) Barbara Ossowicki, Kurt Gallner und Leiter Detlef Künzel.
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Fleißige Hände bei der Tafel Mühldorf: (von links) Barbara Ossowicki, Kurt Gallner und Leiter Detlef Künzel.

Trotz voller Regale, einer Riesen-Spendenbereitschaft und immer mehr freiwilligen Helfern musste die Mühldorfer Tafel einen „Aufnahmestopp“ verhängen. Das sind die Gründe.

Mühldorf - „Meine Kinder wussten lange Zeit nicht, dass ich auf Hartz IV bin, weil sie mich ja immer arbeiten sehen haben.“ Der Blick von Bettina M. geht schüchtern zu ihrer Tochter Jasmin (24) und ihren Teenager-Sohn Michael (Namen redaktionell geändert), neben denen sie in der langen Schlange vor der Mühldorfer Tafel, die fast bis zur Straße reicht, steht. Die 46-jährige Waldkraiburgerin fragt sich, was wohl heute an Lebensmitteln in der „Bananenkiste“, die ehrenamtliche Tafel-Helfer jeden Donnerstagnachmittag durch das Fenster an die Bedürftigen weitergeben, sein wird. Dankbar sei sie über alles, was sie für die 2 Euro bekommt, egal ob es Obst und Gemüse, Brot, Reis oder Milch ist. Ist ein Stück Fleisch oder Wurst dabei, sei es, als ob „Ostern und Weihnachten gleichzeitig“ anstehen, so die alleinerziehende Mutter dreier Kinder.

Staatliche Unterstützung reicht nicht mehr

Seit ihrer Scheidung vor rund 20 Jahren musste Bettina sich und ihre Kinder mit staatlicher Unterstützung und Mini-Jobs über die Runden bringen. Auf die Angebote der Tafel hat sie lange Jahre nur sporadisch zurückgreifen müssen; seit wenigen Jahren kommt sie regelmäßig. „Das Geld reicht einfach bei Weitem nicht mehr“, so die Waldkraiburgerin. Von ihren beiden großen Zwillingstöchtern ist die eine in Lohn und Brot; Jasmin macht allerdings gerade eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau am Beruflichen Schulzentrum Mühldorf. Da sie selbst mit einem kleinen vierjährigen Sohn alleineinziehend ist, nutzt sie ebenfalls die Tafel.

Aus Scham wird Dankbarkeit

„Anfangs habe ich mich tierisch unwohl dabei gefühlt, hier anzustehen. Nun sind wir alle dankbar, dass es so etwas gibt“, sagt Jasmin. Scham und Vorwürfe gebe es in der Familie nicht. „Wir halten zusammen und helfen uns gegenseitig, wo es geht.“ Während Jasmin die Schule besucht, kümmert sich Bettina um das Enkelchen. Auch von Sohn Michael kommt kein Bedauern über die prekäre Situation der Mutter. Im Gegenteil hat er Pläne für die Zukunft: Nach seiner Mittleren Reife möchte der 16-Jährige zur Bundeswehr, um sich weiterzubilden. Wer weiß, vielleicht werde er irgendwann sein eigenes Unternehmen gründen, überlegt der Teenager. Mama Bettina lächelt: „Es ist gut, dass er Ziele hat im Leben. Aber alles Schritt für Schritt.“ Aufgeben gibt es jedenfalls nicht.

Lebensmittelausgabe bei der Mühldorfer Tafel. Leiter Detlef Künzel (links) übergibt einen gefüllten Karton an die Waldkraiburgerin Bettina M.

Ehrenamtliche Helfer mit Leib und Seele dabei

Heute geht der Schritt in Richtung Ausgabe der Tafel. Das Gewusel auf dem Vorplatz ist groß. Rund 40 ehrenamtliche Helfer sind es inzwischen, die hier jeden Donnerstagnachmittag für einen glatten Betrieb sorgen; die einen putzen das Gemüse, andere befüllen die Kartons, wiederum andere kümmern sich um Ausgabe. Nicht zu vergessen die Fahrer, die die Pakete an diejenigen Bedürftigen liefern, die zu gebrechlich oder gehandicapt sind. Eine der fleißigen Tafel-Mitarbeiter ist Barbara Ossowicki. Die pensionierte Personalchefin nutzt ihre freie Zeit, um mit Menschen in Kontakt zu kommen und zu helfen, wo es geht. Abgesehen von der Tafel engagiert sie sich als Schöffin am Landesarbeitsgericht sowie als Lese- und Lernpatin benachteiligter Kinder. „Mein Mann ist zwar nicht immer begeistert. Aber ich kann mich gut organisieren“, lacht die Waldkraiburgerin, die im Organisationsteam der Tafel ist.

Zahlreiche Bedürftige auf „Warteliste“

Womit sie nicht gerechnet hat, ist, dass so viele Bedürftige auf die Tafel angewiesen sind. Besonders bei jungen Familien oder alleinstehenden alten Menschen mit magerer Rente fühlt sie sich angefasst. Diese Schicksale sollte es in unserem Land wirklich nicht geben, betont die Helferin mit einem Kopfschütteln. Jedoch werden es immer mehr und nicht weniger: „Vor Corona haben wir 120 Haushalte im Landkreis versorgt. Mit der Pandemie und den Krisen wurden es stetig mehr“, zählt Tafel-Leiter Detlef Künzel auf. Als im Sommer die ukrainischen Geflüchteten den Hartz IV-Bescheid erhalten hatten, waren es plötzlich 210 zu versorgende Haushalte. „Da mussten wir die Türen schließen.“ Künzel schüttelt mit dem Kopf. Aktuell stehen rund 50 Haushalte auf der Warteliste. Egal ob Krieg, Inflation und Energiekrise - die Gründe, warum immer mehr Menschen durchs Netz fallen, sind mannigfaltig. Anrecht auf das Angebot der Tafel haben alle, die eine öffentliche Bescheinigung, zum Beispiel ein Wohngeldbescheid, Hartz IV-Bezug oder den Beleg über eine niedrige Rente, vorweisen können.

Volle Lebensmittelregale bei der Tafel Mühldorf. Mühldorfer Unternehmen spenden regelmäßig oder unterstützen mit Aktionen.

Rund 1000 Kartons pro Monat

Dabei würde es nicht an Lebensmitteln oder freiwilligen Helfern fehlen, betont der Tafel-Chef, der selbst viel freie Zeit neben seiner Selbstständigkeit als IT-Berater in das Ehrenamt steckt. Stadt, Unternehmen vor Ort oder Einzelspender - die Spendenbereitschaft sei enorm, egal ob es Spendenaktionen im Globus, gut gefüllte Rewe-Tüten, die jedes Jahr im November geliefert werden, oder ausrangierte Paletten mit Produkten von Netto. Rund 240 Kartons mit einem guten Lebensmittel-Mix können auf diesem Weg jeden Donnerstag ausgegeben werden. Wenn Spielraum da ist, gehen Detlef Künzel und seine Mitarbeiter auch auf besondere Wünsche der Bedürftigen ein. „Manche haben Allergien oder essen kein Fleisch“, so Künzel, der für solche Fälle gesonderte Ausgaben beziehungsweise Vorbestelllungen vorgesehen hat. Alles eine Frage guter Organisation. Und die läuft gut.

Tafel expandiert nach Waldkaiburg

Problem sei allerdings, dass die Räumlichkeiten der Tafel in der Mühlenstraße 22, nahe JUZ und Kulturschuppn, schlicht nicht mehr ausreichen. Eine Lösung deutet sich mit einer geplanten Zweigstelle in Waldkraiburg im kommenden Jahr an; dieses Jahr soll noch eine provisorische Ausgabestelle in Aschau am Inn eingerichtet werden. Helfer werden dazu bereits rekrutiert. Detlef Künzel ist zuversichtlich, dass mit dieser Lösung der Aufnahmestopp beendet und noch mehr Haushalte versorgt werden können. Das wäre nicht nur für die Bedürftigen, sondern auch für das Helfer-Team das schönste Weihnachtsgeschenk.

Byodo Naturkost startet Weihnachtsaktion zugunsten der Tafel Mühldorf

Von Montag, 28. November, bis Mittwoch, 14. Dezember, können Kunden im Feinsinn Bioladen für die Tafel spenden. Entweder man kauft vorgepackte Tüten oder einzelne Produkte, die an der Kasse bezahlt und dann in dafür vorgesehene Einkaufswagen gelegt werden können. „Bei uns ist nachhaltiges Handeln ein zentraler Wert. Dazu gehört auch soziales Engagement gegen Lebensmittelverschwendung. Daher spenden wir regelmäßig Bio-Produkte, die ein nahendes Mindesthaltbarkeitsdatum oder kleinere Fehler bei der Abfüllung und Verpackung aufweisen“, sagt Byodo-Mitarbeiterin Juliane Stobbe auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. Die Weihnachtsaktion werde heuer zum fünften Mal in Folge durchgeführt.

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