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Christina „Crissi“ Reichl (28) steht auf dem Mühldorfer Volksfest ihre Frau in einer Männerdomäne: Sie ist im Innbräu-Festzelt die einzige Schankfrau und außerdem Chefin des Ausschanks.
Christina „Crissi“ Reichl ist eine außergewöhnliche Frau – mit besonderer Liebe zum Mühldorfer Volksfest. Und einem herausgehobenen Job im Innbräu-Festzelt.
Christina „Crissi“ Reichl ist im Innbräu-Festzelt die einzige Schankfrau und Chefin des Ausschanks auf dem Mühldorfer Volksfest
Vom Ferienjob über ihre Lehrzeit im Unertl-Festzelt bis zu einem Rat von Wolfgang Unertl senior
Stressig, körperlich anstrengend, aber dennoch elf wunderschöne Tage
Mühldorf – Im Innbräu-Zelt am Mühldorfer Volksfest herrscht Hochbetrieb. Die Musik spielt und die Bedienungen bringen ein um die andere gut eingeschenkte Maß an die vollbesetzten Tische. Während sich die Besucher das süffige Bier schmecken lassen, greift Christina „Crissi“ Reichl (28) in der Schenke mal links, mal rechts nach einem leeren Maßkrug, hält ihn unter den offenen Zapfhahn, schenkt zügig und gekonnt ein. Bei ihrem geschmeidigen Wechsel der Krüge geht kein Tropfen daneben.
Inmitten des Trubels ragt Crissi heraus: Nicht weil sie sonderlich groß wäre, sondern weil sie in einer absoluten Männerdomäne die einzige Frau ist. Sie ist nicht nur Schankfrau, sie ist beim Innbräu mit Maxi Sigl zusammen sogar Schank-Chefin – der wohl wichtigste Bereich im ganzen Festzelt. Sie sorgen dafür, dass die Besucher an den elf Tagen jederzeit eine frische Maß Bier bekommen.
Ihre Arbeit auf dem Volksfest überrascht viele
„Des is nicht des, was man von einer Frau erwartet“, erlebt die 28-jährige Crissi immer wieder, wenn sie mit jemandem ins Gespräch kommt, wenn sie erzählt, dass sie am Volksfest arbeitet. „Bedienst Du?“, laute die erste Frage. „Nein, ich schenk’ Bier aus“, ist ihre Antwort. Crissi: „Die sind dann im ersten Moment schon überrascht.“
Riesige Feierlaune auf dem Mühldorfer Volksfest (1)
Seit über zehn Jahren steht Crissi in der Schenke – zuerst im Weißbierzelt vom Unertl, jetzt im zweiten Jahr beim Innbräu. „Sie hat Erfahrung und sie kann super gut ausschenken“, begründet Festwirtin Anna Lohner ihre Wahl. Hinzu komme: „Sie ist immer gut drauf, hat Ausdauer, ist eine Führungskraft und kann ein Team bei Laune halten.“
Anfangs wollte sie nur einen Ferienjob
Vor gut zehn Jahren wollte Crissi eigentlich nur einen Ferienjob. Also hatte sie damals ihren Vater gefragt, der damals Bierfahrer beim Unertl in Mühldorf war. Seine Antwort: „Arbeite doch am Volksfest. So ist es dann gekommen.“
Als Tochter eines Bierfahrers sei sie „natürlich“ in der Schenke gelandet. „Seitdem mache ich das. Mir macht die Arbeit Spaß. Das ist das Wichtigste, dann geht sie einem auch leicht von der Hand.“
Power-Frauen inspirieren die Power-Frau
Dafür nimmt Crissi sogar Urlaub. Denn im „richtigen“ Leben arbeitet die Sozialpädagogin am Landratsamt Altötting im Amt für Kinder und Jugendliche. Schank-Chefin ist sie nur einmal im Jahr und „nur am Mühldorfer Volksfest“. Ansonsten hilft sie ihrem Freund bei der Landwirtschaft, spielt die Neumarkterin, die inzwischen in Walburgskirchen bei Tann wohnt, in ihrer Freizeit Querflöte, Gitarre und Klavier, schreibt ihre eigenen Songs und hat eine Band. „Wir sind noch nicht auftrittsbereit. Wir schauen, aber dass wir bald starten können“, sagt Crissi.
Riesige Feierlaune auf dem Mühldorfer Volksfest (2)
Musikalisch würden sie „Power-Frauen“ inspirieren, ohne Namen zu nennen. „Die sind schon immer mein Vorbild gewesen“, erzählt Crissi. „Ich mag starke Frauen, die was ausstrahlen.“ Anscheinend nicht nur musikalisch.
Stressig und körperlich anstrengend bis spät in die Nacht
Im zweiten Jahr leitet sie mit ihrem Co-Chef im Innbräu-Zelt das elfköpfige Ausschank-Team, schaut, dass hier alles passt, dass Bier und andere Getränke reibungslos an den Mann und die Frau kommen können. Sie teilt die Schichten ein, sieht in der Früh nach dem Rechten: Ist das Bier angezapft? Ist alles bereit? Sie hebt schon mal 50-Liter-Fässer durch die Gegend, überprüft die Leitungen und den Druck.
Mittags und vor allem abends gibt sie dann am Zapfhahn Vollgas, ehe es zu später Stunde ans Aufräumen geht und Feierabend ist. Da kann es schon mal ein Uhr nachts sein, bis sie aus dem Zelt kommt.
Vor allem am Wochenende sei es stressig, wenn alle auf einmal kommen und alle Bier wollen. „Das ist die Zeit, wo du den Zapfhahn nicht mehr zumachst.“ An Spitzentagen sind es schon mal 2.000 Liter Bier, die sie einschenkt. In 2.000 Maßkrüge, die sie leer unter den stets offenen Zapfhahn hält und gefüllt zur Ausgabe bereitstellt.
Alle helfen zusammen
Das ist körperlich anstrengend. Das merke sie vor allem am ersten und zweiten Tag. „Da habe ich dann auch mal Muskelkater. Aber ab dem dritten läuft es. Irgendwann gewöhnt sich der Körper daran“, sagt Crissi.
Wenn das Team passt, dann sei es noch mal einfacher, so Crissi. „Wir sind das gleiche wie im Vorjahr. Wir helfen einfach zam. Jeder schaut auf den anderen, jeder langt zu. So soll es sein und so passt es.“
Freude über die Lehrzeit und das „Mysterium Bier“
Crissi freut sich immer noch, dass sie das Ausschenken lernen durfte, wie sie immer wieder sagt. Anfangs musste sie durchaus manchen männlichen Kollegen überzeugen: „Man muss sich erst mal beweisen, dass man mithalten kann, dass man durchhält.”
Ein guter Schenk müsse das „Mysterium Bier“ verstehen, so Crissi. „Wie funktioniert Bier? Wie läuft es?“ Und es gebe „Kniffs und Tricks“, die ein Schenk einfach üben müsse. „Wie halte ich den Krug? Wie muss ich vorschießen, damit ich eine schöne Maß bekomme? Wie stelle ich den Druck ein, wie verlege ich die Leitungen?“ All das durfte sie Stück für Stück lernen.
Wolfgang Unertl senior und sein wichtigster Rat
Den wichtigsten Rat habe ihr aber ganz am Anfang der „alte“ Unertl-Weißbierbräu, Wolfgang Unertl, gegeben: „Dirndl, trink a Bier, dann kriegst a Kraft. Er hat recht gehabt.“
Seit zehn Jahren steht Crissi mit Begeisterung und Freude am Zapfhahn, lässt Liter um Liter in die Maß strömen. „Das ist etwas völlig anderes wie jeder andere Job. Es macht Spaß, mit den Kollegen, mit den Bedienungen und mit unseren Wirtsleuten. Das Miteinander ist schön.“
Elf aufregende, anstrengend, aber richtig schöne Tage
Auch habe das Mühldorfer Volksfest einfach viele schöne Momente. Angefangen von der Aufregung am ersten Tag – „Wie viel geht heut? Haben wir alles richtig eingestellt? Wie haut es hin?“ – bis zum Feuerwerk am letzten Tag. Danach würden sie sich alle zusammensetzen und feiern: „Mei, war des wieder a guads Fest, des haben wir wieder gut gemacht.“
Nur eines bedauert Crissi ein wenig: „Dass es eine Seltenheit ist, dass eine Frau hinter der Schenk steht.“ Darin ist sie sich mit Festwirtin Anna Lohner einig.
Eine Frau könne diese Arbeit genauso gut machen wie ein Mann, betont Crissi. Sie müsse nur Spaß mitbringen und wissen, dass es elf anstrengende Tage seien. „Aber es können richtig schöne elf Tage werden“, sagt Crissi, lacht und ihre Augen leuchten.
