Hilfe bei Burn-out
Mit afrikanischen Trommeln aus der Krise: Mühldorfer Manager nutzt Therapie für Körper und Geist
Werner Weil litt an einem Burn-out. Der leitende Manager konnte nicht mehr, wusste nicht weiter. Dann fand er eine Beschäftigung, die ihm neue Energie gab und sein Leben wieder in einen Rhythmus brachte.
Mühldorf – Ein Anthropologe machte mit Kindern in einem afrikanischen Dorf ein Spiel: Wer am schnellsten war, sollte einen Korb Früchte gewinnen. Statt einzeln nach dem Sieg zu gieren, nahmen sich die Kinder gegenseitig an die Hände und liefen alle gemeinsam ans Ziel.
Als der Anthropologe sie fragte, weshalb sie so gelaufen sind, wo doch jeder die Chance hatte, die Früchte für sich selbst zu gewinnen, sagten sie: „Ubuntu, wie kann einer von uns froh sein, wenn all die anderen traurig sind?“ So geht die afrikanische Geschichte, die Sylvia Schäfer (55) aus Binabiburg dazu inspirierte, ihrer Leidenschaft zur Musik einen ganz besonderen Namen zu geben: „Ubuntu Drummers“.
Nach dem Burn-Out Rhythmus gefunden
Werner Weil (66) aus Mühldorf ist seit 14 Jahren Mitglied, seit vier Jahren ist er im Bandprojekt: „Trommeln ist Tanz mit den Händen, sagt man.“ Wer Weils Geschichte und die Hintergründe zu diesem ganz besonderen Trommelorchester kennt, wird verstehen, weshalb „Ubuntu“ so viel mehr ist als „nur“ Trommeln. Es ist ein Lebensgefühl und – wie der Name übersetzt bedeutet – „Ich bin, weil wir sind.“ Es zählt nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft.
Werner Weil kam eher durch tragische Umstände zu seiner Musik. Vor etwa 14 Jahren hatte er vor lauter Stress in der Arbeit einen Burn-out. Er war leitender Manager einer großen Firma. Selbst wenn er Urlaub hatte, waren seine Gedanken bei seinem Job. Deshalb war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sein Körper vor lauter Stress rebellierte.
„Ich suchte etwas, das mein Gehirn anders beansprucht als bei der Arbeit. Privat hatte ich keine Probleme, da ging es mir zum Glück gut, aber mein Job laugte mich komplett aus“, erinnert er sich. „Durch das Trommeln zog ich mich selbst wieder aus dem Burn-Out raus.“ 2008 besuchte der heute 66-Jährige bei der Vhs in Landshut einen afrikanischen Trommel-Workshop. Hier standen nur die Technik und die Bühnenstücke im Vordergrund.
Feuer und Flamme für die Trommel
Durch den Musiklehrer bei der Vhs kam er zu Sylvia Schäfer, die Rhytmustrainerin und Leiterin der „Ubuntu Drummers“ ist. Weil, wie auch Schäfer, lernten die afrikanische Kultur einst durch ihre Urlaube in Afrika kennen und lieben. Schäfer war so sehr davon fasziniert, dass sie heute Trommelkurse anbietet und in ihrer Trommelwerkstatt sogar selbst Instrumente herstellt.
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„Es gibt fürs Trommeln Noten. Nach denen wird gespielt. Das ist vergleichbar wie ein Musikstück beim Klavier, nur auf Trommeln. Ich fing sofort Feuer für dieses Instrument und kaufte mir eins“, sagt Weil. Man beschäftigt sich sehr mit dem Rhythmus.
Trommeln macht den Kopf frei
Es gibt keine Noten wie C, D, E, sondern es gibt eine Wertigkeit. „Es ist überschaubar, wenn man sich darauf einlässt. Das macht den Kopf wieder frei. Man ist so gefordert, dass man den Alltag rundum vergisst. Man arbeitet mit den Händen. Das ist ein tolles Gefühl“, setzt Schäfer fort. Vor über 20 Jahren hat sie selbst die Leidenschaft dafür entdeckt und zu ihrem Beruf gemacht. In ihrem Bandprojekt treffen sich fortgeschrittene Trommler und Musiker, die Freude an Rhythmus und Schlagwerk haben.
Musik ist gut gegen psychische Erkrankungen
Genau so etwas brauchte Werner Weil, um wieder neue Energie zu bekommen. Fakt ist: Trommeln ist auch eine hervorragende Therapie für Geist und Körper. Selbst die Medizin hat die Wirkung des Trommelns erkannt und wendet sie erfolgreich als Musiktherapie bei psychischen Erkrankungen an. Auch bei körperlichen Beschwerden kann das Trommeln hilfreich sein, denn man hat durch das Schlagen körperliche Arbeit im positiven Sinne.
Eine Therapie für Geist und Körper
Werner Weil ist ein lebensfroher und glücklicher Mann. Doch er hat auch Zeiten erlebt, in denen der Beruf ihm all seine Kraft raubte. Mit dem Trommeln konnte er den Stress abbauen. Musik war für ihn schon immer ein Thema, er spielte Gitarre. Aber das Trommeln ist etwas ganz Besonderes für ihn.
„Ich würde mich sehr freuen, wenn wir dieses afrikanische und lateinamerikanische Lebensgefühl auch hierher bringen würden“, wünscht sich der Mühldorfer Weil. Er weiß, dass Trommeln nicht nur Freude, Musik, Unterhaltung und Glück bedeutet, sondern weitaus mehr dahinter steckt. Es hilft und heilt.
