Verlorene Orte in Mühldorf
Verlassen im Altmühldorfer Tal: Wo einst das elektrische Herz Ecksbergs schlug
An den beiden alten Häusern im Altmühldorfer Tal ist schon fast jeder Mühldorfer einmal vorbeigekommen. Was drin ist, weiß kaum einer. Ein Hausbesuch.
Mühldorf - Es ist einer der idyllischsten Flecken in der Stadt: das Altmühldorfer Tal rund ums Kronwidl. Es ist grün und ruhig, auf einem Spazierweg läuft eine Joggerin mit ihrem Hund. Am Wegesrand in Richtung Stiftung Ecksberg stehen zwei alte Gebäude. Das Linke näher am Verfall als das rechte. Die Türen sind fest verschlossen, die Fenster mit dicken Läden oder Brettern gesichert. Nur wenige Meter dahinter ein kleiner See, schon fast zugewachsen.
Einer kennt die Geschichte der Häuser genau
Johann Hertkorn weiß alles über die beiden Gebäude, das ehemalige Waschhaus und das ehemalige Elektrizitätswerk der Stiftung Ecksberg. Der 78-Jährige war viele Jahre Direktor der großen Behinderteneinrichtung, er hat sich ausführlich mit ihrer Geschichte befasst. Und natürlich auch mit den beiden verlorenen Häusern im Altmühldorfer Tal.
Wobei zumindest das Rechte nicht ganz verloren ist, an der Tür des langgestreckten Hauses weist ein Schild auf seine Nutzung hin: Der Modelleisenbahnclub Mühldorf ist in der ehemaligen Wäscherei der Stiftung Ecksberg zu Hause.
Eine Behinderteneinrichtung mit Wasserproblem
Hertkorn schreitet die lange, einstöckige Fassade ab: Bis 1980 wurde hier die Wäsche der Bewohner und der Ecksberger Schwestern gewaschen. Mehr als 100 Meter und durch einen steilen Waldhang von den Wohnungen der Behinderten getrennt. „Es gab in Ecksberg von Anfang an ein Wasserproblem“, sagt Hertkorn.
Die Lage auf der oberen Innterrasse bereitete 1852 ganz Altmühldorf Schwierigkeiten. Im Tal entdeckte der Gründer der Stiftung Ecksberg, Josef Probst, viele Quellen und verlegte das Waschhaus der Einrichtung kurzerhand dorthin.
Damals, 1862, lebten bereits 200 Behinderte in Ecksberg, der tägliche Wäscheberg war enorm. Zum Waschhaus kam ein Trockenraum mit Dampfmaschine, dazu ein Schrägaufzug, mit dem Bewohner ihre Wäsche von Hand den Berg hinauf kurbelten. Und ein Pumpenhaus, von dem aus Wasser direkt in die darüber gelegene Stiftung gepumpt wurde. „1912 hatte Ecksberg den Luxus von fließendem Wasser“, erzählt Hertkorn.
Verlorene Orte: Wasch- und E-Werk der Stiftung Ecksberg




1980 gab die Stiftung die Wäscherei auf, einige Jahre später zogen die Modelleisenbahner ein, in den 1980er Jahren nutzte eine Rockband einen Teil des Gebäudes als Probenraum. Die Dampfmaschine im Inneren und der hohe Schornstein sind die letzten Zeugen der Wäschereizeit.
Eine Fischzucht im Keller
Das Gebäude gegenüber ist jünger, verspielter, architektonisch anspruchsvoller als der langgezogene Wäscherei-Zweckbau. Hertkorn geht auf eine überwucherte Treppe zu, die in den Garten führt. Man hört hinter den zum Teil eingeschlagenen Fenstern im Keller Wasser rauschen. „Hier betrieb zu meiner Zeit ein Mitarbeiter eine Fischzucht“, erzählt er von den Jahren 1992 bis 2005. Die Quelle direkt im Haus machte es möglich.
Der eigentliche Zweck aber war ein ganz anderer: Das Haus beherbergte eine Dampfmaschine, mit der die Stiftung Ecksberg ab 1912 eigenen Strom erzeugte. In den Räumen neben dem Kraftwerk wohnte der Maschinist.
Auf dem Tisch steht ein einsamer Blumenstrauß
Die Räume sehen fast so aus, als habe ihr letzter Bewohner sie gerade erst verlassen. Mitten im Zimmer steht ein Tisch mit zwei Stühlen, darauf eine Vase mit strahlend gelben Plastikblumen. An der Wand hängt ein Kruzifix, auf einem Sessel stapeln sich Teppiche. Die Gardine ist zugezogen. Durch die Tür fällt der Blick auf die Treppe ins Obergeschoss, der Nachbarraum ist leer. Putz bröckelt von der Wand. Ein wirklich verlorener Ort.
Schafe und Spielautomaten
Danach sah es 1985 noch nicht aus, als der Maschinist auszog. Die Ecksberger Handwerker übernahmen das Gebäude als Stützpunkt und Werkstatt, die Maschinenhalle wurde zum Schafstall. Später nutzten es die Ecksberger Schwestern und versorgten von dort aus die Kapelle am Kronwidl, im Schafstall fanden ausrangierte Anhänger Platz, eine Schubkarre sieht noch recht neu aus.
In den Nebenräumen restaurierte der Altmühldorfer und Grünen-Urvater Bernhard Wagner zeitweise seine Spielautomaten und Flipper. Und schließlich war da noch die Fischzucht.
So innovativ die Stiftung Ecksberg immer dann ist, wenn es darum geht, Gebäude zu nutzen und Wohneinrichtungen zu schaffen: Das alte Krafthaus wird wohl weiter verfallen. Schon in seiner Zeit, berichtet der ehemalige Direktor Hertkorn, habe es Überlegungen gegeben, an dieser Stelle Wohnraum für Menschen zu schaffen, die viel Ruhe brauchen.
Ohne Infrastruktur, eine schwache Bausubstanz und durch die Vorgaben des Denkmalschutzes: ein unmögliches und zu teures Unterfangen für die Sozialeinrichtung Ecksberg.
Aber vielleicht nicht für andere, sagt der derzeitige Finanzvorstand Stefan Reiter: „Für eine nicht behindertenspezifische Nutzung als Wohnimmobilie wäre die herrliche Lage und das Gebäude aber grundsätzlich geeignet.“
Wer weiß, vielleicht kehrt irgendwann einmal wieder Leben in das verlorene Haus ein. Grundrisspläne dafür gibt es schon.



