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Familie aus Obertaufkirchen sucht immer noch Pflegekräfte

Geräte abgeschaltet und misshandelt – Was wurde aus dem kleinen Tobi?

Tobias Balhuber
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Tobi hat einen Luftröhrenschnitt und wird künstlich ernährt. Seine Familie sucht dringend examinierte Pflegekräfte.

Der dreizehnjährige Tobi aus Obertaufkirchen ist ein Intensiv-Pflegefall. Bisher halfen verschiedene Pflegedienste der Familie bei der häuslichen Betreuung. - Mit zum Teil großen Gefahren für das Kind. Seit einigen Monaten sucht die Familie daher nun selbst nach Pflegekräften. Im Gespräch mit innsalzach24.de erzählt die Mutter von den schlimmen Erfahrungen und wie es Tobi inzwischen geht.

Obertaufkirchen – „Leider hat sich bisher nicht so viel getan“, erklärt Manuela Balhuber, die Mutter des Dreizehnjährigen. Sowohl über innsalzach24.de als auch über Inserate, ausgelegte Flyer und Kundgebungen an Schulen und über die Kinoleinwand konnte die Familie nicht genug Fachkräfte finden. Im Moment betreuen eine Teilzeitkraft sowie zwei Minijob-Kräfte den schwerbehinderten Sohn. Somit stünden der Familie noch drei Vollzeitpflegekräfte zu. Interessierte können sich per Mail an pflegeteam-tobi@web.de wenden oder telefonisch unter 0178-6323431 melden.

Schlimme Erfahrungen mit Pflegediensten

Tobi kam gesund zur Welt, hatte allerdings mit zwei Jahren eine seltene Gehirnblutung und ist seitdem ein Pflegefall. „Der Kleine hat alle Fähigkeiten verloren. Er ist tracheostomiert, er hat also einen Luftröhrenschnitt. Er wird künstlich ernährt und kann nicht alleine sitzen oder stehen“, so die Mutter. Durchgehend ist er auf Hilfe angewiesen.

Bisher kam die Hilfe von Pflegediensten. - Mit denen die Balhubers allerdings überwiegend schlechte Erfahrung gemacht haben. So habe der letzte Pflegedienst nachts Tobis Überwachungsgeräte abgeschaltet und sich schlafen gelegt. Für das Kind hätte dies tödlich enden können. Zudem hat die Mutter immer wieder blaue Flecken an ihrem Sohn entdeckt. Das Vertrauen war somit natürlich zerstört. Daher wollte die Familie über das sogenannte „persönliche Budget“ ab Januar selbst Personal einstellen. Bis dies gefunden ist, hatte der Pflegedienst noch seine Unterstützung zugesagt. Doch so weit kam es nicht. Denn Ende Dezember hat der Medizinische Dienst eine Kontrolle beim Pflegedienst im Haus der Balhubers durchgeführt. „Mir war bewusst, dass ich ab dem Tag keinen Pflegedienst mehr habe“, erklärt die Mutter. Plötzlich meldete sich das Personal krank. Und bereits am 30. Dezember war Schluss mit der Unterstützung.

Die Mutter hat die blauen Flecken bei Tobi auf zahlreichen Fotos dokumentiert.

Die Personalsuche gestaltet sich nach wie vor schwierig

Von heute auf morgen war die Familie mit der Pflege komplett auf sich allein gestellt. Erst am 15. Januar kam das Okay zur Kostenübernahme von Seiten der Krankenkasse, Pflegekräfte mit „persönlichem Budget“ anstellen zu dürfen. „Persönliches Budget“ heißt konkret, die Eltern von Tobi können damit selbst Pflegepersonal auswählen und anstellen. Finanziert wird dies von der Krankenkasse. Mit dem zur Verfügung gestellten Geld übernimmt die Familie wie ein Arbeitgeber auch die Sozialversicherungsabgaben. „Dadurch, dass es vorher so lange hin und her ging, sind mir die, die ich ursprünglich hatte, abgesprungen. Ich habe momentan nur acht Nächte im Monat besetzt und vier, fünf Tage. Den Rest stemme ich allein. Wir sind wirklich am Limit.“ Ihren Job hat Manuela Balhuber schon vor einiger Zeit aufgegeben, um sich ganz Tobi widmen zu können, und auch ihr Mann kann nur noch Teilzeit arbeiten. „Das ist natürlich finanziell auch nicht rosig. Gleichzeitig haben wir den Anbau, der auch eine extreme Belastung ist.“ Damit Tobi optimal versorgt werden kann, ist der Anbau nötig. Dabei wird auch ein behindertengerechtes Bad für ihn errichtet.

Doch die Suche nach gutem Fachpersonal ist schwierig. Des Öfteren haben sich Pflegehelfer bei der Familie gemeldet. Diese darf sie aber nicht anstellen, denn es muss sich um examinierte Pflegekräfte handeln. Auch bekommt Manuela Balhuber unseriöse Angebote. „Ein Pfleger hat angerufen. Der hat gefragt, wie ich das überhaupt machen möchte. Er arbeitet grundsätzlich nur 50 bis 60 Stunden im Monat, weil er 60 Euro in der Stunde bekommt. Soviel müsste ich ihm auch bieten. Man müsste ihm außerdem das Bett richten, damit er schön schlafen kann. Denn aufarbeiten will er sich natürlich nicht bei uns.“ Aber Tobi muss auch nachts rund um die Uhr überwacht werden. „Wenn schlafen möglich wäre, würde ich es ja selber machen“, ärgert sich die Mutter. Also geht die Suche weiter.

„Man merkt, dass er ein Trauma hat“ - dennoch geht es aufwärts

Nach den schlimmen Erfahrungen mit den Pflegediensten geht es mit Tobi langsam bergauf. „Wir haben ihn relativ gut stabilisiert. Die ersten Schichten waren eine absolute Katastrophe. Auch die ersten Tage mit den neuen Leuten. Man hat das Gefühl gehabt, er muss ein bisschen austesten. Er ist noch nicht auf dem Stand, auf dem er vorher war. Er macht aber schöne Fortschritte, er ist wacher, seitdem der Pflegedienst nicht mehr da ist. Und an den Fortschritten sehe ich: Das war es wert. Er wird wieder so wie früher. Aber er wacht in der Nacht schreckhaft auf. Man merkt, dass er da ein Trauma hat.“ Tobi hatte sich damals die Kanüle herausgerissen. Die Mutter vermutet, dass er sich damit selbst geholfen hat, um das Sekret herauszubekommen. „Wenn er das nicht gekonnt hätte, glaube ich, wäre er nicht mehr am Leben. Jemand, der nicht kommunizieren kann, kann sich nicht wehren. Dem kann man alles abschalten.“ Tobi schläft als Folge der Misshandlungen keine einzige Nacht durch. „Heute hat er dann ab vier Uhr in meinem Arm geschlafen.“

Laut Balhuber trauen sich viele Angehörige nicht, Missstände in der Pflege zu melden, weil sie Angst haben, dass dann gar kein Pflegedienst mehr zu ihnen kommt. Manche wüssten auch gar nicht, dass man so etwas melden kann. Viele Dienste wollen mit Kindern nichts zu tun haben. Außerdem werde die Pflege im häuslichen Bereich überhaupt nicht geschätzt. Dabei habe man hier viel mehr Gestaltungsfreiräume. Bezahlt wird bei „persönlichem Budget“ auch tarifkonform. Zudem muss man sich nur um einen einzigen Patienten kümmern. - Anders als in Kliniken.

Pflege mit Leidenschaft im Kinderhospiz

Doch auch von einem schönen Erlebnis kann die Mutter berichten. Im Februar verbrachte die Familie ein paar Tage im Kinderhospiz in Bad Grönenbach im Allgäu. Ein Teil der Kosten läuft hier über die Kurzzeitpflege. Viele haben ein falsches Verständnis von so einem Hospiz. „Das ist nicht nur zum Sterben, sondern es gibt Auszeiten und Erholungsurlaube für die Eltern. Die Versorgung wird dabei komplett übernommen.“ Begeistert erzählt sie, „mit was für einer Leidenschaft und Liebe die Menschen dort Pflege betreiben.“ Tobi durfte im letzten Jahr im Hospiz eine Briefmarke gestalten, die dann auch offiziell verkauft wurde. Leider sind die Aufenthalte im Hospiz selten möglich, auch wenn ein Anspruch auf 28 Tage im Jahr besteht. Es gibt aber zu wenig Plätze. In Bayern kennt Tobis Mutter nur zwei Kinderhospize. Und ab 27 Jahren darf man dort nicht mehr hin. Dann bleibt nur noch das Altenheim, was in so jungen Jahren natürlich auch nicht passend ist. „Viele Eltern sind dann wirklich am Ende.“

Im Gespräch mit Manuela Balhuber merkt man, dass die Familie die Belastung nur aushalten kann, weil alle zusammenhalten und jeder seine eigenen Bedürfnisse extrem zurück stellt. - Auch die beiden Geschwister von Tobi, die zum Glück inzwischen schon relativ groß sind. „Wir versuchen, auch Ihnen alles zu ermöglichen und allen gerecht zu werden. Man hat als Eltern trotzdem immer ein schlechtes Gewissen. Selbst braucht man eigentlich nichts mehr, weil man sowieso immer nur zu Hause ist.“ Dennoch bekommt sie für ihre Mühe viel von Tobi zurück: „Wenn das Kind einen anstrahlt, ist das mehr Lohn als man irgendwie haben kann.“

mf

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